• 30.01.2014 21:31

  • von Roman Wittemeier & Dieter Rencken

McLaren-Heck als Vorbild: Futter für den Diffusor

Weil die FIA an den flügelartigen Querlenkern am Heck des McLaren MP4-29 nichts auszusetzen hat, werden andere Teams wohl bald nachziehen

(Motorsport-Total.com) - Die Aerodynamiker der Formel 1 stehen im aktuellen Jahr wieder vor neuen Herausforderungen. Vor allem am Heck der Fahrzeuge ist eine neue, große Baustelle entstanden, nachdem das Nutzen der Abgase kaum mehr möglich ist und zudem das untere Flügelelement ("Beam Wing") per Regelwerk verbannt wurde. Auf der Suche nach mehr Abtrieb ist offenbar den McLaren-Fachleuten eine geniale Idee gekommen.

Titel-Bild zur News: McLaren Querlenker Heck

Interessante Lösung am Heck: Die Querlenker am McLaren MP4-29 Zoom

Die Konkurrenz staunte nicht schlecht, als der neue MP4-29 in Jerez erstmals aus der Garage geholt wurde. McLaren hat die hinteren Querlenker kurzerhand zu Luftleitelementen umfunktioniert - und das im großen Stil. Die Mannschaft aus Woking lässt die Querlenker am Ende vor den Anlenkpunkten an der hinteren Crashbox in Flügelelemente übergehen, die aerodynamisch sehr wirksam sein sollen. Womöglich bringt die neue Lösung sogar mehr Abtrieb am Heck als der frühere Flügel.

Als die Erfindung am MP4-29 entdeckt wurde, kamen sofort Fragen nach deren Legalität auf. Doch diese steht außer Frage. McLaren hatte sich das Design vorab schon im Sommer vergangenen Jahres von der FIA absegnen lassen. Alle Vorgaben des Regelwerkes werden erfüllt. "Die Frage ist immer, welches die ureigenste Funktion eines Bauteiles ist. In diesem Falle bei der hinteren Radaufhängung am McLaren steht diese für mich außer Frage", sagt Williams-Testingenieur Rod Nelson.

Probieren geht über Kopieren

Der erfahrene britische Techniker ist sicher, dass alle McLaren-Konkurrenten in den kommenden Wochen nachziehen werden. "Das ist ein herausragendes Beispiel für etwas, bei dem es fahrlässig wäre, wenn man es nicht selbst mal im Windkanal ausprobieren würde", meint Nelson, der die McLaren-Variante als "niedliche Interpretation der Regeln" darstellt. "Ich würde mir das gern genauer anschauen, weil es mich wirklich interessiert", kündigt Ferrari-Technikchef James Allison an.

Der neue Clou am Heck des MP4-29 soll einerseits direkten Abtrieb erzeugen, andererseits den Diffusor "füttern". Der Vorteil der Lösung: Der Diffusor wird weniger Anfällig für Veränderungen in der Bodenfreiheit, er wird jederzeit mit ausreichend Luft gespeist, um das Auto auf den Boden zu "kleben". Aber die Variante hat auch Nachteile. Weil die Bauteile der Aufhängung symmetrisch gestaltet sein müssen, gehen die Flügelprofile sowohl nach oben als auch nach unten - und sie stehen somit im Wind.

"Der Flügel baut ziemlich viel Luftwiderstand auf, besonders das Teil, das sich nach unten biegt", analysiert Red-Bull-Technikchef Adrian Newey in der 'auto motor und sport'. Dies würde den McLaren auf den Geraden bremsen, den Top-Speed herabsenken und den Treibstoffverbrauch erhöhen. Aber sein Ex-Team werde "sich wohl etwas dabei gedacht haben", meint der frühere McLaren-Ingenieur und heutige Mercedes-Teamchef Paddy Lowe.


Fotos: McLaren, Testfahrten in Jerez


Die nachträgliche Konstruktion einer solchen Lösung dürfte kompliziert sein, denn die komplette Kinematik am Heck würde sich beim Einbau einer solchen Variante verändern. Hinzu kommt, dass die Streben wegen ihrer gebogenen Form stark gebaut sein müssen - hohe Hürden, aber keinesfalls unüberwindliche. "Keiner wird es aber so perfekt hinbekommen wie McLaren, weil deren gesamtes Konzept darauf ausgelegt wurde", meint Williams-Technikchef Pat Symonds.

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