• 03.12.2002 10:51

  • von Fabian Hust

Michelin-Motorsport-Direktor Dupasquier im Portrait

Er ist der Mann hinter dem erfolgreichen Formel-1-Projekt von Michelin ? und nicht nur das ? ein Portrait

(Motorsport-Total.com) - Klein von Gestalt, aber ein Riese in der Welt des Rennsports: Michelin Motorsport-Direktor Pierre Dupasquier leitet seit fast 30 Jahren die Wettbewerbsaktivitäten des französischen Weltkonzerns. Als die treibende Kraft hinter dem Formel-1-Engagement von Michelin steht der charismatische Rennleiter wie kein anderer für den hoch technisierten Wettstreit auf dem Reifensektor. Ein Porträt des kämpferischen Galliers.

Titel-Bild zur News: Pierre Dupasquier

Pierre Dupasquier, wie man ihn aus der Boxengasse kennt

Sein Name gilt als Synonym für Motorsport bei Michelin: Der 65-jährige Pierre Dupasquier ist als Wahrzeichen des Reifenspezialisten kaum weniger bekannt und charakteristisch als der weltberühmte Michelin-Mann "Bibendum". Nach seiner Zeit als Kampfjet-Pilot bei der französischen Luftwaffe verbrachte er sein gesamtes Arbeitsleben in Diensten der Weltfirma aus Clermont-Ferrand. Dort bestimmten zwei herausragende Eigenschaften den Weg des stets braun gebrannten Dupasquier: Sein fundiertes technologisches Wissen und seine brennende Leidenschaft für den Motorsport.

Ersteres führte ihn 1962 in die Forschungs- und Entwicklungsabteilung in Clermont-Ferrand, letztere ab 1973 an die Spitze der damals noch recht kleinen Motorsport-Truppe. Unter seiner Führung setzte Michelin zu einer beispiellosen Erfolgsserie an: Die Partner des französischen Reifenspezialisten gewannen Dutzende Weltmeistertitel in der Rallye-WM und der Motorrad-Königsklasse. Auch die Krone des Langstreckensports, die 24 Stunden von Le Mans, haben Michelin-Teams seit rund 20 Jahren geradezu abonniert. Mit dem ersten Formel-1-Einstieg 1977 steuerten die Reifenspezialisten auf den vorläufigen Höhepunkt der Titelsammlung unter Pierre Dupasquiers Ägide zu: Die Einführung der Radial-Technologie in den Grand-Prix-Sport bescherte Michelin dreimal die Konstrukteurs-Weltmeisterschaft sowie zwei Fahrertitel mit Jody Scheckter (Ferrari) und Nelson Piquet (Brabham-BMW).

Das Erfolgsgeheimnis des energischen Rennleiters spiegelt zugleich die zwei Seiten des quirligen Franzosen wider: Als besonnener Analytiker und unerbittlicher Antreiber zugleich fordert er jedem Teammitglied Höchstleistungen ab. Ganz gleich, ob ein Rennen mit Sieg oder "nur" Podiumsplatzierung endet ? unterm Strich zieht Dupasquier nach jedem Rennen dasselbe Fazit: "Dieses Ergebnis motiviert das gesamte Team, noch härter zu arbeiten, um beim nächsten Mal noch besser abzuschneiden."

Ende der 80er wechselte Dupasquier für sechs Jahre als Vize-Präsident Produktentwicklung in die USA. Bei seiner Rückkehr ins französische Zentralmassiv erwartete ihn seine bislang größte Aufgabe: der erneute Einstieg von Michelin in die Formel 1, die der eigenwillige Rennleiter nie aus seinen stets hellwachen Augen verloren hatte. Bereits 1995 richtete er eine zwar offizielle, aber geheime Forschungsgruppe ein, die Reifen nach dem jeweils gültigen Grand-Prix-Reglement entwickelte.

Im Dezember 1999 war es dann so weit: Michelin verkündete die Rückkehr in die höchste Motorsport-Liga zur Saison 2001. Die Entscheidung fiel nicht zuletzt auf Betreiben des erfahrenen Sportchefs, der sich nicht nur damit befasst, wie die Michelin-Partner auf der Strecke schneller werden, sondern auch messerscharf analysiert, in welcher Form ein Motorsport-Engagement das Image eines der größten Reifenkonzerne der Welt positiv beeinflusst.

Die Erfolge des Comeback-Jahres ? in dem Ralf Schumacher und Juan-Pablo Montoya auf Anhieb vier Siege für die Franzosen einfuhren ? ließen mehr als einmal ein spitzbübisches Lächeln über Dupasquiers wettergegerbtes Gesicht huschen. Und auch mit dem Verlauf der Saison 2002 zeigte sich der Motorsport-Direktor zufrieden: Seine Leute hatten das technisch Mögliche geleistet. "Wenn wir das Gefühl bekämen, unser Wettbewerber erledigte seine Arbeit besser als wir, wäre das extrem schwierig", erklärt er. Doch gerade weil Dupasquier weiß, wie gut seine Mannschaft und seine Reifen arbeiten, reagierte er auf die Berichterstattung während der vergangenen Saison ironisch: "Wenn du das mit Abstand beste Team ausrüstest, ist das eine feine Sache, weil du jeden Sonntag angeln gehen kannst, während der Rennstall den Job erledigt", spielte er auf das technisch überlegene Gesamtpaket von Ferrari an.

Dass die signifikanten Verbesserungen der Michelin-Teams ? abzulesen an den Verschiebungen im Mittelfeld ? nicht immer gewürdigt wurden, traf den drahtigen Rennleiter durchaus härter. Wird seine Mannschaft von außen kritisiert, versteht der ansonsten so humorvolle Franzose keinen Spaß. Dabei ist sein Verhältnis zu den Medien bestens. Obwohl ? oder gerade weil ? seine Aussagen in der Öffentlichkeit immer unverblümt, oft pointiert und manchmal gar schroff ausfallen: Dupasquier liebt Mikrophon und Kamera und sie lieben ihn.

Auch sein persönliches Verhältnis zu Hiroshi Yakusawa ? seinem Pendant beim Wettbewerber ? gilt nicht nur als ungetrübt, sondern fast freundschaftlich. Genau wie der ruhige Japaner weiß der umtriebige Pierre Dupasquier, was er an seinem Widerpart hat: "Dank unseres Wettbewerbs auf höchstem Niveau wird so viel über unsere Firma und unsere Reifen-Technologien gesprochen wie nie zuvor. Und das ist fast so wichtig wie Grand-Prix-Siege."