Motorenformat 2013: Interview mit Adrian Newey

Red-Bull-Designer Adrian Newey ärgert sich darüber, dass Mercedes stur am V8-Motor festhält, und spricht über die Möglichkeit eines eigenen Red-Bull-Motors

(Motorsport-Total.com) - 2013 soll in der Formel 1 ein neues Motorenreglement eingeführt werden. Die FIA hat diesbezüglich schon recht klare Vorstellungen: Turbolader mit 1,6 bar Ladedruck, vier Zylinder in Reihe, maximal 10.500 Umdrehungen pro Minute und Verwendung der Hybridtechnologie KERS. Auch die meisten Motorenhersteller sind von diesem Vorschlag begeistert.

Titel-Bild zur News: Adrian Newey

Adrian Newey wünscht sich eine Angleichung der aktuellen V8-Motoren

Dennoch ziehen sich die von FIA-Motorenmann Gilles Simon geleiteten und meistens in Paris geführten Verhandlungen über das neue Motorenreglement. Denn unter den am Verhandlungstisch sitzenden Motorenherstellern (darunter auch Werke, die derzeit nicht in der Formel 1 vertreten sind) herrscht nicht die von der FIA geforderte Einigkeit - vor allem Mercedes will dem Vernehmen nach noch länger am aktuellen V8-Format festhalten. Red-Bull-Designer Adrian Newey spricht im Interview mit 'Motorsport-Total.com' über den aktuellen Stand der Dinge.

Frage: "Adrian, ich höre, dass Mercedes unbedingt am V8 festhalten will - weil sie derzeit den besten Motor haben und wegen der Entwicklungskosten. Aber weil es nun wohl doch keinen Vierzylinder-Turbo-Weltmotor geben wird, soll Volkswagen das Interesse verloren haben. Was kannst du uns darüber verraten?"
Adrian Newey: "Ich weiß nicht ganz genau Bescheid über die Verhandlungen für 2013. Es gibt ein oder zwei Hersteller - vor allem Mercedes -, die sich dafür einsetzen, den neuen Motor zu verschieben."

Newey verärgert über Mercedes-Blockadetaktik

"Das erscheint mir unfair, denn sie haben im Moment einen Vorteil. Einerseits wehren sie sich dagegen, eine Gleichstellung der aktuellen Motoren vorzunehmen, andererseits wollen sie auch den neuen Motor hinauszögern. In anderen Worten: Ihr Hauptinteresse scheint zu sein, ihren Vorteil für so lange wie möglich zu konservieren. Als das 'eingefrorene' Reglement eingeführt wurde, war jedoch die Absicht, dass alle Motoren in etwa gleich sein sollten."

"Mercedes hat zu Beginn, als der 'Gefrierpunkt' sozusagen noch nicht ganz erreicht war, sehr gute Arbeit geleistet. Von diesem Vorteil zehren sie jetzt. Das Problem daran ist, dass man wegen des 'eingefrorenen' Reglements nicht darauf reagieren kann. Sie haben im Hintergrund weiterentwickelt, da bin ich mir sicher. Das Einfachste und Gerechteste wäre eine ganz simple Lösung, nämlich zu sagen, dass wir alle derzeitigen Motoren auf den gleichen Stand bringen. Dann können wir uns in Ruhe auf die neue Formel konzentrieren, die es verdient, dass die besten Interessen in sie hineinfließen."

"Da geht es um einen Kompromiss zwischen neuer Technologie und den Werten der Formel 1. Das ist nämlich eine der Gefahren, denn die derzeitigen Motoren haben einen großartigen Sound, sind dramatisch und aufregend. Diese Mischung muss man hinbekommen. Daher bin ich der Meinung, dass nicht nur die Ingenieure über die Regeln entscheiden sollten, sondern es braucht auch Input des Promoters."

