Mosley: "Gefahr kein Teil der Show"

Während Max Mosley meint, dass der Reiz der Gefahr im Motorsport überbewertet würd, fürchtet Karun Chandhok bei zu viel Sicherheit um die Spannung

(Motorsport-Total.com) - Die Motorsport-Welt steht nach der schwarzen Woche mit den tödlichen Unfällen von IndyCar-Ass Dan Wheldon und MotoGP-Star Marco Simoncelli nach wie vor unter Schock. Wie 1994 - als Ayrton Senna und Roland Ratzenberger beim Formel-1-Wochenende in Imola starben - tauchen nun viele Fragen auf: Ist der Motorsport zeitgemäß? Gehört die Gefahr dazu? Können tödliche Unfälle überhaupt verhindert werden? Sind sich die Fahrer des Risikos wirklich bewusst?

Titel-Bild zur News: Max Mosley (FIA-Präsident)

Max Mosley ist nach wie vor ein Verfechter der Sicherheit im Motorsport

Ex-FIA-Boss Max Mosley sah sich vor 17 Jahren mit einem ähnlichen Problem konfrontiert - es ist zu einem großen Teil sein Verdienst, dass es in der Formel 1 seitdem keinen tödlichen Unfall mehr gegeben hat. Dennoch ist auch ihm klar, dass eine hundertprozentige Sicherheit im Motorsport reines Wunschdenken ist.

Totale Sicherheit unmöglich

"Nun ja, man kann es immer ein bisschen sicherer machen", sagt er gegenüber der 'BBC' - und verweist auf seine FIA-Vergangenheit: "So wie wir es in der Formel 1 gemacht haben. Aber es wird nie sicher sein. In der Formel 1 kann jederzeit ein wirklich ernster Unfall passieren und man kann nur daran arbeiten, die Wahrscheinlichkeit zu reduzieren. Man kann immer etwas tun, aber es ist eine Illusion zu glauben, dass man es sicher machen kann."

Der Wheldon-Crash löste bei vielen aktiven Rennfahrern zumindest einen Prozess aus, die Gefahren ihres Jobs für sich selbst neu zu definieren. Manche erkannten, dass es naiv war, sich im Rennauto sicher zu fühlen. Mosley vergleicht die aktuelle Formel-1-Generation mit den Piloten der Vergangenheit, als Todesfälle keine Seltenheit waren.

"Es ist eine Illusion zu glauben, dass man es sicher machen kann." Max Mosley

Unterschätzt aktuelle Fahrergeneration das Risiko?

"Sie fühlen sich heute viel wohler in den Autos als die Fahrer der 1960er-Jahre", meint der ehemalige FIA-Präsident - und erinnert sich an ein Gespräch mit Formel-1-Legende Jack Brabham. "Wenn man mit Jack spricht, dann wird er sagen, dass man schon wusste, dass es nicht gut ausgehen würde, wenn jemand einen Unfall hatte. Heute kann man vom Gegenteil ausgehen." Dennoch glaubt er, dass die Fahrer "ab einer gewissen Geschwindigkeit im Auto sofort realisieren, dass es gefährlich ist."

Der Inder Karun Chandhok gibt diesbezüglich interessante Einblicke in das Innenleben eines Rennfahrers. Er behauptet gegenüber 'rediff.com', dass eine zu intensive Auseinandersetzung mit der Sicherheit und den Risiken des Sports die Konkurrenzfähigkeit beeinträchtigen würde: "In dem Moment, wo der Fahrer auf all die Sicherheits-Vorkehrungen schaut, verliert er entscheidende Sekunden."

"Die Fahrer realisieren ab einer gewissen Geschwindigkeit im Auto sofort, dass es gefährlich ist." Max Mosley

Chandhok: Wird zu viel über die Sicherheit nachgedacht?

Er glaubt, dass man auf der Strecke jede Chance nützen muss: "Niemand hat uns gebeten, in die Formel 1 zu gehen, oder eine Waffe an meinen Kopf gehalten und mich gezwungen, Rennzufahren. Wir haben uns für diese Karriere entschieden." Er kann mit dem Status Quo gut leben, zumal man gewisse Dinge sowieso nie unter Kontrolle haben wird: "Ich glaube, dass das Schicksal beim Rennen eine Rolle spielt. In der Formel 1 sind genügend Gefahrenelemente vorhanden, aber es ist eine spannende Karriere und die Essenz der Spannung würde verlorengehen, wenn wir über zu viele Sicherheits-Maßnahmen nachdenken."

In diesem Punkt ist Mosley klar anderer Meinung. "Ich denke nicht, dass die Gefahr ein wichtiger Teil des Motorsports ist", sagt der 71-Jährige. "Es hieß immer, dass die Leute wegen der Gefahr kommen und zuschauen, aber jetzt, wo die Formel 1 einen sicheren Eindruck macht - vielleicht mehr, als sie es ist -, gibt es mehr Zuschauer, das TV-Publikum ist größer. Alles ist größer."

"Niemand hat eine Waffe an meinen Kopf gehalten und mich gezwungen, Rennzufahren." Karun Chandhok

Mosley: Gefahr kein wichtiges Element

Ihm ist aber bewusst, dass die Formel 1 auf einem schmalen Grat wandelt. "Die Wahrheit ist: Niemand will sehen, wie sich jemand verletzt", ist Mosley überzeugt. "Wir wollen die Gefahr also zurecht vermeiden, ich bin nicht der Meinung, dass sie Teil der Show ist. Wenn es aber einen großen Crash gibt und der Mann einfach aussteigt, dann ist das recht unterhaltsam." Dies sei zwar zu einem gewissen Grad pervers, "aber es ist sehr menschlich."

Dass es in Las Vegas zum Massencrash kam, bei dem Wheldons Auto über das Heck eines Konkurrenten in den Fangzaun katapultiert wurde, war laut Mosley auf die Umstände zurückzuführen: "Es ist klar, wenn man 34 Autos auf eineinhalb Meilen in einem Oval mit einer starken Neigung fahren lässt, wodurch jeder die gesamten 300 Meilen mit Vollgas fahren kann, dann werden sie in Gruppen fahren. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich zwei berühren, ist also sehr hoch. Und wenn das passiert, dann kann alles passieren."

"Die Wahrheit ist: Niemand will sehen, wie sich jemand verletzt." Max Mosley

Der Ex-FIA-Boss mache sich zwar "Sorgen" um die IndyCar-Serie, dennoch müssen die US-Amerikaner ihre Sicherheits-Probleme nun selber in den Griff kriegen: "Es handelt sich um eine große nationale amerikanische Serie. Es ist bei der FIA eine Tradition, dass Länder für ihr Territorium selbst verantwortlich sind."