• 07.07.2022 14:09

  • von Kevin Hermann, Co-Autor: Jonathan Noble

Mercedes: Ganz abgeschrieben haben wir die WM noch nicht

Mercedes hofft nach dem Formanstieg in Großbritannien noch auf eine Außenseiterchance in der Formel-1-WM, aber es wird "zunehmend aussichtslos"

(Motorsport-Total.com) - Auf der Haus- und Hofstrecke in Silverstone konnte der Dominator der vergangenen acht Jahre mal wieder ein Glanzlicht setzten. Mercedes spielte in Großbritannien bei der Musik mit und phasenweise sah es tatsächlich so aus, als ob Lewis Hamilton sein Heimrennen gewinnen könnte.

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton, George Russell, Toto Wolff

Das Mercedes-Team in der Box in Silverstone Zoom

Doch lag es nur an der Streckencharakteristik oder haben die umfangreichen Silverstone-Updates Mercedes zurück in den Kampf an der Spitze gebracht? So oder so scheint das deutsche Team Fortschritte gemacht zu haben, sodass man nun sogar wieder von der Weltmeisterschaft träumt.

"Es gibt immer leise Hoffnung. Vor allem nach dieser Performance", sagt Mercedes-Teamchef Toto Wolff. "Wir haben gesehen, dass wir vorn an der Spitze mitspielen können." Über das Ziel hinausschießen will Wolff trotzdem nicht.

"Ich glaube, wir müssen dennoch realistisch sein. Uns ist die Strecke entgegengekommen und wir waren auf beiden Reifen gut. Die Tendenz ist positiv, aber wir sind noch nicht da, wo wir sein wollen. Es kommen noch ein paar Rennen, die uns guttun, mit schnellen Ecken. Aber insgesamt sind die anderen die Favoriten."

Mercedes: Haben nur ums Überleben gekämpft

Während Mercedes zu Beginn der Saison den Fokus darauf richtete, das "Bouncing" loszuwerden, kann man sich nun endlich darauf konzentrieren, Performance aus dem Paket herauszuholen.

"In den ersten paar Rennen kämpften wir eigentlich nur ums Überleben", sagt Andrew Shovlin, leitender Renningenieur an der Strecke. "Und die Fahrer kämpften dabei ums Überleben mit einem Auto, mit dem es unglaublich schwierig war, zu arbeiten. Aber wir haben einen guten Job gemacht, indem wir Punkte geholt und die Chancen genutzt haben, als andere unzuverlässig waren."

"Barcelona war für uns nützlich, aber diese drei Straßenkurse zuletzt haben unsere Schwächen aufgezeigt. Wir sind also gerade dabei, die Probleme zu lösen. Aber ich würde sagen, dass der Weg, den wir jetzt einschlagen wollen, immer klarer wird. Und das ist aus Sicht der Entwicklung sehr ermutigend."

"Ich denke, dieses Update [in Silverstone] ist entlang der Linie, die wir in Barcelona begonnen haben. Und es ist ermutigend zu sehen, dass es funktioniert hat", sagt Shovlin.

Mercedes mit Zeropod-Design auf dem Holzweg?

Teamchef Toto Wolff will trotzdem noch nicht zu optimistisch sein, da man bereits nach Barcelona dachte, dass der Knoten Platzen würde: "Wir hatten in Barcelona Momente, in denen wir Licht am Ende des Tunnels sahen, aber dann haben die nächsten drei Stadtkurse bewiesen, dass wir uns geirrt haben, also will ich noch zu optimistisch sein."

Eine große Frage bleibt weiterhin, ob Mercedes mit den schmalen Seitenkastendesgin möglicherweise auf das falsche Pferd gesetzt hat, da die kleineren Teams aktuell bevorzugt Red Bull und Ferrari kopieren, statt den Mercedes.

Mercedes-Technikchef Mike Elliott schloss einen Wechsel auf das Red-Bull-Konzept ebenfalls nicht aus und auch Shovlin hält sich bedeckt über den technischen Weg, den man für die kommende Saison einschlagen will.

Shovlin: WM "wird zunehmend aussichtsloser"

"Beim nächstjährigen Auto befinden wir uns im Moment in der Konzeptphase", sagt Shovlin. "Wir schauen auch, wo wir größere Weiterentwicklungsmöglichkeiten innerhalb des Autos schaffen können. Aber im Moment sind wir noch sehr auf das diesjährige Auto konzentriert."


Fotostrecke: Formel-1-Technik: Detailfotos beim Großbritannien-Grand-Prix 2022

"Wir wissen nicht, ob wir um den zweiten Platz in der Meisterschaft kämpfen können, aber wir schließen auch nicht aus, dass wir noch um den ersten Platz kämpfen, auch wenn sich das zunehmend als aussichtslos herausstellt", realisiert Shovlin.

"Aber wir arbeiten mit Hochdruck daran, das Auto weiterzuentwickeln. Das ist bei Weitem das Wichtigste: Zu zeigen, dass wir diese Probleme lösen können. Das gilt auch für die Platzierung in der Meisterschaft."

Shovlin: Mercedes nicht mehr mit Saisonbeginn vergleichbar

"Mit diesem Reglement war es von Anfang an eine Herausforderung, Abtrieb mit einer höheren Bodenfreiheit zu erzeugen. Wir fahren daher niedrig. Und das ist eines der Dinge, die wir gerne entwickeln würden und wir machen Fortschritte in dieser Richtung."

"Was das Konzept des Autos angeht, so haben wir unser Auto seit dem ersten Rennen sehr stark verändert, es verhält sich nun ganz anders als beim ersten Rennen. Auch wenn es aus der Ferne recht ähnlich aussieht wie zu Beginn, ist es jetzt ein ganz anderes Biest", erklärt Shovlin.

Die Bouncing-Problematik habe man stark verbessert. Was Mercedes nun noch bleibt, ist ein Auto, dass laut Shovlin "noch etwas zu steif" im Allgemeinen ist. "Aber jetzt ist es endlich ein Auto, mit dem man arbeiten kann", sagt er.

Wolff erwartet schwierigeres Österreich-Wochenende

Für das kommende Rennen in Österreich erwartet Teamchef Wolff eine schwierigere Zeit für Mercedes, da die Strecke in Spielberg holpriger ist und man zudem die Randsteine stark einbeziehen muss. "Es gibt einige Kurven, die unser Auto in der Vergangenheit nicht gemocht hat", sagt er.

"Das ist also etwas, das wir im Auge behalten müssen. Aber es ist eine ständige Lernkurve. Ich denke, dass es in dieser Saison sehr schwer sein wird, dort zu gewinnen. Wir müssen also alles tun, um die Leistung des Autos richtig zu optimieren."