• 18.07.2004 17:19

Lauda: "Qualität des Rennens derzeit nicht hoch"

Niki Lauda im Interview über die Probleme der Formel 1, die Dominanz Ferraris, Ralf Schumachers Wechsel und mehr

(Motorsport-Total.com) - Der dreifache Weltmeister Niki Lauda steht Max Mosleys Reformplänen sehr skeptisch gegenüber und sieht die Formel 1 insgesamt auf keinem guten Weg. Ferrari hat für ihn eine Perfektion wie noch nie ein Team zuvor erreicht. Ralf Schumacher als neuer Toyota-Fahrer ist für den 55-jährigen Wiener eine logische Konsequenz, daneben tut sich der Ex-Teamchef von Jaguar schwer, der Formel 1 derzeit gute Seiten abzugewinnen.

Titel-Bild zur News: Heinz Prüller und Niki Lauda

Niki Lauda ist von der Formel 1 im Moment nicht gerade begeistert

Frage: "Haben Sie die Überlegenheit von Michael Schumacher und Ferrari in diesem Ausmaß erwartet?"
Niki Lauda: "Dass die Dominanz derartig ausfällt und noch dazu keine Gegner da sind, nicht. Da gibt es nur noch BAR-Honda und Renault bis zu einem gewissen Grad, die Ferrari zusetzen."

Frage: "Woher kommt die Überlegenheit?"
Lauda: "Perfektion eines Teams in allen Richtungen. Richtiger Fahrer im richtigen Auto, das richtige Team - alle top motiviert, alle ziehen an einem Strang, keine internen Probleme. Perfekte technische Leistungen - es gab bisher kein Rennauto, dass so lange ohne technische Gebrechen unterwegs war."#w1#

"Da ist halt Ferrari derzeit am besten besetzt..."

Frage: "Andere Teams wie McLaren-Mercedes verfügen doch rein von der finanziellen Basis her über nicht weniger Möglichkeiten als Ferrari, und sie sind dennoch weit weg von der Spitze..."
Lauda: "Weil es dort keine derart perfekte Zusammenarbeit innerhalb der einzelnen Abteilungen gibt. Natürlich braucht man eine Menge Geld, um ein solches Programm umzusetzen, aber am Ende entscheiden die Leute, die das Auto bauen und die Fahrer, die damit fahren und siegen sollen. Und da ist halt Ferrari derzeit am besten besetzt."

Frage: "Toyota hätte alle Möglichkeiten und hat jetzt auch noch Mike Gascoyne als Technischen Direktor. Was wird dort passieren?"
Lauda: "Toyota ist als Autobauer, als Konzern in einem tollen Aufwind. Man baut die besten Straßenautos. Man weiß, was man tun muss, um sich im Markt zu behaupten. Was man noch nicht verstanden hat, ist, dass die Formel 1 anders funktioniert. Viele Dinge laufen hier anders als in einem normalen Konzern. In der Formel 1 muss man mit den besten Leuten auf dem schnellsten Weg zum Ziel kommen. Diesen Zeitdruck hat ein Konzern nicht. Wenn das Team nicht von jemandem geführt wird, der die Formel 1 in- und auswendig kennt, wird es noch länger dauern, bis Toyota an die Spitze kommt."

Frage: "Sind die Erfolge von BAR-Honda allein den Michelin-Reifen zuzuschreiben?"
Lauda: "Das Team hat vorhandene Stärken in den einzelnen Bereichen endlich bündeln können, und beide Seiten im Team haben ihr Engagement verstärkt. Die Auswirkungen sieht man jetzt. Die ersten Siege sind sicherlich greifbar nahe."

Frage: "Was ist es in der Formel 1 derzeit am meisten wert anzuschauen?"
Lauda: "Nix."

Lauda bedauert nicht geändertes Qualifying-Format

Frage: "Dann müsste die Show wohl dringend verbessert werden..."
Lauda: "Klar. Das geplante neue Qualifying wäre ein Weg gewesen, es für die Zuschauer interessanter und spannender zu machen. Aber da gab es wieder Querschüsse, und jetzt wird nichts draus."

Frage: "Welche Fahrer neben Michael Schumacher würden Sie mit dem Prädikat exzellent versehen?"
Lauda: "Räikkönen ist - oder war - einer der jungen, aufstrebenden Stars, aber im Moment ist er wohl etwas gehandicapt... Alonso wurde auch hoch gehandelt, jetzt ist aber Teamkollege Trulli der Stärkere. Der Webber verliert langsam von seinem Glanz, weil das Auto nicht gut genug ist. Diese Dinge ändern sich aber schnell. Sato ist im Moment wohl die größte Überraschung, der fährt mit mordsmäßigem Einsatz und lässt sein Talent walten. Der könnte, wenn er konstant wird, ein großer Fahrer werden. Er fordert Button heraus, der selbst eine starke Nummer ist, und das will doch etwas heißen."

Frage: "Würden Sie im technischen Bereich der Formel 1 etwas ändern und, wenn ja, was?"
Lauda: "Die Formel 1 ist in vielen Dingen zu weit gegangen und jetzt kommen die Bemühungen, zurück zu gehen. Sie ist zu technisch geworden. Die Amerikaner machen uns vor, wie man mit weniger Technik spannendere Rennen machen kann. Von den Reglements her wird dafür gesorgt, dass Chancengleichheit besteht. Die Formel 1 in der jetzigen Form wird in den USA nie populär werden, weil die Amerikaner Rennen gewohnt sind, in denen du vor der letzten Runde nicht weißt, wer gewinnen wird."

