• 24.11.2011 22:36

  • von Christian Sylt & Caroline Reid

Marussia-Virgin-Team: Kleiner Fehler, große Folge?

Manor Holdco, die Muttergesellschaft des Timo-Glock-Teams Marussia-Virgin, ist den britischen Behörden noch wichtige Bilanzunterlagen schuldig

(Motorsport-Total.com) - Die Vorstände von Virgin Racing, einschließlich Teamchef John Booth und zweier leitender Angestellter der britischen Bank Lloyds, riskieren derzeit eine Strafverfolgung durch die britische Regierung, weil sie Schlüsseldokumente, die in Zusammenhang mit dem Formel-1-Team stehen, nicht abgeben.

Titel-Bild zur News: Graeme Lowdon und John Booth

Graeme Lowdon und John Booth müssen ihre Bilanzen einreichen

Lloyds Development Capital (LDC), die Private-Equity-Division der Bank, ist im Jahr 2009 eine größenmäßig nicht definierte Unternehmensbeteiligung an Virgin Racing eingegangen und hat laut Bilanzunterlagen der Muttergesellschaft des Teams, Manor Holdco, im Gegenzug einen Kredit in der Höhe von 6,5 Millionen Britischen Pfund (umgerechnet 7,5 Millionen Euro) zur Verfügung gestellt. Im November 2010 übernahm der russische Sportwagenhersteller Marussia von LDC und Corvina Holdings, einem Investmentinstrument von Richard Bransons Virgin-Gruppe, eine Kontrollmehrheit an der Firma.

Nach dem Verkauf blieb LCD nur noch ein Minderheitsanteil, doch LCD-Repräsentanten besetzen nach wie vor zwei der sechs Vorstandssitze von Manor Holdco, und zwar durch Geschäftsführer Darryl Eales und einen weiteren leitenden Angestellten, Carl Wormald. Am 25. Oktober forderte das Companies House, das britische Handelsregister, die beiden und alle anderen Vorstände, darunter auch Teamchef John Booth und Marussias Management-Direktor für Großbritannien, Andy Webb, dazu auf, entsprechende Unterlagen einzureichen.

¿pbvin|512|4256||0|1pb¿Auslöser dafür war, dass Manor Holdco die Bilanz des Geschäftsjahres 2010, die eigentlich am 28. Juli fällig gewesen wäre, bisher nicht beim Companies House eingereicht hat. Unter Sektion 1000 des Companies Act (britisches Gesetz betreffend Kapitalgesellschaften und Kapitalgesellschaftsrecht) kann eine Firma dafür strafverfolgt werden, wenn sie ihre Bilanzen nicht einreicht. Die Verzögerung hat bereits zu einer Geldstrafe von 750 Pfund (870 Euro) geführt. Das Nichteinreichen von solchen Unterlagen ist zudem ein strafrechtlicher Delikt, für den alle Vorstände persönlich haftbar gemacht werden können. Manor Holdco wurde Ende 2009 gegründet und hat seither keine Unterlagen beim Companies House abgegeben.

Als Reaktion auf die Ermahnung durch das Companies House verpflichteten sich die Vorstände dazu, die Unterlagen innerhalb der nächsten vier Wochen einzureichen. "Wir warten normalerweise höchstens 28 Tage zu", erklärt ein Companies-House-Repräsentant. "28 Tage ab dem 26. Oktober bedeuten, dass die Frist am 23. November endet." Die Unterlagen sind aber immer noch ausständig. Wird das nicht bis Mittwoch erledigt, so wäre laut Companies House eine strafrechtliche Verfolgung der Vorstandsmitglieder der nächste Schritt.

¿pbvin|512|4259||0|1pb¿"Wenn sie versprochen haben, ein Dokument einzureichen, das aber nicht tun, werden sie strafrechtlich verfolgt. Sie werden vor Gericht geschleppt und wenn sie uns nicht informieren, werden sie vielleicht gezwungen sein, die Firma zu schließen. Sie haben also nur bis Mittwoch Zeit", heißt es weiter.

Das könnte Virgin Racing theoretisch aus der Formel 1 drängen, denn Manor Holdco ist der Eigentümer von Manor Grand Prix Racing, dem direkten Unterzeichner des Concorde-Agreements, also jenes Vertrags, der dem Team einen Startplatz in der Königsklasse garantiert. Bevor sich Virgin 2009 ins Team eingekauft hat, lautete dessen Name noch Manor GP, was auch den Namen der Mutter-Holdinggesellschaft erklärt.


Fotos: Marussia-Virgin, Young-Driver-Test in Abu Dhabi


Das Team stieß im vergangenen Jahr nach dem Einstieg von Virgin in die Formel 1 und hat seither keinen Punkt gesammelt. Es ist ein Rennen vor Saisonende WM-Letzter. Marussia und LDC wollen sich zu den Vorwürfen nicht äußern, während eine Teamsprecherin den Vorgang als "verfahrenstechnische Kommunikation von Companies House in Zusammenhang mit dem Zeitpunkt des Einreichens der Bilanzen" bezeichnet. Aber: "Wir sehen in dieser Situation keine Schwierigkeiten und kümmern uns um diese Angelegenheit."