Massa: Vom Spritverbrenner zur Alonso-Bedrohung?

Seit drei Qualifyings hat Felipe Massa mit Fernando Alonso den vielleicht besten Fahrer der Formel 1 im Griff - Wie der oft verschmähte Paulista die Kurve kriegte

(Motorsport-Total.com) - Lewis Hamilton und Felipe Massa. Diese zwei Namen nannte Fernando Alonso vor rund einem Jahr auf die Frage, welche Piloten er am stärksten einschätzt. Keine Rede von Sebastian Vettel. Dabei befand sich Massa zu diesem Zeitpunkt in einer tiefen Krise, hatte seit Jahren keinen Sieg mehr errungen und sah gegen den Spanier kein Land. Kein Wunder, dass der Weltmeister 2005 und 2006 für seine Aussage verdutzte Blicke erntete.

Titel-Bild zur News: Felipe Massa

Der neue Massa: cool und plötzlich wieder mit viel Selbstvertrauen ausgestattet Zoom

Wenn man den Teamkollegen stark redet, dann zählen die eigenen Leistungen umso mehr. In diese gängige Kategorie ordneten die Journalisten Alonsos Statement ein. Schließlich schien Massas Ende in Maranello längst besiegelt - der Paulista, der zwar Superstar Kimi Räikkönen die Stirn geboten hatte, präsentierte sich nach seinem schweren Unfall in Budapest 2009 nicht mehr in Topform, schien nur noch ein Teamkollege von Alonsos Gnaden zu sein.

Bis Ende 2012. Ausgerechnet bei den letzten zwei Saisonrennen, als sich Alonso im Titelduell gegen Vettel an den letzten Strohhalm klammerte, begann Massas nach wie vor anhaltendes Ferrari-Hoch. In Austin und bei seinem Heimrennen in Interlagos bog er seinen Teamkollegen im Qualifying. Selbst die Entscheidung des Teams, in den USA das Getriebe Massas zu wechseln, was ihn fünf Startplätze kostete, um Alonso um einen Platz und vor allem auf die saubere Seite der Startaufstellung nach vorne zu pressen, konnte Massa nicht aus der Bahn werfen.

In seiner Heimat stand er dann nach einem starken Rennen mit Platz drei erstmals wieder auf dem Podest, wo er 2008 mit der WM-Niederlage gegen Lewis Hamilton auf den letzten Metern seinen bislang letzten und bittersten Sieg errungen hatte - ein symbolischer Abschluss der mageren Jahre? Gut möglich, denn der 31-Jährige startete auch 2013 bärenstark in die Saison und fügte Alonso in Melbourne eine weitere Niederlage im Qualifying zu. Damit hat der für viele beste Formel-1-Pilot der Gegenwart seit drei Rennwochenenden im Zeittraining stets das Nachsehen gegen seinen oft verschmähten Adjutanten.

Massa hat seine Schwächen überwunden

Im Cockpit des Ferrari würde nicht Massa sitzen, sondern sein Bruder, wurde der kleine Mann selbst von Ferrari-Boss Luca di Montezemolo vor versammelter Mannschaft lächerlich gemacht. Doch wie hat er nun wieder zu sich selbst gefunden? "Schwer zu sagen", wundert sich selbst Technikchef Pat Fry. "Er hat eine gute Einstellung. Er fährt gut. Er ist sehr feinfühlig, überfährt das Auto nicht."

Worte, die man in den vergangenen Jahren selten über Massa hörte, schließlich fiel er oft mit seinem wilden Fahrstil auf, wollte zu viel. Und auch als Teamleader konnte er sich nie etablieren, benötigte ständig die Führung und Anleitung durch seinen Renningenieur Rob Smedley. Fry weiß, dass ihm im Vorjahr die Trendwende gelungen ist: "In der ersten Saisonhälfte hatte er Probleme, die zweite Hälfte war viel besser. Dieses Jahr hat er diese Form konserviert, was natürlich auch für das Team in der Konstrukteurs-WM gut ist."

Felipe Massa, Fernando Alonso

Ungewohntes Bild: Großmeister Alonso muss sich hinter Adjutant Massa anstellen Zoom

Wie die Trendwende gelang

Auch die Konkurrenz wittert längst die Gefahr, die vom wiedererstarkten Massa ausgeht. "Massa ist im Gegensatz zum Vorjahr auf dem Niveau von Alonso, und daher wird Ferrari in der Konstrukteurs-WM für uns sicher einer der stärksten Gegner sein", sagt Red Bulls Motorsportkonsulent Helmut Marko gegenüber 'ServusTV'. "Sie sind als Team stark."

Auch Massa selbst spürt, dass er nun wieder der Alte ist. "Früher meinten manche, ich würde nur Sprit verbrennen. Jetzt habe ich aber das Gefühl, zehnmal besser als im vergangenen Jahr in die Saison gestartet zu sein", strahlt er große Zuversicht aus. "Ich spüre das Auto und fühle mich wohl beim Fahren. Zudem bin ich viel entspannter."

"Nach der Arbeit mit einem Psychologen konnte ich die Richtung meiner Gedanken und meiner Arbeit ändern." Felipe Massa

Wie hat es der Vizeweltmeister 2008 also geschafft, wieder seinem Instinkt und seinem Gefühl zu vertrauen? Die Antwort: Seit dem Vorjahr arbeitet er mit einem Psychologen, konzentriert sich nicht mehr verbissen auf Ergebnisse, sondern ausschließlich auf die eigene Leistung. "Danach konnte ich meine Richtung ändern - die Richtung meiner Gedanken und die Richtung meiner Arbeit", gibt er Einblicke in seine Seele. "Das war so etwas wie Training. Ich glaube auch, dass meine Familie dabei geholfen hat. Da bin ich mir zu 100 Prozent sicher."