• 24.06.2013 20:57

  • von Christian Schrader

Lauda: "Das Regelwerk ist eigentlich eine Katastrophe"

Niki Lauda spricht unter anderem über das Urteil gegen Mercedes, die Reaktionen der Konkurrenz sowie über Probleme bei den Reifen und im Regelwerk

(Motorsport-Total.com) - Nach der öffentlichen Verwarnung und dem Ausschluss vom Young-Driver-Test gegen Mercedes seitens des FIA-Tribunals wehrt sich Aufsichtsrat Niki Lauda gegen die Anschuldigungen von Teilen der Konkurrenz, die Strafe seien zu milde oder es sei sogar überhaupt keine Strafe. Außerdem spricht der Österreicher unter anderem über Red Bull, die "sehr aggressiv auf die ganze Geschichte losgegangen" seien, erklärt, wie er beinahe eine außergerichtliche Lösung herbeigeführt hat, warum das Tribunal auch Entwicklungen "blockiert" habe und welche Regeln "eigentlich eine Katastrophe" sind.

Titel-Bild zur News: Niki Lauda

Allein auf weiter Flur? Niki Lauda möchte zusammen mit allen Teams Lösungen finden Zoom

Die Anschuldigungen der Konkurrenz und von Teilen der Medienlandschaft, dass in Paris gar kein - in Anführungszeichen - richtiges Urteil gesprochen wurde, entgegnend Lauda gegenüber dem 'ORF' mit einem Lächeln: "Es ist ein Urteil", so der 64-Jährige. "Man war bei Gericht und das Urteil ist klar: Es gibt keinen Regelverstoß. Es ist eine Verwarnung, nicht einmal eine gelbe Karte, die dann zu einer roten Karte führen kann", so Lauda weiter. Auch vom Young-Driver-Test Mitte Juli in Silverstone wurden die Stuttgarter ausgeschlossen. Lauda dazu: "Mit dem Urteil können wir absolut leben."

Lauda ist der Meinung, dass es "ein Urteil für den Sport ist". Die Konkurrenz ist der Meinung, dass der Ausschluss vom Young-Driver-Test deswegen ein zu mildes Urteil sei, weil Mercedes bereits den Vorteil hatte, in Barcelona mit Stammpiloten testen zu können. "Red Bull ist sehr aggressiv auf die ganze Geschichte losgegangen, würde ich jetzt einmal sagen", kritisiert Lauda.

Intrigen sind nach Lauda in der Formel 1 üblich

"Alles, was man hineininterpretieren kann, wurde hineininterpretiert. Das ist in der Formel 1 so: Die Schlangengrube und die Intrigen toben immer im Fahrerlager." Das einzig entscheidende, so Lauda, "ist der Ausgang. Das FIA-Tribunal ist ein Sportgericht, was über so einen Fall entscheiden muss - und sie haben ganz klar entschieden."

"Die Schlangengrube und die Intrigen toben immer im Fahrerlager." Niki Lauda

"Es ist kein Regelverstoß", betont Lauda nochmals. "Es ist ein Fingerzeig durch unterschiedliche Auslegungen von unterschiedlichen Reglements", so der dreimalige Formel-1-Weltmeister. Dann fügt er mit einem Seitenhieb gegen Red Bull hinzu: "Es ist eine Entscheidung für den Sport und gegen Intrigen", so Lauda, der hofft, dass "man sich wieder aufs Rennfahren konzentrieren kann."

Was Lauda besonders ärgert: "Red Bull hat gesagt: Die (Mercedes; Anm. d. Red.) haben nur Monte Carlo gewonnen, weil sie die Reifentests gemacht haben. Das stimmt einfach nicht", erklärt er in Bezug auf Nico Rosbergs Sieg im Fürstentum. "Die Reifen waren die gleichen wie vorher, es hat sich überhaupt nichts verändert", so Lauda weiter, der dennoch betont, ein "gutes Verhältnis" zu den Entscheidern bei Red Bull zu haben. Außerdem habe sich Lauda für eine außergerichtliche Einigung eingesetzt, wie er hervorhebt: "Ich habe versucht, in Montreal vor dem Tribunal eine Lösung unter den Teams zu finden."

