• 15.05.2008 12:43

Mallya: "Eine einmalige Gelegenheit"

Force-India-Chef Vijay Mallya im Interview über den Aufbau des Rennstalls und seine aktuellen Piloten: "Ich muss Adrian viel Zeit geben"

(Motorsport-Total.com/sid) - Der Inder Vijay Mallya ist Milliardär, Besitzer eines Brauerei-Imperiums, einer Fluglinie und seit einigen Monaten auch eines Formel-1-Teams. Force India mit den Piloten Adrian Sutil und Giancarlo Fisichella entfacht als indisches Nationalteam gerade einen regelrechten Formel-1-Boom auf dem Subkontinent, der 2010 seinen ersten Grand Prix erhalten soll. Im Interview verrät Mallya ein wenig über seine Ziele und wie er mit dem Gräfelfinger Sutil im Cockpit zufrieden ist.

Titel-Bild zur News: Vijay Mallya (Teameigentümer)

Vijay Mallya peilt mit Force India 2010 erste Podiumsplatzierungen an

Frage: "In der Forbes-Rangliste der reichsten Männer der Welt sind vier Inder in den Top-10. Sie gehören nicht dazu. Haben Sie in Ihrem Leben etwas falsch gemacht?"
Vijay Mallya: "Dass ich dort nicht stehe, zeigt, dass ich in meinem Leben etwas richtig gemacht habe. Ich weiß selbst, was ich habe, und das ist nicht für den öffentlichen Gebrauch bestimmt. Ich mache mein Geschäft. Und die Forbes-Liste hat darauf keinen Einfluss."#w1#

Der Weg zum eigenen Team

Frage: "Was Ihr Geschäft aber beeinträchtigt, ist das Formel-1-Team Force India. Bernie Ecclestone erzählt, dass Sie seit langer Zeit befreundet sind und er Sie überzeugt hat, in die Formel 1 zu kommen. Ist das richtig?"
Mallya: "Ich kenne Bernie seit vielen Jahren. In die Formel 1 eingebunden bin ich schon seit 1995, als ich als Sponsor bei Benetton angefangen habe. Ich kenne mich im Fahrerlager aus und weiß, wie dieser Sport funktioniert. Ich hatte eigentlich nicht die Absicht, ein Team zu kaufen. Ich war Sponsor von Toyota, und die Tatsache, dass wir noch einen Vertrag für 2008 hatten, spricht für sich selbst. Aber dann kam die Gelegenheit, Spyker zu kaufen."

"Für mich war ganz klar, nur ein Team zu kaufen, dass auch selbst Konstrukteur ist. Denn Teams, die nicht selbst ihr Auto bauen, haben nur noch zwei Jahre vor sich, 2008 und 2009, und können ab 2010 nicht mehr an der WM teilnehmen. Unser Team ist eines von vielleicht nur zwei Unabhängigen, die es in der Formel 1 noch gibt. Die anderen Großen sind alle Automobilhersteller."

"Für mich war ganz klar, nur ein Team zu kaufen, dass auch selbst Konstrukteur ist." Vijay Mallya

Frage: "Sie haben dann also begonnen, über den Kauf nachzudenken."
Mallya: "Es war eine einmalige Gelegenheit. Ich habe es abgewogen gegen den ökonomischen Boom in Indien und den demografischen Daten dort. Es gibt 400 Millionen Menschen unter 18 Jahren. Ich habe es auch vor dem Hintergrund der großen Popularität von Cricket gesehen. Die jungen aufstrebenden und erfolgreichen Inder mögen Cricket, aber alle anderen auch. Es ist ein Spiel für die Massen. Deshalb suchen viele Menschen in Indien nach einem elitäreren Sport mit mehr Glamour und Aufregung."

"Das erfüllt die Formel 1 wunderbar. Deshalb habe ich gedacht, es wäre eine gute Gelegenheit, ein indisches Team in der Formel 1 zu haben. Das würde viel Unterstützung und Leidenschaft hervorrufen und auch für Werbe-Interesse sorgen. Nicht nur im Land selbst, sondern noch mehr bei internationalen Unternehmen, die in Indien Geschäfte machen wollen. So kam es dazu, dass ich gemeinsam mit der Mol-Familie das Team gekauft habe."

Im Winter alles umgekrempelt

Frage: "Wie ging es dann weiter?"
Mallya: "Wir hatten eigentlich nur vier Monate Zeit, denn wir haben effektiv ja erst nach dem Rennen in Brasilien die Kontrolle übernommen. Wir haben über den Winter sehr, sehr hart gearbeitet. Es gab viele Dinge auszusortieren, denn es war natürlich ein Team, das nicht konkurrenzfähig war. Wenn mich jemand nach unseren Zielen gefragt hat, dann habe ich gesagt, 2008 sollten wir zeigen, dass wir uns verbessern können, 2009 dann hoffentlich Punkte holen und 2010, wenn der indische Grand Prix startet, aufs Podium fahren. Ich bin sehr zufrieden, wie es im Moment voran geht. Wir kämpfen jetzt im Mittelfeld mit und fahren richtig Rennen. Es ist ein schönes Gefühl, auch mal in den Top-10 zu sein. Aber es liegt noch ein langer Weg vor uns, da geben wir uns keinen Illusionen hin."