Formel 1 zu Laudas Zeiten interessanter als heute

Frage: "War die Formel 1 zu Ihrer Zeit als Fahrer (1971 bis 1985) ein besserer Sport als heute?"
Lauda: "Ja. Weil es eine ganz andere Art des Fahrens war. Es war viel mehr Risiko dabei. Die Piloten hatten mehr Respekt vor dem Fahren am Limit. Ich meine, die Persönlichkeitsstrukturen der Fahrer von damals waren ganz anders. Heute steigen sie nach einem Unfall aus dem Auto aus und in den Ersatzwagen ein, sieht man einmal von Ralf Schumachers Crash ab. Aber insgesamt ist das Risiko viel geringer als früher, durch die Steigerung der Sicherheit in den Autos und die Entwicklung der Rennstrecken. Das heißt, es kommt allein auf die Qualität des Rennens an, und die ist derzeit nicht hoch."

Frage: "Sie haben selbst nach einem schweren Unfall wieder zurück ins Cockpit und zum Erfolg gefunden. Trauen Sie auch Ralf Schumacher zu, dass er wieder der Alte wird?"
Lauda: "Absolut. Da sehe ich keine Gefahr. Ralf muss schauen, dass er wieder ganz fit wird. Sobald er das ist, muss er so schnell wie möglich ins Rennauto zurück. Länger warten wäre dann in dieser Situation nur schlecht. Aber ich sehe bei Ralf keine Gründe, warum er nicht wieder ein Siegfahrer sein sollte."

Frage: "Ist Toyota für Ralf die beste Lösung für die Zukunft?"
Lauda: "In der augenblicklichen Situation würde ich sicher meinen: Ja."

Frage: "Was sagen Sie zum letzten großen Vorhaben von Max Mosley als FIA-Präsident, die Autos aus Sicherheitsgründen klar zu verlangsamen?"
Lauda: "Über Sicherheit muss man immer nachdenken, aber man muss auch schauen, den Sport nicht kaputt zu machen. Man kann in Indy nicht die Mauer wegreißen. Solche Unfälle werden wieder passieren. Ich meine, im Vergleich zu früher ist die Sicherheit in der Formel 1 so gut wie nie, was aber nicht heißt, dass man nicht nachdenken sollte. Die Autos braucht man nicht langsamer zu machen. Ich bin mit gleicher Geschwindigkeit zwei Zentimeter neben Leitplanken oder Mauern gefahren."

2,4-Liter-V8-Motoren bringen für die Sicherheit "gar nichts"

Frage: "Ist die angeregte Motorenformel V8, 2,4-Liter der Stein der Weisen?"
Lauda: "Nein. Da dürfen die Hersteller nicht wie bei Straßenautos denken. Wenn du in der Formel 1 gewinnst, hast du ein positives Image, egal ob mit acht oder zehn Zylindern und egal ob das Triebwerk in irgendeiner Form auch in der Serie verwendet wird oder nicht. Ein neuer Achtzylinder im Rennsport kann bis auf ein paar PS an die Leistung eines Zehnzylinders herankommen. Damit werden die Autos nicht langsamer und nicht sicherer, nur teurer wegen neuer Motoren. Man kann über diese Änderung aus Marketinggründen diskutieren, aber nicht wegen der Sicherheit. Das bringt gar nichts."

Frage: "Also halten Sie von den geplanten Reformen nicht viel?"
Lauda: "Nein, weil alles nur politisches Gerede ist. Mosley geht jetzt in Pension, und keiner weiß, was nachher passiert."

Frage: "Wollen Sie FIA-Präsident werden?"
Lauda: (lacht) "Ich bin doch nicht verrückt... Mosley hatte gute und schlechte Seiten, aber er ist ein hoch intelligenter Jurist, und er wusste meist, was zu tun ist. Wenn der jetzt von der ganzen Politik, dem Concorde Agreement und dem Herumstreiten mit den Teams genug hat, dann sagt das ohnehin alles. Man kann einfach nichts mehr durchbringen. Die Formel 1 wird wegen Mosleys Rücktritt nicht zugrunde gehen, aber er ist ein weiteres Indiz dafür, dass vieles in die falsche Richtung geht. Die Formel 1 geht eindeutig bergab."

Frage: "Zu Ihrem Ex-Team Jaguar. Sehen Sie Fortschritte?"
Lauda: "Null! So schlecht wie jetzt waren sie doch noch nie. Teamchef Purnell jammert über das geringe Budget, aber da ist er selbst schuld. Der hat ja den Kürzungen zugestimmt und behauptet, man kann mit dem Budget auskommen. Deshalb hat er ja meinen Job bekommen. Ich sagte damals zu Richard Parry-Jones (Ford-Vizepräsident für Rennsport; Anm. d. Red.), ich kann minus zehn Prozent für ein Jahr akzeptieren, aber danach muss es wieder mehr Geld geben. Purnell machte es mit einem Budget, das unter hundert Millionen Dollar liegt, und er gewann keinen einzigen neuen Sponsor dazu. Er ist Techniker, aber kein Marketingmann."