• 03.02.2003 14:22

Mark Webber im Interview – Teil 1

Jaguar-Pilot Mark Webber im ersten Teil eines ausführlichen Interviews wenige Wochen vor Saisonbeginn 2003

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Mark, Du bist dieses Jahr in einem neuen Auto und bei einem neuen Team. Letztes Jahr ist es in Melbourne ja sehr gut für Dich gelaufen. Bist Du jetzt mit dem Jaguar R4 zuversichtlich, genauso gut oder vielleicht sogar noch besser abschneiden zu können?"
Mark Webber: "Naja, bei unserem Debüt letztes Jahr hatten wir ziemlich viel Glück, daher wäre es vom Resultat her schon sehr schön, ähnlich gut zu sein. Die Dinge entwickeln sich ganz gut. Es ist noch früh, was unser neues Paket und die Konkurrenz betrifft, daher müssen wir abwarten, wie es am Freitag in Melbourne aussehen wird. Ich bin sehr aufgeregt. Alles läuft gut und es würde mich freuen, das Vorjahresresultat noch zu übertreffen, aber wenn es uns nicht gelingen sollte, gibt es sicher einen guten Grund dafür."

Titel-Bild zur News: Mark Webber

Ausgezeichnet als bester Newcomer 2002: Webber mit dem "Bernie"

Frage: "Wie fühlte sich das Auto bei den bisherigen Tests an?"
Mark Webber: "Es ist jedenfalls ganz anders als der R3. Sie wollten die Bereiche, in denen der R3 eben seine Schwächen hatte, verbessern, und in einigen Schlüsselbereichen ist das definitiv gelungen. Noch einmal, wir wissen nicht, wie wir im Vergleich mit unseren Gegnern dastehen, aber das werden wir in den nächsten paar Wochen herausfinden. Ich bin happy über den Stand der Dinge. Natürlich habe ich selbst auch noch viel zu tun, aber ich habe großes Vertrauen in die Jungs und es läuft wie gesagt gut."

Frage: "Um wie viel stärker fühlst Du Dich mit Jaguar im Vergleich zu Minardi im Vorjahr?"
Mark Webber: "Ich spüre, dass ich weit konkurrenzfähiger sein werde. Wir haben viel größere Ressourcen, dadurch natürlich auch viel mehr Druck, aber das gehört jetzt eben dazu. Ich will gegenüber Minardi nicht respektlos wirken, aber jetzt fahren wir als Werksteam zu den Rennen und es ist klar, dass wir in gewisser Hinsicht einfach Leistung bringen müssen. Ich bin sicher, dass uns das in den nächsten Jahren gelingen wird, denn dann kann Jaguar stolz darauf sein, was geleistet wird. In den letzten paar Jahren war das ja für sie nicht immer so, aber wir wollen es ändern."

Frage: "Es gab einige Einschnitte ins Reglement. Unterstützt Du diese und ergibt sich daraus eine umkämpftere Saison?"
Mark Webber: "Auf jeden Fall wird die Saison umkämpfter sein. Wir haben in den letzten zwei oder drei Monaten eine gewaltige Menge an Änderungen erlebt. Alle haben sich darüber Gedanken gemacht. Manche davon sind vielleicht an der Grenze in Bezug darauf, wie weit gegangen wurde, aber es ist zumindest eine Veränderung und darauf wird man reagieren müssen. Diejenigen, die das Maximum aus diesen Änderungen schöpfen, können eventuell einige gute Resultate holen. Ich freue mich darauf. Hoffentlich ist es gut für die Fans."

Frage: "Glaubst Du, dass Dir das Einzelzeitfahren im Qualifying helfen wird und wirst Du dadurch eventuell näher an Michael Schumacher herankommen?"
Mark Webber: "Auf dieser Ebene sind alle Fahrer sehr gut, also ist es eine Frage kontrollierter Aggressivität und wie man während dieser Runde attackiert. Auch mit den Ingenieuren muss man optimal zusammenarbeiten. Ein Rennauto ist sehr sensibel und es wird entscheidend sein, dieses Ding in jenen 85 bis 90 Sekunden am Samstag Nachmittag perfekt hinzubekommen. Auch Michael hat damit nicht viel Erfahrung, also warten wir ab, wie es uns allen damit ergehen wird."

