Manor: Interesse an Reformen, aber gegen Kundenautos

Manor-Marussia-Teamchef John Booth und Sportdirektor Graeme Lowdon sprechen über die Vorschläge der Strategiegruppe für 2017 und das Thema Kundenautos

(Motorsport-Total.com) - Mit Null Punkten bildet man das Schlusslicht in der Formel-1-Meisterschaft: Manor-Marussia. Seit 2010 (damals noch unter dem Namen Virgin) kämpft man im hinteren Drittel des Feldes um den Anschluss, ganz heikel wurde die Situation am Ende des Vorjahres als man Insolvenz anmelden musste. Nun ist man als Manor-Marussia mit neuen Geldgebern aber wieder zurück im Formel-1-Geschäft, John Booth führt die Truppe aus Dinnington, an seiner Seite Sportdirektor Graeme Lowdon. Die beiden sprachen im Interview mit 'Formula1.com' über die Ideen der Strategiegruppe für 2017 und das kursierende Thema Kundenautos.

Titel-Bild zur News: John Booth, Graeme Lowdon

Booth und Lowdon "not amused" über den Vorschlag mit den Kundenautos Zoom

Dabei kam vorerst die Frage auf, ob die Teams selbst überhaupt die Regeln der Königsklasse mitbestimmen sollten? Lowdon erklärt dazu die historische Entwicklung der Mannschaften: "In der Vergangenheit waren Teams kleine Micro-Unternehmen, jetzt ist ein typisches Formel-1-Team eine große Firma, ein großer Arbeitgeber. Wir haben den Arbeitnehmern gegenüber Verpflichtungen, eine Unternehmensverantwortung und eine große Wertschöpfungskette. Also haben sich Dinge verändert. Ich denke, ein ausgeglichenes Regierungssystem würde die Gedanken und Anliegen der Teilnehmer einbeziehen, weil wir nun so große Einheiten sind."

Die Teilnehmer im Regelfindungsprozess komplett zu ignorieren, wäre laut dem Briten ebenso falsch. Demgegenüber stehen allerdings die Interesse der Einzelnen: "Es ist schwierig für die Teams die Regeln festzulegen und sie sollten dies auch nicht tun müssen. Aber, wer auch immer diese Aufgabe innehat, sollte zumindest die Fähigkeit haben, Dinge mit den Teams in einem angemessenen Forum zu diskutieren." Derzeit besteht die Strategiegruppe aus den sechs stärksten Teams (Mercedes, Ferrari, Red Bull, McLaren, Williams und Force India), Bernie Ecclestone für die Rechteinhaber und Jean Todt für die FIA.

Lowdon glaubt: Fans wollen unberechenbares Racing

In dem Gremium, das Vorschläge ausarbeitet, die später von der Formel-1-Kommission und schließlich vom FIA-Weltrat abgesegnet werden müssen, wurden zuletzt umfangreiche Änderungen für die Saison 2017 diskutiert. Man möchte dem schwindenden Interesse der Formel-1-Fans entgegenwirken und die Autos wieder spektakulärer machen. (Hier mehr lesen!)

"Das ist kein einfacher Job." Lowdon über Regelfindung

Manor-Marussia selbst ist nicht Mitglied in der Strategiegruppe und kennt daher auch keine Details, wie Teamchef Booth kommentiert: "Die Vorschläge für 2017 sind ziemlich interessant. Es ist die Chance etwas Dramatisches mit dem Sport zu machen. Es ist ziemlich schwierig diese zu kommentieren, weil wir die Details nicht kennen." Lowdon ergänzt: "Ich denke, was die Fans sehen wollen, ist enges Racing und ein Maß an Unberechenbarkeit."


Fotos: Manor-Marussia, Großer Preis von Großbritannien


Aber natürlich sollen auch die Besten belohnt werden: "Ich verschreibe mich nicht der Idee, dass wenn sich die Regeln komplett ändern, die erfolgreichen, geschickten Teams nicht gewinnen. Es gibt ein paar tolle Teams in der Boxengasse, mit unglaublichen Fähigkeiten und ich denke nicht, dass sie sich Sorgen machen sollten über ihre Fähigkeit zu konkurrieren." Allerdings dürfe man nicht nur auf die sportlichen Gesichtspunkte achten, auch die technischen und finanziellen Aspekte müssen einbezogen werden, so der Brite. "Einige Entscheidungen können getroffen werden, aber müssen nicht unbedingt in den finanziellen Rahmen passen. Das ist keine einfache Aufgabe für die Leute, die versuchen die Regeln und das Umfeld dafür zu schaffen - das ist kein einfacher Job."

Bauen und Entwickeln der Autos gehört zur Königsklasse

"Unsere Expertise liegt im Herstellen, Designen und Bauen von Rennautos." Graeme Lowdon

Angesprochen auf das Thema Kundenautos winken Lowdon und Booth ab. "Im Moment kämpfen wir in zwei Meisterschaften, in der Fahrerwertung und der Teamwertung", so der sportliche Direktor. "Unsere Expertise als Firma liegt im Herstellen, Designen und Bauen von Rennautos. Dorthin hat sich der Sport entwickelt und eine Nische gefunden." Und genau das ist es auch, was für Lowdon die Formel 1 zur Königsklasse macht: "Leute sagen, dass es die Spitze des Motorsports sei, und ich denke, dass ein Grund dafür ist, dass du zehn spezialisierte Herstellerfirmen hast, die Probleme in einer sehr vorgegebenen Formel lösen. Das wohnt diesem Sport inne."


Großer Preis von Großbritannien

Booth erklärt, welch großer Anteil der gesamten Teamleistung im Bauen und Entwickeln des Autos liegt: "Unser Team erweiterte sich wieder auf 220 Personen in den vergangenen paar Monaten, und 70 Prozent davon sind angestellt, um das Auto zu bauen und zu entwickeln. Wenn man diese Notwendigkeit aus dem Sport entfernt, verlieren wir mehr als die Hälfte." Auf der Strecke werde das Produkt nur noch fein abgestimmt. Würde man tatsächlich Kundenautos einführen, dann würde "ein großes Loch" übrig bleiben.

Auch Lowdon ist kein Fan dieser Idee: "Man muss sich fragen, was der Grund für diese Änderung wäre? Wenn du kein Hersteller bist, kann ich verstehen, warum du diese Änderung haben möchtest, aber wenn du einer bist, dann wirklich nicht." Es gäbe viele Wege, wie man die Industrie nach vorne bringen könnte und "ich denke nicht, dass diese Änderung ein entscheidender Faktor ist, um der Industrie zum Wachsen zu verhelfen", resümiert der Brite.