"Es liegt noch ein langer Weg vor uns, da geben wir uns keinen Illusionen hin." Vijay Mallya

Frage: "Sie haben zwei ganz unterschiedliche Fahrer. Adrian Sutil, einen jungen, noch unerfahrenen mit vielleicht großem Potenzial, und den Routinier Giancarlo Fisichella. Wie beurteilen Sie bislang Sutils Leistungen?"
Mallya: "Er macht einen großartigen Job und ist sehr talentiert. Es ist schade, dass er bislang noch nicht wirklich Glück hatte. Aber wenn man in der Formel 1 am Ende des Feldes startet und versucht, in der ersten Runde so viele Plätze wie möglich gutzumachen, sind Unfälle in der ersten oder zweiten Kurve nicht ungewöhnlich. Die Formel 1 ist unvorhersehbar. In Barcelona sind zum Beispiel auch Alonso oder Kovalainen ausgeschieden. Das erwischt auch die Großen. Ich habe großes Vertrauen in Adrian."

Frage: "Und was ist mit Fisichella?"
Mallya: "So jemanden wie ihn hat das Team gebraucht. In den letzten Jahren hatten wir Youngster, die talentiert waren, aber nicht genug Rückmeldung gaben oder ihre Erfahrungen an die Ingenieure weitergeben konnten, um ein besseres Auto zu bauen. Fisi hat diese dringend benötigte Erfahrung ins Team gebracht und damit großen Anteil an den jüngsten Verbesserungen."

Frage: "Sind Sie ein bisschen überrascht, dass Sutil an den ersten Rennwochenenden immer langsamer als Fisichella war?"
Mallya: "Nein. Er lernt noch, er wird besser werden. Fisichella hat 200 Grand Prix gefahren, Adrian ungefähr ein Zehntel davon. Alle reden über Lewis Hamilton. Der ist ein Protege von McLaren-Mercedes seit vielen, vielen Jahren. Er hat viele hundert Stunden im Simulator trainiert, bevor er in die Formel 1 kam. Ich muss Adrian viel Zeit geben."

Keine echte Chance für Ralf Schumacher

Frage: "Unter den zahlreichen Fahrern, die Ende letzten Jahres für Ihr Team getestet haben, war auch Ralf Schumacher. War es nie ein Thema, dass er möglicherweise das zweite Cockpit bekommt, anstelle von Fisichella?"
Mallya: "Nein, darüber haben wir nicht gesprochen. Ich hatte ihm angeboten, mal unser Auto anzuschauen. Das hat er gemacht, und ich war glücklich darüber."

Frage: "Haben Sie seinen Einstieg in die Deutsche-Tourenwagen-Masters (DTM) verfolgt?"
Mallya: "Nein. Die DTM ist in Indien nicht sehr populär und wird dort nicht übertragen."

"Wenn ich irgendwann einmal Grund habe, stolz zu sein, dann hat jedes Mitglied des Teams Grund dazu." Vijay Mallya

Frage: "Sie haben den indischen Grand Prix angesprochen. Er ist für 2010 geplant..."
Mallya: "Ja, die Leute, die die Rechte erworben haben, haben das nötige Gelände, sie haben offensichtlich die nötige Gebühr an Bernie Ecclestone bezahlt, sie haben die Genehmigung. Jetzt werden sie die Strecke bauen, Hermann Tilke wird sie entwerfen. Wir alle sind gespannt auf 2010."

Frage: "Sind Sie auch persönlich in die Planungen involviert?"
Mallya: "Ich bin Vorsitzender des indischen Verbandes. Damit ist es natürlich in meinem Interesse, den Motorsport zu fördern, die Formel 1 ganz besonders. Das Projekt umfasst aber nicht nur eine Rennstrecke, sondern auch viele kommerzielle Entwicklungen im Umfeld. Ich bin sicher, dass man erfolgreich sein wird."

Frage: "Wie waren die ersten Reaktionen der Inder auf Ihr eigenes Team?"
Mallya: "Fantastisch. Wir haben Rekordzahlen bei den Besuchen unserer Website, Rekordzahlen bei den Fanclub-Mitgliedern und ein außerordentliches Interesse der Medien."

Frage: "Sie sind ein sehr erfolgreicher Geschäftsmann und engagieren sich jetzt auch noch im Motorsport. Gibt es noch einen Traum, den Sie sich einmal erfüllen wollen?"
Mallya: "Eigentlich nicht. Ich habe Glück gehabt, ich war erfolgreich mit dem, was ich getan habe. Und jetzt hoffe ich, genau so erfolgreich in der Formel 1 zu sein, dass wir unsere gesteckten Ziele erreichen. Das ist eine Aufgabe des ganzen Teams, nicht meine persönliche. Ich baue kein Auto, ich fahre auch keins. Wenn ich irgendwann einmal Grund habe, stolz zu sein, dann hat jedes Mitglied des Teams Grund dazu."