McLaren schwächelt in Kanada: Was heißt das für die kommenden Rennen?
McLaren schaffte es im Formel-1-Rennen von Kanada nicht in die Top 3 - Doch warum war das Team in Nordamerika zu verwundbar?
(Motorsport-Total.com) - Zum ersten Mal in der Formel-1-Saison 2025 verpasste McLaren in Kanada das Podium. Doch warum lief es in Montreal nicht ganz so rund - und welche Schlüsse lassen sich für die kommenden Rennen daraus ziehen?

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McLaren in Kanada: Was heißt das für die kommenden Rennen? Zoom
Als sich McLaren-Teamchef Andrea Stella beim Grand Prix von Monaco äußerte, ging es nicht nur um den MCL39 - sondern auch um Obst. Genauer gesagt um Äpfel und Birnen. Denn für Stella ist klar: Nicht alle Strecken im Formel-1-Kalender sind miteinander vergleichbar - so wie eben auch Äpfel und Birnen zwei völlig verschiedene Früchte sind.
Als ein Journalist den Imola-Grand-Prix als kleine Enttäuschung einstufte, widersprach der Teamchef deutlich: "Ich bin nicht einverstanden mit dieser Aussage. Ich denke, es gibt die Tendenz, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. In der Schule hat unser Lehrer immer gesagt: 'Vergleicht keine Äpfel mit Birnen. Seid spezifisch, analytisch, präzise im Umgang mit Informationen.'"
"Imola gehört zu einer Kategorie wie Saudi-Arabien oder Japan - Highspeed-Kurven, enge Strecken", erklärte er. "Wenn wir das mit dem Rennen in Miami vergleichen, vergleichen wir einen Apfel mit einer Birne. Und mein Lehrer hätte mich am Ohr gezogen."
Miami sei dagegen ein Kurs mit vielen langsamen Kurven. Dank umfangreicher Aerodynamik-Upgrades habe sich das Auto dort deutlich verbessert. "Wenn wir Miami vergleichen wollen, dann müssen wir auf China oder Bahrain zurückblicken", so Stella.
Für den Circuit Gilles Villeneuve hingegen brauche es womöglich eine ganz neue Frucht, denn die Strecke lässt sich mit keiner anderen im bisherigen Kalender wirklich vergleichen. Während Bahrain für hohen Reifenverschleiß steht, Suzuka und Dschidda durch schnelle Kurven definiert sind, ist Kanada anders: lange Geraden, harte Bremspunkte und enge Schikanen prägen das Layout auf der Ile Notre-Dame. Das stellt andere Anforderungen an die Fahrzeuge.
Zwei Gründe für ein schwierigeres Wochenende?
Der Kurs liegt in einem Park - dem Parc Jean-Drapeau - und bietet vor allem zu Beginn eines Wochenendes wenig Grip. Zudem müssen sich die Fahrer bis auf wenige Zentimeter an die Mauern heranwagen - inklusive der berüchtigten "Wall of Champions". Vertrauen ins Auto ist also entscheidend. Doch gerade das ist beim MCL39 nicht immer gegeben.
Denn auch wenn der McLaren derzeit als das schnellste Auto im Feld gilt, kann er auf eine Runde unberechenbar sein - das hat Stella mehrfach betont. Besonders Lando Norris hat häufig Schwierigkeiten, im Qualifying das Maximum herauszuholen. Ein Teil davon liegt zwar am Fahrer, doch ein anderer Teil am Fahrzeugverhalten auf der letzten Rille.
In Montreal wurde das früh deutlich: Beide McLaren-Piloten kamen mehrfach von der Strecke ab und schnitten die letzte Schikane. In Training krachte Oscar Piastri in die Wall of Champions, rettete im Qualifying aber noch ein gutes Ergebnis. Norris unterlief in Q3 ein Fehler, der ihn P7 kostete - ein weiteres Indiz für die Quali-Schwäche des MCL39.
