• 11.06.2002 21:37

  • von Fabian Hust

Newey-Ära geht zu Ende

Adrian Newey, der wohl beste Formel-1-Konstrukteur der 90er-Jahre, plant seinen Teil-Rückzug als Designer bei McLaren

(Motorsport-Total.com) - Wenn Michael Schumacher in den letzten Jahren einen Gegner hatte, der ihm mehr als nur zwei oder drei Jahre am Stück Kopfschmerzen bereitete, dann war das Adrian Newey. Der Brite baute die Weltmeisterautos bei Williams Mitte der Neunziger und mit seinem Wechsel Ende 1997 zu McLaren-Mercedes entwarf der Aerodynamik-Guru auch hier ein Auto, das dem der Konkurrenz deutlich überlegen war. Doch dem 43-Jährigen ist nach jahrelanger unermüdlicher Arbeit am Zeichenbrett unter höchstem Konkurrenzdruck die Puste ausgegangen.

Titel-Bild zur News: Adrian Newey

Adrian Newey will bei McLaren etwas in den Hintergrund drehen

Seit dem letzten Weltmeistertitel 1999 mit Mika Häkkinen konnten die Silbernen nicht mehr an alte Erfolge anknüpfen. Die Autos aus der Hand von Adrian Newey zeigten in den letzten Jahren ungewohnte Schwächen auf. Vor allem das letztjährige und diesjährige Auto blieb deutlich hinter den Erwartungen der Experten zurück. Newey hatte sich bei McLaren satt gearbeitet, er suchte nach einer neuen Herausforderung. Die hatte er bei Jaguar gefunden, wo er im Juni 2001 einen Vertrag unterzeichnete.

Newey will es ruhiger angehen

Die Entscheidung konnte McLaren-Teamchef Ron Dennis rückgängig machen. "Hin und wieder brauche ich neue Herausforderungen", hatte Adrian Newey wenige Wochen vor dem nicht vollzogenen Teamwechsel durchblicken lassen. Ron Dennis bot Newey den "Köder" an, ab August 2002 eine Segelbootyacht für die Teilnahme am renommierten America's Cup zu konstruieren ? einen Plan, den man bisher nicht aufgegriffen hat, der aber schnell wieder aus der Schublade geholt werden könnte. Gleichzeitig stellte Dennis Newey einen neuen Aufgabenbereich und den Rückzug als Chefdesigner in Aussicht. Dieses Vorhaben scheint nun in Angriff genommen worden zu sein.

Nach einem Bericht des 'Autosprint'-Magazins wird Adrian Newey das Team in den nächsten Wochen und Monaten umstrukturieren. "Ich denke, dass ich gezeigt habe, dass ich weiß, wie man Siegautos baut", spricht Newey eindeutige Rückzugsworte aus. Der Rückzug aus dem stressigen Tagesgeschäft ist dabei schon weiter vorangeschritten als man bisher wusste: "Mein Ziel ist es nun, McLaren umzustrukturieren. Im Moment ist es nicht meine Hauptaufgabe, das Chassis zu designen sondern ein Team von Ingenieuren aufzubauen, das von mir weniger abhängig ist. Ich möchte eine Struktur bilden, in der meine Rolle nicht so wichtig ist."

Coughlan als wahrscheinlicher Newey-Nachfolger

Einen Nachfolger für Adrian Newey hat McLaren-Mercedes schon an der Angel ? es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis man den Fisch auch an Land gezogen hat: Arrows' Technischer Direktor Mike Coughlan. Der Brite befindet sich im Moment nach Angaben des Teams im "Urlaub". Für Experten ist klar, wie das zu verstehen ist: So lange nicht sicher ist, ob Coughlan das Team verlässt oder nicht, lässt man ihn lieber seine Rosen im Garten hegen und pflegen, als dass er mögliches Insiderwissen mit zur Konkurrenz nimmt. McLaren hat die Gespräche mit dem 43-jährigen Briten bestätigt.

Die Zeiten, in denen ein Einzelner für die Konstruktion eines Formel-1-Autos verantwortlich ist, sind längst vorbei: "Die großen Teams haben jetzt alle mehr als 100 Ingenieure", erklärt Newey. "Die technischen Abteilungen können nicht mehr so geführt werden wie in der Vergangenheit. Ein einzelner Individualist mit Kompetenz auf jedem Gebiet wird nicht mehr benötigt." Adrian Newey wird dem Team auch in Zukunft mit Rat und Tat zur Seite stehen, aber er wird nicht länger als DER Kopf hinter den Silberpfeilen gelten.

Über Adrian Newey

Adrian Neweys Karriere als Rennwagen-Konstrukteur begann in den achtziger Jahren beim March-Team, wo er 1981 als technischer Zeichner eingestellt wurde. Im Jahr darauf wurde ihm der Posten des Chefkonstrukteurs für den March GTP-Sportwagen anvertraut. Der GTP gewann prompt den Titel in der amerikanischen IMSA-Sportwagen-Meisterschaft in den Jahren 1983 und 1984.

1984 wurde Adrian Newey zum Chefkonstrukteur für das March-Indycar-Projekt ernannt. Die von ihm konstruierten March-Indycar-Fahrzeuge gewannen dreimal in Folge, 1985, 1986 und 1987, das 500-Meilen-Rennen von Indianapolis. Als March beschloss, 1987 in die Formel 1 zu gehen, wurde Newey Technischer Leiter dieses neuen Projektes.

