• 26.04.2009 13:31

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

Montezemolo: "Schon viele schlechte Phasen erlebt"

Luca di Montezemolo ist in Bahrain, um Ferrari den Rücken zu stärken, und macht die FIA für die Krise seines Teams verantwortlich

(Motorsport-Total.com) - Nach dem schlechtesten Saisonstart seit 1981 stieg Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo gestern in den Flieger nach Bahrain, um seinem Team beim vierten Rennen 2009 demonstrativ zur Seite zu stehen. Das ist höchst unüblich, denn der Italiener ist abgesehen von seinem traditionellen Besuch in Monza nur selten persönlich vor Ort.

Titel-Bild zur News: Luca di Montezemolo

Luca di Montezemolo in Bahrain: Trotz Krise scheint die Laune zu stimmen

Naturgemäß ist di Montezemolo nicht glücklich über den aktuellen WM-Zwischenstand, aber in Panik verfällt er deswegen nicht. Schließlich weiß er selbst am allerbesten, wie es ist, in einer Krise zu stecken: "Mein erstes Rennen als Teammanager war Silverstone 1973. Ich erinnere mich noch daran, dass Jacky Ickx 19. der Startaufstellung war. Was ich damit sagen will: Ich habe schon viele schlechte Phasen miterlebt. Das gehört zum Motorsport dazu."#w1#

Nicht die erste Ferrari-Durststrecke

Die letzte große Durststrecke ist noch gar nicht so lange her: Zwischen Jody Scheckter 1979 und Michael Schumacher 2000 wurde Ferrari nie Weltmeister, zwischen Alain Prost 1990 und Gerhard Berger 1994 gab es nicht einmal einen Grand-Prix-Sieg. Die letzte große Erfolgsära, die Schumacher zwischen 2000 und 2004 fünf WM-Titel in Folge einbrachte, hatte ihren Ursprung in der Verpflichtung von Teamchef Jean Todt im Sommer 1993.

Jetzt hat Stefano Domenicali das Sagen - und das wird auch so bleiben: "Natürlich bin ich nicht zufrieden, aber Stabilität ist seit 1992 mein Credo. Daran werde ich weiterhin festhalten", stärkt Feldherr di Montezemolo seinem General den Rücken. "Man darf nicht vergessen: Dieses Team hat drei der letzten vier WM-Titel gewonnen und einen nur ganz knapp verpasst. Das ist ja noch keine 20 Jahre her! Ich mache mir nur Sorgen, wenn ich nicht weiß, woran es liegt."

"Stabilität ist seit 1992 mein Credo." Luca di Montezemolo

Doch das sei im Moment sonnenklar: Erstens war Ferrari genau wie McLaren-Mercedes in einen ressourcenraubenden WM-Kampf verwickelt. Aber der Präsident sieht auch die FIA indirekt in der Verantwortung: "Die Frage ist: Warum sind wir nicht ganz vorne? Erstens: Wir haben sehr schlecht geschriebene Regeln, deren Graubereiche verschiedene Interpretationen zulassen. Zweitens: KERS. KERS kostet viel Geld und stellt uns vor Sicherheits- und Zuverlässigkeitsprobleme."

Das System habe zwar auch viele gute Seiten, schade aber derzeit dem Sport. Daher findet di Montezemolo: "Wir erleben heute eine sehr merkwürdige Situation, die ich nicht gut finde. Es gibt drei verschiedene Autos in der Formel 1: mit KERS; ohne KERS, aber mit anderem Unterboden; ohne KERS und mit konventionellem Unterboden. Das halte ich für schlecht und für einen der Gründe, weswegen wir nicht konkurrenzfähig sind."

Was wäre mit Doppeldiffusor?

Die unterschiedlichen Regelauslegungen im Diffusorbereich will der 61-Jährige nicht als Ausrede gelten lassen, als Erklärung sei diese Tatsache aber nicht wegzudiskutieren: "Wenn wir die Regeln anders interpretiert hätten, ohne KERS und mit einem anderen Diffusor, dann würden wir uns heute anders über Ferrari unterhalten." Immerhin: Bis zum Europaauftakt in Spanien will Ferrari einen eigenen Doppeldecker nach Brawn-Vorbild entwickeln.

Zweifel an der Klasse seiner Mannschaft hat di Montezemolo keine. Dafür habe Ferrari einfach zu viel gewonnen: "Wir sind in den vergangenen zehn Jahren achtmal Konstrukteursweltmeister geworden und wir haben in den vergangenen beiden Jahren drei von vier möglichen Titeln geholt und einen erst in der letzten Kurve des letzten Rennens verloren", verweist er auf die beeindruckende Erfolgsbilanz auch nach der Ära Schumacher.


Fotos: Ferrari, Großer Preis von Bahrain


Aber der Erfolg berge auch Gefahren: "Manchmal, wenn man zu viel gewinnt, hält man sich für den Besten. Ich will eine andere Einstellung", fordert di Montezemolo von seiner 900 Mann starken Truppe. "Man könnte meinen, dass es leicht ist, an der Spitze zu bleiben, denn wir waren das zehn Jahre lang - mit der Ausnahme von 2005. Ansonsten haben wir den WM-Titel immer gewonnen oder erst im letzten Rennen verloren."

Jetzt müsse man den Kopf senken, sich bedingungslos in die Arbeit reinknien und alles daran setzen, das Blatt so schnell wie möglich zu wenden: "Wir müssen auf dem Boden bleiben - oder noch besser: unter dem Boden! Wir arbeiten hart. Ich glaube an das Team und ich bin mir sicher, dass wir bald wieder gewinnen werden. Nicht sofort, aber bald", kündigt di Montezemolo in seiner gewohnt leidenschaftlichen Ausdrucksweise an.

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