• 15.03.2014 13:33

  • von Dieter Rencken & Roman Wittemeier

Mercedes: Wer hat die eingebaute Vorfahrt?

Bei Mercedes zeichnet sich ein enges Duell zwischen Lewis Hamilton und Nico Rosberg ab: Teamorder bei Silber auf dem Weg in goldene Zeiten?

(Motorsport-Total.com) - Steht der Sieger des Rennens in Melbourne 2014 schon jetzt fest? Unmöglich scheint dies nicht zu sein. Angesichts der vermeintlichen Überlegenheit der Silberpfeile im ersten Rennen der neuen Saison werden Erinnerungen an den Australien-Grand-Prix 1998 wach. Damals war es der Mercedes-Premiumpartner McLaren, der mit solch großer Dominanz auftrat, sodass sich die Piloten Mika Häkkinen und David Coulthard auf einen Deal einigen mussten.

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton, Nico Rosberg

Absprache: Lewis Hamilton und Nico Rosberg haben einen Fahrplan aufgestellt Zoom

Die Lösung lautete damals: Wer nach der ersten Kurve führt, der gewinnt das Rennen - was nach einem unplanmäßigen Boxenstopp des späteren Weltmeisters Häkkinen zu einem umstrittenen Platztausch führte. "Es ist nicht so, dass wir sagen, wer in der ersten Kurve vorne ist, der bleibt auch vorne. Das machen wir nicht", stellt Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff klar. "Sie haben absolut freie Fahrt", legt der Österreicher noch einmal nach.

Freie Fahrt gibt es allerdings nur unter gewissen Bedingungen. Man will sich schließlich nicht im internen Kampf aufreiben und einen eventuellen Doppelsieg aufs Spiel setzen. "Wir haben gewisse Dinge besprochen", gibt Wolff zu. "Es ist wichtig, dass man so etwas anspricht. Es waren gute Gespräche. Unsere Jungs sind nicht nur talentiert und schnell, sondern auch intelligent." Man habe fast alle denkbaren Szenarien durchgespielt und "Lösungen gefunden, die Nico und Lewis akzeptieren können".

Die nicht näher im Detail genannten Mechanismen zur Verhinderung eines teaminternen Dramas könnten am Renntag schnell greifen. Lewis Hamilton geht von der Pole-Position in das erste Rennen der Saison 2014, Nico Rosberg startet von Platz drei - dazwischen: Red-Bull-Neuzugang Daniel Ricciardo. Der Lokalmatador ist zunächst also als Puffer zwischen den beiden Silberpfeilen. Aber wie lange wird dies so bleiben?

Schon nach dem Start im Paarflug?

"Es wäre schon ganz wichtig, an Daniel vorbeizukommen. Ich stehe beim Start auf der sauberen Seite und habe deswegen womöglich gute Chancen. Ich werde es versuchen", stellt Rosberg dar. Der gebürtige Wiesbadener hat nur ein Ziel: nach vorn kommen. "Auch das Startprozedere gilt es mit den neuen Autos erst noch zu optimieren. Ich weiß nicht, wie weit Red Bull diesbezüglich schon ist. Hoffentlich nicht so weit. Vielleicht haben wir da morgen einen Vorteil."

"Es geht morgen erst einmal darum, überhaupt ins Ziel zu kommen", mahnt Hamilton zu umsichtigem Umgang mit dem Material. Der Brite wittert ebenfalls ein Stallduell im Albert Park - früher oder später. "Daniel hat gesagt, dass sie in den Tests noch keine Rennsimulation hinbekommen haben. Uns ist dies gelungen, aber einfach war das nicht. Es geht im Rennen um Benzinverbrauch, um Reifen und Zuverlässigkeit. Der Lernprozess geht weiter. Einfach wird das alles nicht."


Fotostrecke: Triumphe & Tragödien in Australien

Allzu einfach dürften auch die Absprachen im Vorfeld nicht gewesen sein. Zwar betonen die Piloten jederzeit ihr tolles Verhältnis und die reichhaltige Erfahrung, die man in gemeinsamen Rennen seit der Kartzeit in direkten Duellen gesammelt habe, aber sobald es um Gold für Silber geht, ist das Gönnerhafte schnell verflogen. Bestes Beispiel: Malaysia 2013. Damals wurde Rosberg womöglich aufgrund einer zweifelhaften Teamorder ein besseres Ergebnis verbaut.

Teamduell mit "gewissen Grenzen"

"Wir wollen nicht, dass so etwas noch einmal passiert", sagt Wolff und fügt an: "Wir würden das heute wahrscheinlich anders machen." Die Ansagen in Sepang seien damals quasi als Schnellschuss abgefeuert worden. Es werde nicht noch einmal vorkommen. Genau aus diesem Grund hat man sich auf klare Richtlinien geeinigt. Bei den entsprechenden Gesprächen, bei denen auch Paddy Lowe anwesend war, wurde vermutlich gefeilscht wie auf einem Basar. Mit Schnick-Schnack-Schnuck war es nicht getan.

Toto Wolff

Brachten die Piloten zu Gesprächen an einen Tisch: Toto Wolff und Paddy Lowe Zoom

"Eines kann ich versprechen: Es wird Duelle zwischen mir und Lewis geben. Das ist wichtig für alle Zuschauer, so muss Rennsport sein - dafür sind wir schließlich da", so Rosberg. "Allerdings hat dies Grenzen. Man darf als Teamkollegen keine verrückten Sachen machen. Immerhin fahren wir beide für Mercedes und unser Arbeitgeber möchte möglichst großen Erfolg haben. Man muss diese Grenzen festlegen. Das haben wir getan. Jeder von uns weiß, was in gewissen Fällen zu tun ist."

"Es kann mal eine Entscheidung in die eine Richtung sein, mal eine in die andere Richtung", erklärt Wolff. Und mit dieser Aussage ist man ganz schnell wieder bei den Vorkommnissen von 1998. Wolffs Vorgänger, der damalige Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug, sagte nach der Teamorder zugunsten Häkkinen 1998: "Beim nächsten Mal kann es auch anders sein." War es aber nicht. Der Finne galt fortan als klare Nummer 1 im Team und holte immerhin mit Hilfe des Edel-Wasserträgers Coulthard zwei Titel.