Webber: Reglementsänderungen positiv, aber...

Frage: "Du hast gesagt, mit dem Verbot der Elektronik könnten wieder die ganzen Anschuldigungen losgehen. Kannst Du darauf näher eingehen?"
Mark Webber: "Das stimmt. Man muss sicherstellen, dass so etwas überwacht werden kann. Die Traktionskontrolle, die Startautomatik und all die anderen Software-Elemente wurden eingeführt, weil die Überwachung so schwierig war. Wenn wir jetzt alle Menschen in der Boxengasse ersuchen, auf diese Angelegenheiten ein Auge zu werfen, dann ist das sicher sinnvoll, weil es unter ihnen einige sehr versierte Fachleute gibt. Es gibt ja so viele verschiedene Wege, wie man die Übertragung der Pedalbedienung des Fahrers auf das tatsächliche Verhalten der Hinterräder bei der Beschleunigung beeinflussen kann. Das ist ein sehr technischer Prozess. Aber wie gesagt, hoffentlich lässt es sich überwachen. Das ist die einzige Sache, die mir ein wenig Sorgen macht."

Frage: "Wie sehr befürchtest Du, dass man wieder in die Trickkiste greifen wird?"
Mark Webber: "Es ist ein riesiges Spiel, ein großes Geschäft. Auch früher haben es die Leute so gemacht, weil es eben etwas bringt. Warum sollte das anders werden? Diese Codes und die gesamte Software gehört verboten. Hoffentlich ist es dann so gut wie unmöglich, das System zu umgehen."

Frage: "Wie schätzt Du den auf Dir lastenden Druck im Vergleich zum letzten Jahr ein?"
Mark Webber: "Schön zu wissen, was ich letztes Jahr erreicht habe, schätze ich. Man kann an die positiven Dinge denken und sich einreden, dass mir die das Cockpit hier eingebracht haben, aber in Wahrheit ist das Vergangenheit. Jetzt ist die Gegenwart und wir müssen als Team hart arbeiten und ich muss jede Woche rausgehen und meinen Job optimal machen. Nur darum geht es. Es gibt viele Fahrer, die gerne dort stehen würden, wo ich jetzt bin. Das verstehe und respektiere ich, aber es ist gut. Ich mag diesen Druck. Darum habe ich mich auch so darum bemüht, in die Formel 1 zu kommen. Wäre dem nicht so, würde ich jetzt vielleicht Gärtner sein. So aber freue ich mich darauf und es ist eine gute Herausforderung."

Frage: "Rechnest Du mit einer negativen Reaktion des Publikums in Melbourne, weil Du den Australier Paul Stoddart und Minardi verlassen hast?"
Mark Webber: "Das ist eine sehr australische Haltung. Da wird es als Sünde abgetan, wenn Du wechselst. Ich habe mich gestern eine Stunde lang mit Paul unterhalten. Ich rede mit ihm alle zwei Wochen oder zumindest einmal im Monat. Er versteht, dass ich mich weiterentwickeln musste. Man weiß nie, was in der Zukunft noch passieren wird. Hoffentlich verstehen die Menschen in Australien, dass es so am besten war."

