• 12.08.2002 12:32

Michelin für Rutschpartie in der Puszta gut gerüstet

Nach der Sommerpause startet die F1 kommendes Wochenende wieder in Ungarn durch - Dupasquier: "Extra-Portion Grip" erforderlich

(Motorsport-Total.com) - Nachdem sich der Formel 1-Zirkus auf dem brandneuen Kurs von Hockenheim in die Sommerpause verabschiedet hatte, beginnt der Saisonschlus-Spurt nun auf einer sehr vertrauten, aber nicht weniger anspruchsvollen Strecke: Der Hungaroring bei Budapest ? Schauplatz des 13. Saisonlaufs ? ist bekannt für seine niedrige Durchschnittsgeschwindigkeit, zahlreiche enge Kurven und seinen staubigen, rutschigen Asphalt.

Titel-Bild zur News: Pierre Dupasquier

Dupasquiers Mannschaft reist zuversichtlich nach Ungarn

Speziell diese Eigenschaft stellt eine große Herausforderung für den französischen Reifenhersteller Michelin dar: Die Pneus benötigen eine "Extra-Portion Grip", wie es Michelin Motorsport-Direktor Pierre Dupasquier formuliert. Seine Mannschaft reist zuversichtlich in die Puszta: Die nach Monte Carlo zweitlangsamste Strecke des Formel 1-Kalenders weist eine ähnliche Charakteristik auf wie der monegassische Stadtkurs ? und dort konnten Michelin-Piloten sowohl die Pole Position als auch den Grand Prix-Sieg erobern.

Vom Ambiente her scheint der Urlaub weiterzugehen: Der Große Preis von Ungarn gilt wegen seiner Nähe zu der pulsierenden Metropole Budapest im Formel 1-Tross als attraktiver Halt auf der Welttournee. Tatsächlich blieb den Teams aber auch in der dreiwöchigen Renn- und Testpause seit dem Deutschland-Grand Prix kaum Zeit zum Verschnaufen. Während die Fahrer wegen des Testverbots ausspannen konnten, ging in den Workshops die Arbeit unvermindert weiter. So auch bei Michelin: Wie zu jedem der bisherigen Saisonrennen bringt der Reifenhersteller ? Partner der Teams BMW WilliamsF1, Jaguar, McLaren-Mercedes, Renault, Toyota und Minardi ? zum Hungaroring neue Pneus mit, die jedoch viel Ähnlichkeit mit den in Monaco verwendeten Typen aufweisen. Der Grund: Die Charakteristik der ungarischen Grand Prix-Strecke gleicht der des Fürstentums.

Da der knapp vier Kilometer lange Kurs nicht übermäßig oft befahren wird und viel Sand von der umliegenden Puszta auf die Fahrbahn geweht wird, herrscht akuter Grip-Mangel. Eine halbwegs saubere Ideallinie bildet sich frühestens am Samstag Mittag während des Qualifyings heraus. Piloten, die auf der rutschigen Piste dennoch zu aggressiv ans Werk gehen, könnten dies mit Untersteuern und somit vorzeitigem Reifenverschleiß bezahlen. Bei einem Rundenschnitt von rund 180 km/h und nur einer längeren Geraden fahren alle Teams mit maximalem aerodynamischem Abtrieb.

Ein weiterer Schlüsselfaktor auf dem Hungaroring liegt in einer guten Traktion, um aus den zahlreichen langsamen Kurven gut herausbeschleunigen zu können. Diese Eigenschaft hängt weniger von der Gummimischung als der Konstruktion der Pneus ab: Nachgiebige Reifenflanken zum Beispiel erhöhen die Aufstandsfläche beim Beschleunigen. Will sich ein Pilot eine der ohnehin knappen Überholmöglichkeiten auf der schmalen Piste erarbeiten, muss er viel Schwung aus der vorherigen Kurve mitnehmen. "Wir kennen die beiden Reifentypen, die Michelin uns in Ungarn zur Verfügung stellen wird", erläutert Sam Michael, Chefingenieur des BMW WilliamsF1 Teams. "Sie machten einen recht langlebigen Eindruck. Der Verschleiß kann durch hohe Asphalttemperaturen, hohe Traktion und Kurvenbelastungen kritisch werden. Wir planen, das Freitagstraining in die sorgfältige Abwägung zwischen den beiden Reifenmischungen zu investieren."