¿pbvin|512|3296||0|1pb¿Frage: "Du hast vorhin von 'einem oder zwei' Herstellern gesprochen, die den Vierzylinder-Turbo blockieren. Von Mercedes weiß man das, aber wer ist der zweite?"
Newey: "Mercedes ist da schon ganz klar die treibende Kraft, allerdings hat Cosworth im Moment nicht das Geld, um einen neuen Motor zu entwickeln. Wir haben im Moment nur vier Motorenhersteller und sind in dieser Hinsicht nicht besonders stabil: Cosworth hat finanzielle Schwierigkeiten und Renault hat den Eindruck, dass sie im Moment nicht an einem fairen Wettbewerb teilnehmen. Da würde es mich nicht überraschend, wenn sich jemand zurückzieht."

Frage: "Was dann Probleme aufwerfen würde, weil ja jeder Hersteller nur drei Teams beliefern darf. Aber eine andere Frage: Die FIA könnte ein neues Motorenreglement auch ohne Zustimmung der Teams durchdrücken, aber Präsident Jean Todt wird das wohl nicht tun. Sie werden die Teamvereinigung FOTA sicher einbeziehen. Nun gibt es innerhalb der FOTA die Regel, dass ein längerfristiger Beschluss nicht einstimmig sein muss, sondern dass eine 70-Prozent-Mehrheit reicht. Aber wie sieht es auf Ebene der Motorenhersteller aus? Hat da jeder Motorenhersteller ein Vetorecht?"
Newey: "Nein. Jean Todt hat gesagt, dass die FIA einen Vorschlag zur Gleichstellung der Motoren gutheißen würde, wenn sich die Hersteller einstimmig auf einen Nenner einigen können. Das wird nicht passieren, weil Mercedes nicht zustimmt."

Mercedes-Motor laut Red-Bull-Zahlen am stärksten

Frage: "Aber dann ist es doch im Grunde genommen ein Veto..."
Newey: "So gesehen schon, stimmt. Vor 18 Monaten wurde dieses Thema erstmals diskutiert. Alle haben zugestimmt, nur Mercedes nicht. Wenn du mit einigen Prüfstands- oder Motoreningenieuren sprichst, dann werden sie dir sagen, dass die Toleranz von Prüfstand zu Prüfstand maximal ein halbes Prozent beträgt. Das ist also eine sehr valide Möglichkeit, um Motoren miteinander zu vergleichen, also sind unsere Zahlen nicht an den Haaren herbeigezogen."

Renault-RS27-V8-Motor

Der Renault-V8-Motor ist laut Adrian Newey gegenüber Mercedes im Rückstand Zoom

Frage: "Dietrich Mateschitz hat kürzlich ein Interview gegeben, in dem er erstmals angedeutet hat, dass es irgendwann einen Red-Bull-Motor geben könnte. In Milton Keynes gibt es keine Infrastruktur, um einen Motor zu entwickeln, nehme ich an, also wie könnte das funktionieren?"
Newey: "Dietrichs Aussage basiert auf dem Frust über die aktuelle Situation, dass wir nämlich ein 'eingefrorenes' Reglement haben und Renault nicht gleichziehen darf."

"Ein Ausweg wäre, einen komplett neuen Motor zu bauen, wenn das V8-Reglement noch lange so bleibt. Natürlich ist ein Motor eine riesige finanzielle Verpflichtung. Ich bin mir sicher, dass Dietrich das gemeinsam mit einem Partner machen würde, wenn er könnte, und da kommt vielleicht einer der deutschen Hersteller ins Spiel, den du vorhin erwähnt hast."

Frage: "Du bist kein Motoreningenieur, aber würde es dich reizen, an so einem Projekt mitzuwirken?"
Newey: "Wie du sagst bin ich in keiner Weise ein Motorendesigner. Außerdem weiß ich genau, welchen Problemen sich Motoreningenieure tagtäglich ausgesetzt sehen. Mein Interesse wären die Interfacebereiche, besonders bei einem neuen Motorenreglement. Ganz egal, ob wir nun einen V6 bekommen oder einen Turbo mit vier Zylindern in Reihe: Ein neuer Motor bedeutet ganz andere Voraussetzungen - und das würde mich schon reizen."