Mercedes wittert mit Russell eine "großartige Siegchance" in Singapur

Warum Mercedes glaubt, beim Formel-1-Rennen in Singapur mit George Russell genau richtig positioniert zu sein, um den ersten Nicht-Red-Bull-Sieg 2023 zu erzielen

(Motorsport-Total.com) - George Russell strahlt nach dem Formel-1-Qualifying zum Singapur-Grand-Prix 2023 bis über beide Ohren. Und das hat auch gute Gründe: Zum dritten Mal in Folge hat er das Mercedes-Teamduell gegen Lewis Hamilton gewonnen und erstmals seit Melbourne wieder einen Platz in der ersten Startreihe erobert. Viel entscheidender aber ist: Russell wähnt sich für das Rennen in der allerbesten Ausgangslage.

Titel-Bild zur News: George Russell im Mercedes W14 beim Formel-1-Rennen in Singapur 2023

George Russell im Mercedes W14 beim Formel-1-Rennen in Singapur 2023 Zoom

Er erklärt: "Wir haben eine andere Reifenstrategie als jeder andere im Feld, weil wir noch zwei Medium-Reifensätze haben. Damit haben wir die Option auf entweder eine Einstopp- oder eine Zweistopp-Strategie." Alles in allem ergebe das eine "großartige Siegchance" für Mercedes in Singapur, weil das Team so auch auf etwaige Gelbphasen gut reagieren könne.

Denn anders als seine direkten Gegner hat Russell im dritten Freien Training eben keinen Medium-Reifensatz verwendet, sondern ein weiteres Mal Soft genutzt. Einmal Medium verbleibt daher in seinem Kontingent für den Grand Prix.

Auch Teamchef Toto Wolff hält einen Mercedes-Sieg für möglich

Praktischer Nebeneffekt: Russell konnte mit dem zusätzlichen Soft im Training noch intensiver auf das Qualifying hinarbeiten, "um sich einzuschießen", so formuliert es Mercedes-Teamchef Toto Wolff. Der Erfolg auf der Strecke gibt Russell und dessen strategischer Ausrichtung Recht.

Doch Wolff wittert ein noch besseres Ergebnis im Grand Prix und meint bei Sky: "Ich glaube, es ist alles drin. Ich glaube, unsere Rennpace ist ganz in Ordnung. Wenn man am Start gut wegkommt, ist alles möglich."

Genau das ist der Plan von Russell, der ankündigt, er werde es beim Start "auf jeden Fall versuchen", gleich die Führung zu erobern. "Das würde uns das Leben leichter machen", sagt er.

Hamilton drückt Teamkollege Russell die Daumen

Und Hamilton drückt die Daumen für dieses Manöver: "Ich hoffe, George erwischt einen super Start und kommt vor die beiden Ferrari. Denn ich glaube, er hat eine wirklich gute Siegchance. Ich hoffe wirklich, es gelingt. Das wäre herausragend für ihn und das Team." Zumal bisher in diesem Jahr ausschließlich Red Bull Rennen gewonnen hat.

Doch selbst wenn der Start aus Mercedes-Sicht nicht optimal verlaufen sollte, sieht Russell weitere Möglichkeiten, Ferrari über die Distanz zu schlagen: "Ich glaube, unser Renntrimm ist besser als der von Ferrari und wir haben einen strategischen Vorteil [bei den Reifen]. Deshalb wäre ich ziemlich entspannt, wenn wir nach Kurve 2 oder selbst nach Kurve 3 auf P2 liegen würden."

Der Reifenverschleiß in Singapur sehe basierend auf dem Freitagstraining nämlich "übel" aus, sagt Russell, wohl wissend, dass gerade der Reifenverschleiß ein Kernproblem des Ferrari SF-23 darstellt. Im Gegenzug könne er selbst auf einen zusätzlichen Medium-Reifensatz zurückgreifen und mit einer Zweistopp-Strategie planen. "Das setzt Ferrari hoffentlich unter Druck."