Trotz eines unterlegenen Motors überraschte das neue Team mit einigen beeindruckenden Ergebnissen und belegte 1988 den fünften Platz in der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft. Adrian Neweys guter Ruf als einer der führenden Aerodynamiker im Motorsport festigte sich, als er 1990 zum Williams-Formel-1-Team wechselte. Dort trug er zum Gewinn mehrerer Weltmeisterschaften bei.

1997 kam Adrian Newey zu McLaren-Mercedes. Unter seiner Führung als Technischer Direktor hat das Konstruktionsteam die Basis für die Erfolge des Teams geschaffen: die Weltmeistertitel in der Fahrer- und Konstrukteurswertung 1998, den Fahrer-Weltmeistertitel 1999 und die Vizemeisterschaften, zweimal in der Konstrukteurs- und einmal in der Fahrerwertung.

Newey ist der Schumacher der Konstrukteure

Der 43-Jährige galt als der Schumacher der Konstrukteure. Was er in der Formel 1 anfasste, schien zu Gold zu werden, wenn das Team das nötige Budget hat - so gesehen bei Williams und McLaren. Das Jaguar-Team ging den Briten bereits im vorletzten Jahr an und startete auf Drängen von Niki Lauda im letzten Jahr einen neuen Anlauf.

Für Adrian Newey hätte ein Wechsel zu Jaguar durchaus Sinn gemacht. Er hätte dort Gerüchten zufolge ein wesentlich höheres Gehalt bekommen und deutlich mehr technische Freiheiten erhalten, was sogar bis zu einem Mitspracherecht bei der Entwicklung des Motors hätte gehen sollen - eine Arbeitsumgebung, die Newey in dieser Form bei Williams vermisste, wo er Patrick Head untergeordnet war und deshalb zu McLaren wechselte, wo man Newey allerdings nicht so viele Freiheiten bot, wie das Jaguar vorhatte.

Ein Mann wie Newey braucht neue Herausforderungen

Nach rund sechs erfolgreichen Jahren bei McLaren-Mercedes ist Adrian Newey auf der Suche nach einer neuen Herausforderung. Ron Dennis ist bekannt dafür, dass er sein Geld lieber in die Technik steckt als in das Personal, vielleicht ist Neweys Gehalt eine Nummer zu hoch geworden, für das, was er leistet. Der Rückzug Neweys wird wohl kaum dazu führen, dass das Team ins Trudeln gerät ? zumindest langfristig nicht. Einige untergeordnete Aerodynamiker hat das Team zwar bereits an die Konkurrenz verloren. Williams hat aber gezeigt, dass man auch ohne einen Adrian Newey sich wieder an die Spitze zurückarbeiten kann. Newey mag vielleicht ein Genie sein, aber es gibt Nachwuchsdesigner, die dem Briten vielleicht schon in ein paar Jahren den Rang ablaufen werden.

Jaguar-Rennsportdirektor Niki Lauda machte keinen Hehl daraus, dass er die "Big Names" der Formel 1 zu sich holen will, das Lockmittel Geld ist bei Ford reichlich vorhanden. Eigentlich wollte man Ex-Minardi-Konstrukteur Gustav Brunner ins Team holen, doch der Österreich ging stattdessen zu Toyota, dann blieb für Lauda nur noch Newey übrig, will er schnellen Erfolg, denn Michael Schumacher ist bis 2004 an Ferrari gebunden. McLaren sieht hingegen in Mike Coughlan einen ebenfalls ausgezeichneten Techniker.

Ex-Formel-1-Pilot Martin Brundle ist der Meinung, dass ein Adrian Newey mehr wert ist als ein Michael Schumacher: "Wenn ich mein eigenes Team zusammenstellen müsste und könnte mir nur Adrian Newey oder Michael Schumacher leisten, dann würde ich mir Newey holen. Das Konzept eines Formel-1-Autos ist sehr kritisch. Ein Fahrer kann alles geben und ein Superheld sein, er kann am Ende den Unterschied aber nicht wettmachen."

Foster: "Adrian ist der Beste"

Seine Klasse bewies Newey trotz aller Probleme auch im letzten Jahr, als er vom Windkanal zwar zunächst in die Irre geführt wurde und ein Auto mit heftigem Untersteuern auf die Beine stellte, dieses Problem aber schon im dritten Rennen komplett auskurieren konnte. Auch in diesem Jahr hat sich das Team im Vergleich zur Konkurrenz überdurchschnittlich steigern können.

Trevor Foster, Ex-Managing-Direktor von Jordan, weiß ebenfalls nur Gutes über Newey zu berichten: "Er hat möglicherweise mehr Anteil am Erfolg als Michael Schumacher. Jeder glaubt zwar, dass sich in der Formel 1 alles um den Fahrer dreht. Aber Williams und McLaren haben während des letzten Jahrzehnts bewiesen, dass man eine Menge Rennen gewinnen kann, wenn man das beste Auto hat - auch ohne Schumacher. Adrian ist der Beste. So einfach ist das."

Doch auch der Beste zieht sich irgendwann einmal zurück.