• 22.07.2007 12:22

"Lewis Hamilton schrie wie am Spieß"

Der WM-Spitzenreiter hat seinen ersten schweren Unfall im Formel-1-Boliden unverletzt überstanden, auch wenn er ihn zunächst sichtbar mitgenommen hatte

(Motorsport-Total.com/sid) - Von Wolke sieben fast in die Hölle und wieder zurück: Überflieger Lewis Hamilton hat nach einer bislang geradezu märchenhaft verlaufenen Karriere erstmals auch in die Abgründe der Formel 1 geblickt.

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton

Lewis Hamilton wurde nur zur Sicherheit im Helikopter zum Check geflogen

Ein schwerer Unfall hätte den 22-Jährigen fast aus allen WM-Träumen gerissen. Erst nach knapp 20 Stunden zwischen Hoffen und Bangen und einer unruhigen Nacht erhielt der Brite grünes Licht für einen Start beim Großen Preis von Europa auf dem Nürburgring. "Wenn nur irgendein Risiko bestanden hätte, wären wir das sicher nicht eingegangen", sagte Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug, dem die Erleichterung anzumerken war.#w1#

Hamilton hatte am Samstag den schwersten Unfall seiner noch jungen Karriere wie durch ein Wunder unverletzt überstanden. Der "Silberpfeil"-Pilot hatte fünf Minuten vor Ende des Qualifyings im heute vor dem Rennen auf den Namen 'Schumacher-S' getauften Streckenabschnitt bei Tempo 230 die Kontrolle über sein Auto verloren.

Danach flog der WM-Spitzenreiter förmlich über ein Kiesbett und krachte nach Mercedes-Angaben mit 120 km/h in einen Reifenstapel. Wie sich erst später herausstellte, war eine nicht ordnungsgemäß befestigte Schraubenmutter am rechten Vorderrad für den Unfall verantwortlich. Bei dem Einschlag musste Hamiltons Körper Fliehkräfte von 30 g aushalten, das entspricht dem 30-fachen des eigenen Körpergewichts.

Ohne das seit einigen Jahren vorgeschriebene HANS-System, das Kopf und Nacken der Rennfahrer bei derartigen Unfällen besonders schützt, hätte Hamilton durch den so genannte Peitschenhieb-Effekt beim Aufprall vermutlich einen Genickbruch erlitten. Entscheidenden Anteil an der Entwicklung von Schutzengel HANS hatte seinerzeit übrigens Hamiltons Arbeitgeber Mercedes-Benz. Auch BMW-Pilot Robert Kubica überlebte den Horror-Unfall in Montreal nur dank HANS. Die Fliehkräfte bei diesem Einschlag betrugen 28 g.

Wie brutal der Crash von Hamilton wirklich war, ist auf Bildern zu sehen, die von der Inboard-Kamera des Pay-TV-Senders 'Premiere' aufgezeichnet wurden. Hamiltons Silberpfeil bohrte sich gut einen halben Meter über dem Boden in die Reifenstapel.

Unmittelbar nach dem Aufprall trommelte Hamilton deutlich sichtbar mit den Beinen sekundenlang auf den Boden des Cockpits. Die Begründung lieferten 'Premiere'-Reporter, die auch den entsprechenden Ton dazu hörten: "Hamilton hat geschrien wie am Spieß, entweder vor Schmerzen, vielleicht stand er aber auch unter Schock."

Nach der medizinischen Erstversorgung im Medical Center an der Strecke wurde Hamilton mit dem Hubschrauber nach Koblenz geflogen. Mit an Bord waren sein Vater Anthony, ein Physiotherapeut und ein Teamarzt. Im Bundeswehr-Krankenhaus wurde sicherheitshalber eine Computer-Tomographie gemacht.

Nach seiner Rückkehr ins Fahrerlager gab Hamilton selbst Entwarnung: "Ich habe absolut keine Schmerzen und bin soweit okay." Nach einem Gespräch mit seinem Fahrer stand für McLaren-Teamchef Ron Dennis schon am Abend fest: "Lewis wird fahren, kein Zweifel."

Auf die Bestätigung mussten Dennis und das gesamte Team aber bis Sonntagmorgen warten. Gegen 10:00 Uhr gab Gary Hartstein, der Rennarzt des Automobil-Weltverbandes FIA, Hamilton grünes Licht. Zuvor hatte der Brite alle erforderlichen Tests bestanden. "Alle Untersuchungen wurden mit größter Sorgfalt vorgenommen, und Lewis erhielt die Bestätigung, dass er rundum einsatzfähig ist. Wir alle freuen uns, dass der Unfall ein so positives Ende genommen hat", sagte Haug dem 'sid'.

Auch Rekord-Weltmeister Michael Schumacher, der bei einem ähnlichen Unfall 1999 in Silverstone einen doppelten Beinbruch erlitten hatte und sechs Rennen pausieren musste, war direkt nach dem Unglück vor Ort geschockt. "Ich kann nur hoffen, dass Lewis nichts Schlimmes passiert ist´, sagte der Ferrari-Berater.

Minutenlang war Hamilton von den Ärzten am Unfallort betreut worden, bevor er dann im Krankenwagen zunächst ins Medical Center gefahren wurde. Noch auf der Trage liegend winkte der Brite den Fans zu und streckte den rechten Daumen nach oben, um zu signalisieren, dass er keine ernsthaften Verletzungen erlitten habe.

Das drohende Unheil deuteten Live-Bilder aus der Inboard-Kamera aus Hamiltons Boliden fünf Minuten vor Ende des Qualifyings an. Plötzlich stieg Qualm vom rechten Vorderrad auf, dann ging alles blitzschnell: Der Reifen knickte weg, der Fahrer war nur noch Passagier.