2002: "Bernie"-Award für Wahl zum besten Newcomer

Frage: "Klarerweise wirst Du mit Jaguar konkurrenzfähiger sein als mit Minardi, aber wie hoch schätzt Du das Jahr 2002 ein? Immerhin wurdest Du zum besten Newcomer gewählt..."
Mark Webber: "Es war eine wirklich gute Saison. Wir haben es genossen. Die Umstände waren nicht einfach. Natürlich hatte Paul große finanzielle Schwierigkeiten und er musste sich in vielen Angelegenheiten durchsetzen ? am Saisonbeginn wegen den TV-Geldern und dann mit Alex (Yoong; Anmkg. d. Red.). Es war für ihn eine ziemlich schwierige Saison, aber alles in allem haben wir sie gut hinter uns gebracht. Wir haben uns in der Boxengasse Respekt verschafft. Es gab ein paar Wochenenden, an denen wir abgestaubt haben ? und mehr war eben nicht drin. Als Fahrer habe ich enorm viel gelernt und das werde ich nie vergessen. Es war ein Superjahr, wenn auch manchmal frustrierend. Unterm Strich haben wir weniger erreicht, als wir uns erhofft hatten, aber dennoch ein Superjahr."

Frage: "Hast Du Deine persönlichen Erwartungen übertroffen oder nicht?"
Mark Webber: "Ich habe von Anfang an gesagt, dass ich zu Saisonbeginn so viele Rennen wie möglich beenden und nach Möglichkeit in den Top-10 landen möchte. Dazu braucht es natürlich Glück, denn einen Minardi fährt man nicht aus eigener Kraft in die Top-10. Man benötigt Glück und ein paar Ausfälle gegnerischer Fahrzeuge. Wenn man einmal das außergewöhnliche Rennen in Melbourne weglässt, war ich durchschnittlich, würde ich sagen. Es lief nicht sensationell, aber auch nicht schlecht. Wir hatten ein paar starke Wochenenden. Das ist schon okay."

Frage: "Deine Ziele für diese Saison sind sicher weit optimistischer gesteckt, oder?"
Mark Webber: "Ja. Klarerweise möchte ich gerne regelmäßiger Punkte holen. Wir müssen aber abwarten, wo wir im direkten Vergleich mit der Konkurrenz stehen, auch die Entwicklung zwischen Michelin und Bridgestone ? da sieht es im Moment ja sehr interessant aus, würde ich sagen. Natürlich könnte ich mir jetzt persönliche Ziele setzen, aber es kann dann passieren, dass sie sich zu Saisonmitte als absolut unrealistisch herausstellen. Mit Zahlen bleibe ich daher lieber vorsichtig."

Hohe Ziele, aber Sieg wohl unrealistisch

Frage: "Glaubst Du, dass Du in Melbourne gewinnen kannst, und ist es anders, vor eigenem Publikum anzutreten?"
Mark Webber: "Ich muss sagen, es wird definitiv schwierig, in Melbourne zu gewinnen. Es gibt noch immer eine große Differenz zwischen den Top-Teams, die viele Jahre für ihre Position gearbeitet haben ? Ferrari, Williams und McLaren ? und den anderen Teams. Trotzdem soll man nichts ausschließen und es ist nett, vor heimischem Publikum zu fahren. Für jeden Fahrer ist es ein Highlight, bei einem Heim-Grand-Prix am Start zu sein. Kimi Raikkonen hat nicht einmal einen Heim-Grand-Prix. Außerdem freue ich mich schon darauf, wieder nach Australien zu kommen."

Frage: "Der fünfte Platz in Melbourne ist jetzt ein Jahr her. Findest Du, dass Du noch etwas zu beweisen hast? Und glaubst Du, dass Du dem Job bei Jaguar schon gewachsen bist?"
Mark Webber: "Natürlich war der fünfte Platz sehr glücklich, schätze ich, aber ich stand davor schon bei Renault und Mercedes unter Vertrag und jetzt bin ich bei Jaguar gelandet. Daher bin ich recht zuversichtlich, diesen Job erfüllen zu können. Man muss sich aber immer beweisen. Michael Schumacher ist fünffacher Weltmeister, aber er wird sich sicher nicht gerne von Rubens Barrichello überrumpeln lassen. Es ist ein Sport, in dem dein Kopf in gewisser Hinsicht immer in der Schlinge steckt. Natürlich würde ich gerne eine sehr gute Saison erleben. Gelingt es mir, muss ich mich für 2004 steigern. Man muss sich also immer wieder aufs Neue beweisen."