Eine außergerichtliche Lösung schien möglich

"Ich war sehr nah dran, dass wir eine Lösung untereinander finden, was ja vernünftiger ist wie der Gang vors Gericht. Die Zeit war einfach zu kurz und dann standen wir vor Gericht", beschreibt der Mercedes-Aufsichtsrat die Situation. Auch für die Situation rund um Pirelli und den Reifenproblemen strebt Lauda gemeinsame Überlegungen für Lösungsansätze an. "Dass das Reifenproblem da war, für das eine Team mehr und das andere weniger, ist ganz klar. Jetzt muss man auch eine Lösung für die Zukunft finden. Deshalb glaube ich schon, dass man Lösungen finden kann, wenn man sich an den Tisch setzt und darüber konsequent diskutiert", ist er sich sicher.

Bei dem Ausspruch "Reifenprobleme" bekommen viele Fans spontanes Ohrensausen. Auch Lauda ist das Thema leid. "Um ehrlich zu sein nervt es mich auch", gesteht er. "Ich bin ja nicht nur bei Mercedes mit verantwortlich, sondern ich sehe auch, wie die Rennen ablaufen. Es kann nicht sein, dass man nach drei oder vier Runden schon Reifen wechseln geht. Es ist für keinen Zuschauer mehr nachzuvollziehen", kritisiert der gebürtige Wiener. "Im letzten Jahr hatten wir zwei Stopps, das ist für mich genau der richtige Weg", so Lauda weiter.

"Im letzten Jahr hatten wir zwei Stopps, das ist für mich genau der richtige Weg." Niki Lauda

Die Zuschauer können dann besser schauen und auch im letzten Drittel verfolgen, wer gewinnen kann. Dazu brauchst du zwei Stopps oder maximal einen dritten, aber sicher keine vier. Sonst ist man am Schluss überrascht, dass jemand anders vorne ist, mit dem man nicht gerechnet hat. Dieses Problem wurde leider nicht gelöst", kritisiert Lauda und fügt hinzu, dass durch die langen Verhandlungen in der Weiterentwicklung der Reifen kein Fortschritt gemacht werden konnte: "Jetzt wurde wieder alles durch dieses Tribunal blockiert."

Probleme mit den Reifen in Silverstone?

"Wenn es in Silverstone richtig heißt ist - was auch mal passieren kann, meistens regnet es und es ist kalt - wird das Problem mit den vielen Boxenstopps wahrscheinlich weitergehen", prophezeit Lauda für den Großen Preis von Großbritannien am kommenden Wochenende (28. bis 30. Juni 2013). "Das muss man in den Griff bekommen", fordert er. Zudem glaubt er, "dass die ganze Geschichte der Formel 1 generell schadet, natürlich auch Pirelli. Die haben natürlich auch ein Interesse an ihrem Produkt - was ohne Frage gut ist, weil sie gute Reifen machen können, die gut funktionieren, wenn sie die richtige Mischung haben", so Lauda weiter.

"Es gibt eine Regel, die ich überhaupt nicht mehr verstehe: Wenn man Pirelli sagt, dass man eine andere Gummimischung fahren möchte, weil wir der Meinung sind, dass die besser für uns, die Autos und für alle ist, dann kann man die nur ändern, wenn alle anderen Teams zustimmen", erklärt Lauda, der das Problem dabei umgehend nennt: "Einer sagt immer nein." Zu dieser Thematik hat er eine klare Meinung: "Das Regelwerk, in dem wir uns befinden, ist eigentlich eine Katastrophe. Ich werde versuchen, mit allen Beteiligten wieder darüber zu reden, damit man da eine Lösung findet."

"Das Regelwerk, in dem wir uns befinden, ist eigentlich eine Katastrophe." Niki Lauda

Lauda wünscht sich wieder richtiges Racing

Von den aktuellen Reifen "haben Lotus und Ferrari - in manchen Rennen - am meisten profitiert", so Lauda. "Warum? Weil sie ein reifenschonendes Auto haben. Am meisten gelitten hat Sebastian (Vettel; Anm. d. Red.) mit seinem Red Bull, der ein Rennen lang langsam fahren musste, damit er überhaupt über die Distanz kommt. In Montreal war Vettel wieder da, wo er hingehört, weil er das beste Auto hat und er der beste Fahrer ist", so Lauda, der sich wieder richtiges Racing wünscht.

"In Wirklichkeit kann es nur darum gehen: Dass die Rennfahrer mit ihren Autos volle Pulle fahren können und am Schluss der Bessere gewinnt. Wenn man gegen die Reifen fährt und nicht gegen den Konkurrenten, dann stimmt irgendwas nicht." Mit dem Thema Reifen wird man sich - wohl oder übel und trotz Ohrensausen - noch länger beschäftigen müssen...