MP4-23 enthüllt: Hoffen auf Rehabilitation

McLaren-Mercedes hat in Stuttgart den neuen MP4-23 präsentiert - Spionage soll damit endlich zu den Akten gelegt werden

(Motorsport-Total.com) - Als McLaren-Mercedes heute Nachmittag in Stuttgart den MP4-23 erstmals der Öffentlichkeit vorstellte, dürften speziell in Maranello ein paar wachsame Augen die ersten Bilder analysiert haben. Ferrari fürchtet nämlich im Jahr eins nach dem Spionageskandal wegen der Aufhebung der FIA-Bewährung, dass auch der neue Silberpfeil mit rotem Know-how ausgestattet sein könnte.

Titel-Bild zur News: McLaren-Mercedes MP4-23

Der McLaren-Mercedes MP4-23 soll endlich wieder einen WM-Titel gewinnen

Zumindest optisch besteht aber kein konkreter Anlass für einen solchen Verdacht, was auch nicht weiter verwunderlich ist, schließlich wäre es von den Designern in Woking herzlich dumm gewesen, angesichts der prekären Situation ausgerechnet von der Ferrari-Aerodynamik Anleihen zu nehmen. Und überhaupt zeigte man sich heute bemüht, das leidige Spionagethema zu verdrängen und endlich wieder den Sport in den Mittelpunkt zu rücken.#w1#

Bescheidenere Präsentation als 2007

Die Präsentation fiel wesentlich bescheidener aus als noch vor einem Jahr, als vor 150.000 Zuschauern im Hafen von Valencia die Neuzugänge Fernando Alonso und Vodafone mit viel Glanz und Gloria offiziell vorgestellt wurden - für läppische zehn Millionen Euro. Diesmal starteten die Silberpfeile im hauseigenen Mercedes-Museum in die neue Saison, beobachtet von den Mitarbeitern der Frühschicht, die so zu einem für sie einmaligen Erlebnis kamen.

Das Team von Ron Dennis und Norbert Haug ist damit um einen Tag später dran als Ferrari, was aber in Wahrheit nichts zu bedeuten hat. Es gibt sogar einen entscheidenden Vorteil, der im Neuwagenvergleich für den MP4-23 und gegen den F2008 spricht, denn die neu von der FIA für alle Teams vorgeschriebene Formel-1-Standardelektronik wurde in Kooperation von der McLaren-Tochter MES und Microsoft entwickelt.

Der MP4-23 ist - wenig überraschend - wieder im silber-roten Farbschema von Mercedes und Hauptsponsor Vodafone gehalten. Augenscheinlichste Merkmale sind ansonsten der kantige Frontflügel, der zumindest in der heute gezeigten Version ohne Doppeldeckerplatte über der Nase auskommt, und die Luftleitbleche vor den Seitenkästen, die über eine derart komplexe Struktur verfügen, dass die Kühllufteinlässe dahinter fast verdeckt werden.

Viele aerodynamische Zusatzelemente

Die Karosserie auf Höhe des Motors ist ähnlich wie beim neuen Ferrari hinter den Kühlern möglichst kompakt gehalten; außerdem führt ein durch mehrere Leitbleche gebildeter Luftkanal zum Heckflügel hin, um für eben diesen eine optimale Anströmung zu gewährleisten. Generell macht der MP4-23 keinen aufgeräumten, sondern einen sehr komplexen Eindruck - und die optischen Unterschiede zum MP4-22 sind klar ersichtlich.

Die signifikanteste Änderung betrifft aber die Fahrerpaarung: Lewis Hamilton bleibt zwar an Bord (und soll für umgerechnet 93,5 Millionen Euro einen neuen Vertrag bis Ende 2012 unterschrieben haben), aber der ungeliebte Spanier Alonso ist bekanntlich zu Renault zurückgekehrt. Beerbt wird der entthronte Doppelweltmeister vom jungen Finnen Heikki Kovalainen, der ihm schon im Vorjahr bei Renault nachgefolgt war.

Fahrer sind jeweils in ihrem zweiten Jahr

McLaren-Mercedes MP4-23

Das Gewirr an Leitblechen und Flügeln macht einen sehr komplexen Eindruck Zoom

Die Strategie, auf zwei junge Fahrer - Hamilton feiert heute seinen 23. Geburtstag, Kovalainen ist 26 Jahre alt - zu setzen, markiert ein Novum in der Teamgeschichte von McLaren-Mercedes, denn bisher war Dennis dafür bekannt, fast ausschließlich etablierten Stars zu vertrauen. Allerdings hat er mit dieser Philosophie zuletzt schlechte Erfahrungen gemacht (Juan Pablo Montoya, Alonso), so dass er nun offenbar einmal den entgegengesetzten Weg ausprobieren möchte.

Erwähnenswert ist vor Beginn der Saison 2008 aus Sicht des Rennstalls aus Woking auch, dass man den Gürtel vorübergehend zumindest ein bisschen enger schnallen muss, denn die Spionagestrafe über 100 Millionen US-Dollar bedeutet den Wegfall von rund einem Viertel des geplanten Budgets. Außerdem hat sich der spanische Sponsor Mutua Madrileña gemeinsam mit Alonso in Richtung Renault verabschiedet.

Für McLaren-Mercedes geht es in den nächsten 18 Grands Prix aber vor allem um eines: Der stark angeschlagene Ruf muss wiederhergestellt werden - und das funktioniert am besten über sportlichen Erfolg. Die notwendigen Zutaten hätte man jedenfalls beisammen: einen schlagkräftigen Technikerstab, ein kompetentes Teammanagement, eine hervorragende Fabrik - und mit Hamilton ein Supertalent am Steuer, das noch dazu weltweiter Sympathieträger ist...