Bei dem oft als Prozession verschrienen Ungarn-GP spielt das Qualifying-Ergebnis eine besonders wichtige Rolle: Wer als Führender in die erste Kurve geht, besitzt gute Chancen, auch am Ende des Rennens weit oben in der Ergebnisliste zu stehen. Ein Überholmanöver in Turn 1 ? am Ende der mit maximal 290 km/h befahrenen Geraden ? ist nicht ausgeschlossen, ohne Kooperation des Gegners aber kaum umzusetzen. Abseits der Ideallinie liegt während des Rennens nicht nur der übliche Sandbelag, sondern zusätzlich der Gummiabrieb der Rillenreifen ? eine fast spiegelglatte Kombination.

Eine umso größere Bedeutung kommt der Boxenstopp-Strategie zu: Einige Runden länger auf der Piste zu bleiben als der direkte Konkurrent oder aber einen schnelleren Boxenhalt einzulegen, könnte der Schlüssel zum Sieg sein. Die Michelin-Piloten sind für beide Varianten gut gerüstet: So bewies zum Beispiel Ralf Schumacher beim vorangegangenen Rennen in Hockenheim, dass die französischen Reifen auch bei großer Hitze keineswegs bei jedem Halt gewechselt werden müssen. In Budapest setzt Michelin-Motorsportdirektor Pierre Dupasquier jedoch eher auf zusätzliche Haftung seiner Pneus. "Das kann zwar ausnahmsweise zu Einbußen in puncto Haltbarkeit führen, doch dies sollte keinerlei Problem erzeugen: Bei einer Zwei-Stopp-Strategie werden pro Reifensatz ohnehin relativ kurze Distanzen zurückgelegt."

Die 3,975 Kilometer lange Strecke umfasst 14 Kurven, die statt berühmter Namen zwar nur Nummern tragen, unter den Fahrern aber als fahrerisch und physisch durchaus anspruchsvoll gelten ? wozu auch die zu erwartende Hitze ihren Teil beiträgt. "Es ist eine kurze, enge und sehr anstrengende Piste. Bei dieser Aneinanderreihung von Kurven gibt es keine Phase zum Entspannen. Da bei diesem Rennen meistens sehr hohe Temperaturen herrschen, ist der Grand Prix für uns Piloten körperlich sehr anstrengend", fasst BMW-Williams-Pilot Ralf Schumacher die Belastungen zusammen.

Der Kurs inmitten der an ein Amphitheater erinnernden Naturtribünen ermöglicht vielen Teammitgliedern übrigens eine angenehme Abwechslung: Da sie von der Rückseite des Fahrerlagers fast den gesamten Kurs überblicken können, beobachten viele das Rennen unter freiem Himmel, statt wie sonst üblich an den Monitoren der eigenen Box.

Ralf Schumacher: "Der Hungaroring stellt für den Reifenhersteller eine große Herausforderung dar. Zum einen wegen der engen Streckenführung, zum anderen wegen der zumeist sehr hohen Temperaturen. Da in Budapest nur wenige Rennen stattfinden, ist die Strecke sehr stark verschmutzt und es dauert bis zum Qualifying, ehe durch Gummiabrieb ein vernünftiges Grip-Level entstanden ist. Wenn es wieder zu einer Hitzeschlacht kommt, sollten unsere Reifen sehr gut sein. Wir werden wahrscheinlich auf eine weiche Mischung vertrauen. Der Große Preis von Ungarn wird eine Standortbestimmung, wie das Kräfteverhältnis in Zukunft aussehen könnte. Der Hungaroring ist ein Kurs ähnlich wie Monaco, auf den ich mich freue, weil man im Auto unheimlich viel arbeiten muss. Meistens kommt in Ungarn noch Hitze dazu, und dann kann ich auch meine körperliche Fitness ausspielen."

Sam Michael, Chefingenieur des BMW-WilliamsF1-Teams: "Der Hungaroring zeichnet sich in erster Linie durch langsame bis mittelschnelle Kurven aus, die maximalen Abtrieb und Grip durch die Reifen erfordert. Die mechanische Fahrzeugabstimmung zielt normalerweise darauf ab, bestmögliche Haftung und Traktion bei niedrigen Geschwindigkeiten zu erreichen und gleichzeitig gute Richtungswechsel in den schnellen Schikanen zu erlauben. Vor dem Großen Preis von Deutschland haben wir gute Fortschritte erzielt und hoffen, diesen Weg in Ungarn fortsetzen zu können."