"Sport, in dem dein Kopf immer in der Schlinge steckt..."

Frage: "Wenn Du schon vom Kopf in der Schlinge sprichst, musst Du doch gerade bei Jaguar sehr vorsichtig sein ? schließlich wurde Niki Lauda entlassen. Wenn Niki rausgeworfen werden kann, dürften sich auch die anderen Teammitglieder nicht gerade sicher fühlen, oder?"
Mark Webber: "Ja, aber wie gesagt gehört das zum Sport, es ist Teil des Spiels. Man muss immer Leistung bringen. Wenn man sich einredet, fest im Sattel zu sitzen, macht man sich doch nur etwas vor. Man muss hart arbeiten und seine Position auch rechtfertigen."

Frage: "Wie haben schon über die Regeländerungen gesprochen. Kannst Du als Fahrer genau erklären, wo die Unterschiede liegen und vor allem, wie es sich im Rennen auswirken wird?"
Mark Webber: "Das zu erklären, würde wahrscheinlich zu lange dauern..."

Frage: "Zumindest den signifikantesten Unterschied, bitte!"
Mark Webber: "Das Einzelzeitfahren im Qualifying ist natürlich eine signifikante Veränderung. Bisher hatten wir vier Versuche, um eine gute Runde zu fahren, aber jetzt hat man nur noch einen einzigen Schuss. Man muss sich mental optimal auf diese eine Runde einstellen und auch genau überlegen, wie man die Abstimmung gestaltet. Dazu kommt noch, dass die Autos nach der Session im Parc Ferme bleiben müssen, also schon fast in Rennabstimmung sein sollten. Es gibt so viele schlafende Hunde, die mit diesem neuen Reglement geweckt worden sind, dass wir einfach unser Bestes geben und darauf hoffen müssen, dass es die eine oder andere Überraschung geben wird. Bei den letzten Tests bin ich ohne Traktionskontrolle gefahren und das ist sehr, sehr aufregend. Für die Fans wird der britische Grand Prix zu Saisonmitte fantastisch, wenn wir das System ausbauen müssen, denn es ist fahrerisch eine irre Herausforderung. Diese Autos haben so viel PS ? und es ist sehr schwierig, die zu kontrollieren. Kurzfristig sind das sicher die gravierendsten Änderungen."

Viele Tests und Reisen halten Webber auf Trab

Frage: "Du hast ein Jahr in der Formel 1 hinter Dir. War es viel einfacher oder viel schwieriger als im Vorhinein erwartet?"
Mark Webber: "Einige Aspekte des Jobs sind sehr, sehr schwierig. Ich bin zum Beispiel nur an den Wochenenden in meiner Wohnung und verbringe den Rest der Woche mit Reisen zu Tests und dergleichen. Letztes Jahr war dahingehend eigentlich relativ einfach, weil ich nur zu den Rennen ausrücken musste. Der Druck war dahingehend geringer, aber andererseits will man sich gerade im ersten Jahr besonders gut schlagen, also ist woanders wieder mehr Druck vorhanden gewesen. Jetzt ist es schön, für ein größeres Team fahren zu können, aber das bedeutet auch mehr Druck. Es ist hart. Die Tests halten mich 15 oder 16 Stunden am Tag auf Trab. Man kommt in der Früh an die Strecke und geht spät in der Nacht schlafen ? und das fünf Tage die Woche. Das sind die harten Aspekte der Arbeit, aber es macht ja auch Spaß. Wenn der Helm drauf ist, komme ich auf meine Kosten. Wir Fahrer arbeiten hart. Ein harter Job mit einer Menge Druck."

Frage: "Bleibt Dir vielleicht zumindest vor Melbourne ein wenig Zeit, um ein paar freie Tage zuhause zu verbringen?"
Mark Webber: "Im Moment plane ich, schon am Dienstag nach Melbourne zu fliegen. Noch sind nicht alle Termine unter Dach und Fach, aber es würde mich freuen, auf einen Sprung bei der Familie vorbeischauen zu können."