Im Rennen selbst konnte McLaren seine üblichen Stärken - gute Rennpace und starke Reifennutzung, insbesondere an der Hinterachse - nicht voll ausspielen.
"Ich denke, einer der Gründe, warum diese Strecke für uns etwas schwierig war, ist, dass es hier zwar langsame Kurven gibt, aber vor allem viele Brems- und Traktionszonen", so Stella. "Es gibt kaum eine Phase, in der du durch eine Kurve rollst. Du bist entweder auf der Bremse oder auf dem Gas. Und in beiden Situationen haben wir uns anfangs etwas schwergetan."
In Kanada wurde vor allem Graining zum Problem - insbesondere vorne links - während McLaren sonst durch den schonenden Umgang mit den Hinterreifen glänzt. "Unser Vorteil kam immer dann zum Tragen, wenn andere abbauten. Leider hätte das Rennen dafür eher 100 Runden lang sein müssen, nicht nur 70", scherzte Piastri.
Und tatsächlich: In den Long-runs am Freitag und im letzten Rennstint war McLaren minimal schneller - aber nicht so deutlich wie zuletzt. Die Rennpace der Topteams (McLaren, Mercedes und Red Bull - zumindest Verstappen) lag dichter beieinander als gewohnt. Dazu kam, dass Überholen in Montreal nicht einfach ist.
Was bedeutet das für die kommenden Rennen?
Viele der genannten Faktoren sind streckenspezifisch. McLaren bleibt daher auch weiterhin das Maß der Dinge und Favorit für die nächsten Grands Prix. Das MCL39 ist nach wie vor das kompletteste Auto im Feld, und der Reifenvorteil ist nicht über Nacht verschwunden - er kam in Kanada einfach weniger zur Geltung.
Doch es gibt drei Punkte, die man im Auge behalten sollte:
Erstens: McLarens Schwäche im Qualifying ist nach wie vor vorhanden. Das neue Frontfahrwerk soll den Fahrern mehr Gefühl für die Vorderachse geben - ein Bereich, in dem sich Norris besonders schwer tut.
Der Brite fuhr das ganze Wochenende mit der neuen Spezifikation, doch das Resultat in Q3 zeigt: Ein Wundermittel ist es (noch) nicht. Stella sprach zwar von einem erfolgreichen Experiment, aber Piastri kehrte nach einem Test im Training zur alten Version zurück.
Zweitens: Die Konkurrenz. McLaren ist zwar weiterhin Favorit, doch Mercedes zeigte in Montreal - trotz der Hitze - eine starke Leistung. Das neue Heckfahrwerk könnte laut Toto Wolff der Schlüssel sein.
Zwar hat Mercedes schon oft geglaubt, die Wende geschafft zu haben - nur um im nächsten Rennen wieder enttäuscht zu werden. Doch sollte das neue Konzept tatsächlich funktionieren, könnten die Silberpfeile auf bestimmten Strecken zu einem ernsthaften Faktor werden.
Drittens: Auch Red Bull schöpft Hoffnung. Verstappen siegte in Imola und fuhr dort die mittleren Reifen länger als Piastri. Und auch in Barcelona - trotz chaotischem Rennende - war das Tempo ordentlich. In Kanada hielt sich Verstappen vor beiden McLarens.
Zwar ist das noch kein Gamechanger, doch wie Christian Horner betont, gibt es Anzeichen für einen Aufwärtstrend. Verstappen selbst weiß: "Es gibt noch viel zu tun, wenn wir ernsthaft um den Titel kämpfen wollen." Aber immerhin: Es gibt wieder Lichtblicke bei Red Bull.
McLaren bleibt also auch nach Kanada das Team, das es zu schlagen gilt. Doch wenn die jüngsten Fortschritte bei der Konkurrenz substanziell sind - und McLaren die letzten Schwächen nicht vollständig in den Griff bekommt - könnte es doch spannender werden als zuletzt in Miami oder China. Vielleicht sind das Äpfel. Oder Birnen. Doch für den neutralen Formel-1-Fan wäre es in jedem Fall eine gute Nachricht.


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