Wen Mercedes in Singapur noch auf der Rechnung hat

Seine Prognose: "Es wird auf den Reifenverschleiß rund um die Boxenstopps ankommen. Aber jetzt kann man noch nicht absehen, wie genau sich das darstellen wird. Doch auf der Strecke ist überholen schwierig, also wird man Geduld beweisen und die Entscheidung bei den Boxenstopps suchen müssen", meint Russell.

Aber ist Ferrari der einzige Mercedes-Gegner in Singapur? Sowohl Russell als auch Wolff nennen außerdem Lando Norris im McLaren sowie Fernando Alonso im Aston Martin.

"Zwischen [all denen] spielt sich alles ab auf den Positionen eins bis fünf", sagt Teamchef Wolff bei ServusTV. "Da muss man bescheiden bleiben, das Beste geben und schauen, dass man ganz vorne ist." Und laut Russell darf man Red Bull "nie unterschätzen", obwohl das Spitzenteam in der WM mit beiden Autos die Top 10 der Startaufstellung verfehlt hat.

Hatte Russell sogar die Poleposition auf dem Fuß?

Anders Russell: Im entscheidenden Versuch in Q3 fuhr er 1:31.056 Minuten und blieb nur um 0,072 Sekunden hinter der Qualifying-Bestzeit von Carlos Sainz im Ferrari zurück. Der geringe Abstand zur Spitze gehe auf die "Leistung des Teams" zurück, betont Wolff und lobt, "dass der Fahrer es dann auch umsetzt".

Aber wäre vielleicht sogar die Poleposition möglich gewesen für Mercedes? Der Rundenvergleich bei F1 Tempo legt zumindest nahe, dass Russell gut mitgehalten hat: Denn in den Kurven 13 und 14 lag er gegenüber Sainz um bis zu zweieinhalb Zehntelsekunden vorne, verlor auf den folgenden Geraden aber sämtlichen Vorsprung. Diese zwei Kurven alleine reichten für ihn nicht aus.

Trotzdem zeigt sich Russell "wirklich zufrieden" mit seinem Abschneiden in Singapur. Sein W14-Mercedes fühle sich schon das ganze Wochenende über "grandios" an, sagt Russell. "Ich freue mich, dass es mir gelungen ist, das in ein gutes Ergebnis umzusetzen. Es hat wirklich Freude gemacht. Denn ich habe das Selbstvertrauen im Auto und das Team hat die Strategie perfekt getroffen."

Was anders ist seit der Formel-1-Sommerpause bei Russell

Eine solche Konstellation hat sich für Russell in der Formel-1-Saison 2023 bisher nicht immer ergeben. Bis zur Sommerpause hat sich der Engländer phasenweise schwergetan im Mercedes und gegen Teamkollege Hamilton. Seit der Sommerpause aber läuft es deutlich besser.


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Warum? Russell meint: "Ich fühle mich jetzt wirklich eins mit dem Auto. Die Abstimmung passt und ich arbeite wirklich gut mit meinen Ingenieuren zusammen." Dann scherzt er: "Manche sagen, es liegt an meiner neuen Frisur, aber ich weiß nicht. Es ist einfach nur gute Arbeit."

Das kann Mercedes-Teamchef Wolff nur unterstreichen. Russell sei ein "akribischer Arbeiter" und habe sich im Wochenendverlauf sukzessive in diese Ausgangslage gebracht. "Er hat da schon einen sehr guten Input", meint Wolff bei Sky.

Russell spielt nicht mehr Ingenieur, sondern ...

Das gehe einher mit einer neuen Lockerheit bei Russell, der seine Arbeitsweise im Team neu ausgerichtet und vor allem "simplifiziert" habe, so Wolff. Er erklärt: "George versucht nicht mehr, [Ingenieur] für das Auto zu sein, sondern gibt den Input und sagt: 'Das macht es, und das hätte ich gerne, das es macht.' Und die Leute setzen das um."

Er habe grundsätzlich Verständnis für die bisherige Russell-Haltung, alles selbst anpacken zu wollen. "Denn wenn ein Auto nicht gut ist, hat man leicht die Tendenz, dass man selbst die Lösung finden will. Das macht er jetzt aber nicht mehr." Und das scheint sich bezahlt zu machen.

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