• 22.08.2009 08:40

  • von Fabian Hust

Moss rät Massa: Nicht unter Druck setzen lassen

Stirling Moss weiß aus eigener Erfahrung, was Kopfverletzungen in der Formel 1 bedeuten, und rät dem Ferrari-Piloten zu einer ausreichend langen Auszeit

(Motorsport-Total.com) - Ginge es nach Felipe Massa, der Brasilianer würde schon an diesem Wochenende wieder im Formel-1-Auto sitzen. Doch mit Verletzungen im Kopfbereich ist nicht zu spaßen. Auch eine offensichtlich ausgestandene Gehirnerschütterung bedeutet nicht, dass der Ferrari-Pilot schon bald ein Comeback feiern kann. Neueste Erkenntnisse aus der Medizin zeigen, dass ein weiterer schwerer Schlag auf den Kopf zu schwersten Komplikationen führen kann, wenn eine Gehirnerschütterung Wochen zuvor aufgetreten war.

Titel-Bild zur News: Stirling Moss

Stirling Moss 1962 in Monza: Wenig später verunglückte der Brite schwer

Am Anfang war sogar zu befürchten, dass der Rennfahrer aus Sao Paulo nie mehr Rennen fahren kann, doch mittlerweile wissen die Ärzte, dass Massa keine Folgeschäden davontragen wird, die ihn an einer Fortsetzung seiner Karriere hindern werden - wenn die Rekonvaleszenz-Zeit ausreichend bemessen ist.#w1#

Bei allem Optimismus' und Euphorie Massas, der beim Großen Preis von Italien in Monza gern wieder einsteigen möchte, warnen immer mehr Experten vor einer überstürzten Rückkehr in den Sport, darunter auch Stirling Moss: "Hetze nicht, nimm dir Zeit", so der Brite gegenüber dem 'Independent'.

Der heute 79-Jährige musste seine Formel-1-Karriere ohne den Gewinn des WM-Titels beenden, nachdem er sich bei einem heftigen Unfall in Goodwood 1962 schwere Kopfverletzungen zugezogen hatte.


Fotos: Felipe Massa, Großer Preis von Ungarn, Samstag


Moss versuchte so schnell wie möglich ein Comeback zu feiern. In der damaligen Zeit, als es grausame Normalität war, dass in jedem Jahr ein Formel-1-Pilot sein Leben verlor, wollte ihn jeder so schnell wie möglich zurück haben. Das war damals so etwas wie die Bestätigung, dass man einen schweren Unfall gut überstehen kann. Fotografen warteten damals sogar auf Abruf auf einen möglichen geheimen Test.

"Rückblickend gesehen kehrte ich womöglich damals zwei Jahre zu früh zurück." Stirling Moss

"Rückblickend gesehen kehrte ich womöglich damals zwei Jahre zu früh zurück", so Moss. "Ich war dumm, aber ich kehrte zurück, weil die Presse jede Woche fragte 'Wirst du Rennen fahren, wird zu fahren?'. Und ich sagte natürlich zu mir selbst 'Ja, mein Gott, ich werde es tun, ich möchte es tun'."

In der damaligen Zeit war dies schlichtweg normal. Man hatte keine Trauma-Experten wie Sid Watkins. Es gab für die Fahrer nur die normalen Ärzte, keine Vertrauensperson, auf die man hörte. Man hörte auf die Signale des eigenen Körpers, die jedoch - wie man heute weiß - trügerisch sein können.

"Meine Konzentration war nicht vorhanden." Stirling Moss

"Die Ärzte sagten mir, dass ich körperlich in Ordnung bin, und das wusste ich", erinnert sich der 16-malige Grand-Prix-Sieger. "Aber meine Konzentration war nicht vorhanden. Und da die Leute, mit denen ich es zu tun hatte, keine Leute aus dem Rennsport waren, war es eine völlig andere Situation."

Aufgrund der Berichterstattung der Medien und aufgrund des Drucks von außen habe er das Gefühl gehabt, eine Entscheidung fällen zu müssen: "Es lastete wirklich auf mir der Druck, weiterzumachen". Im Jahr darauf stieg er in Goodwood wieder ins Auto und seine Rundenzeiten waren mit seinen früheren Rundenzeiten vergleichbar, er war nur um eine oder zwei Zehntelsekunden langsamer.

"Der Automatismus war verschwunden, es war nun eine bewusste Anstrengung." Stirling Moss

"Aber ich konnte mental sehen, dass ich nicht die Konzentration habe, um denselben Spielraum im Hinblick auf die Sicherheit zu haben, den ich früher hatte. Ich fuhr in die Kurven und musste mich selbst dazu zwingen, mich zu konzentrieren." Das, was früher instinktiv und automatisch erfolgte, funktionierte nun zum Teil nur noch auf Abruf: "Der Automatismus war verschwunden, es war nun eine bewusste Anstrengung. Also dachte ich, dass ich aus dem Auto aussteigen muss."

¿pbvin|512|1827|massa|0|1pb¿Jene Probleme, die damals Moss bei sich selbst diagnostizierte, können die Ärzte dank neuer Erkenntnisse mittlerweile zumindest teilweise aufdecken. Von jedem Formel-1-Piloten wurde quasi ein Leistungstests des Gehirns durchgeführt, bei dem Werte wie die Reaktionsgeschwindigkeit und das Auffassungsvermögen gemessen werden. Und erst, wenn diese Werte wieder normal sind, wird Massa erneut an den Start gehen dürfen.

Der Ex-Rennfahrer empfindet es als richtig, dass bei Verletzungen im Kopfbereich heute solche aufwändigen Tests durchgeführt werden: "Es besteht ja das Problem der neurologischen Funktion. Diese Art von Wunden können feine Schäden zurücklassen, die nur durch einen wirklichen Experten diagnostiziert werden können. Ich denke wirklich, dass es mindestens zwei Monate dauert, bis alle Kriterien erfüllt werden können."