Motoren in Montreal: Power und Drehmoment gefragt

Rémi Taffin, Motoreningenieur von Fernando Alonso, erklärt, worauf es in Sachen Triebwerke beim Grand Prix von Kanada ankommt

(Motorsport-Total.com) - Nach sieben Rennen mit relativ normalen Abtriebswerten wird beim bevorstehenden Grand Prix von Kanada erstmals mit flach eingestellten Flügeln gefahren. Der 4,361 Kilometer lange Stop-and-Go-Kurs auf der Île de Notre Dame inmitten der Hauptstadt von Quebec, Montreal, ist daher auch eine der größten Herausforderungen des Jahres für die Motoren.

Titel-Bild zur News: David Coulthard

Motorschäden wie hier vor einigen Jahren bei "DC" sind in Montreal keine Seltenheit

"Für unseren V10", erklärt Rémi Taffin, der Motoreningenieur von Fernando Alonso bei Renault, "stellt Montreal eine simple Herausforderung dar: Er muss so kraftvoll wie möglich sein. Die Aufeinanderfolge von langsamen Kurven und starker Beschleunigung entlang der Strecke bedeutet, dass der Motor quasi in einem Ein/Aus-Modus verwendet wird. Eine mittlere Gaspedalstellung in mittelschnellen Kurven kommt kaum vor. Der hohe Volllastanteil und die lange Gerade belasten besonders die Kolben."#w1#

Letzter Sektor extrem anspruchsvoll für die Motoren

Hoher Volllastanteil bedeutet auf dem 'Circuit Gilles Villeneuve' in etwa 55 bis 60 Prozent, wobei Höchstgeschwindigkeiten von mehr als 340 km/h erreicht werden. Besonders im letzten Sektor, der aus einer fast einen Kilometer langen Volllastpassage besteht, sind PS im höchsten Drehzahlbereich gefragt, doch beim Beschleunigen aus den langsamen Kurven heraus wirkt sich auch eine optimale Leistungsentfaltung vorteilhaft aus.

"Drehmoment", bestätigt Taffin, "ist in Kanada immer ein Pluspunkt, weil es kombiniert mit guter Traktion eine ideale Beschleunigung aus den langsamen Kurven heraus ermöglicht. Auch die Getriebeübersetzungen müssen sorgfältig studiert werden, damit man die Drehmomentkurve des V10-Motors auf die gesamte Runde gesehen optimieren kann."

Besondere Bedeutung kommt der Einstellung des höchsten Ganges zu: "Man muss nicht nur ausreichend Spielraum für den Windschatteneffekt auf den langen Geraden lassen, auf denen die Autos oft in Gruppen fahren, sondern man muss auch möglichen Wind in Betracht ziehen. Unausweichlich sollte man den idealen Kompromiss zwischen Qualifying und Rennen finden, denn im Rennen können Windschattenfahren oder eine veränderte Windrichtung ins Spiel kommen", weiß der Renault-Mann.

Getriebeübersetzung ein entscheidender Faktor

Entscheidet sich ein Fahrer für einen zu niedrig übersetzten Höchstgang, läuft er Gefahr, im Windschatten oder bei Rückenwind an den Drehzahlbegrenzer zu stoßen, womit das Leistungspotenzial des Motors nicht ausgenutzt würde. Umgekehrt kann eine zu hohe Übersetzung unter Umständen zwar im Windschatten eines anderen Autos ideal sein, nicht aber bei alleiniger Fahrt und eventuell eintretendem Gegenwind. Entsprechend muss ein Kompromiss gefunden werden.

"Abschließend", fährt Taffin fort, "lassen wir auch Manöverspielraum, wenn es um die Motorenkühlung geht. Auf die Strecke mitgerissenes Gras oder Rasenziegel werden oft auf die Strecke geschleudert, und so etwas kann die Kühlwege verstopfen. Außerdem kann es sich negativ auf die Kühlung auswirken, wenn man in einer eng beisammen liegenden Gruppe fährt, aber auf solche Dinge muss man sich eben schon im Vorhinein einstellen."