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  • 22.05.2015 13:50

  • von Ryk Fechner

Kundenautos: Unterschätzen Formel-1-Teams die Folgen?

Dem Ruf nach Kundenautos in der Formel 1 folgt die Mahnung zur Vorsicht: nebst einer Zweiklassengesellschaft droht das Ausbleiben von Sponsoren

(Motorsport-Total.com) - Auch 2015 ist das Bild in der Formel 1 mit Blick auf die Kosten kein anderes als zuvor: Technik, Ingenieure, Antrittsgebühren, Regeländerungen sind alles Dinge, die die Ausgaben für Teams in immer astronomischere Höhen schnellen lassen, während die Sponsorensuche sich immer schwieriger gestaltet. Abhilfe, wie Kostenobergrenzen scheitern immer wieder und Kostendeckelungsmaßnahmen, wie die Einführung eines Kundenautos für kleine Teams, stoßen auf den Widerstand der führenden Mannschaften. Aber ist das Kundenchassis wirklich ein Allheilmittel?

Titel-Bild zur News: Franz Tost, Vijay Mallya, Monisha Kaltenborn, Eric Boullier, Claire Williams

Bei Toro Rosso, Sauber und Force India sieht man Kundenautos auch kritisch Zoom

Davon geht zumindest Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost nicht aus. Seine Mannschaft entwickelte zwischen 2006 und 2009 mit verjährte Red-Bull-Chassis in Eigenregie weiter. Gegenüber 'FormulaSpy.com' teilt er seine Einschätzung mit: "Ich will nur sagen, dass einige Teams die Kosten eines Kundenautos unterschätzen, da die Topteams momentan auf Technologie- und Kostenseite auf einem so hohen Level arbeiten."

"Einige Teams, die an Kundenautos interessiert sind, wären wohl überrascht, wie teuer sie sind." Zudem gebe es für Toro Rosso gerade keinen Grund, mit einem Kundenauto anzutreten, da das eigene Paket konkurrenzfähig sei. Die Donnerstagsleistung der beiden Toro-Rosso-Piloten in Monaco, unter anderem mit Rang zwei für Max Verstappen im ersten Freien Training, bestätigte dies.

Kundenchassis macht Sponsorensuche fast unmöglich

Auch bei Sauber und Force India, die neben Lotus im Februar als Protagonisten für eine gemeinsame Entwicklungsplattform kleinerer Mannschaften auftraten, sind kritische Stimmen zu hören. Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn sprach gegenüber 'Autosport' von einem "gefährlichen Weg", würde man in der Königsklasse den Schritt Richtung Kundenautos wagen. Kleinere Mannschaften wären dann von den Entwicklungen der Topteams abhängig.

Was ihrer Ansicht nach bisher vergessen wurde: "Bei der Sponsorensuche muss man dann sagen: 'Wenn du dich auf dieses Konzept einlässt, wirst du mit einem Team zusammenarbeiten, das in den folgenden Saisons nie auf dem Podium landen wird'. Das ist unmöglich." Sie zitiert ihren Kollegen Rob Fernley, Teamchef bei Force India: "Er hat das sehr schön ausgedrückt, als er meinte, dass man Leute haben wird, die im Wettbewerb stehen und Leute, die einfach teilnehmen." Eine Zweiklassengesellschaft, die nach Ansicht von Kaltenborn dazu führe, dass das Feld weiter auseinanderdriftet und die Spannung im Rennen geringer wird.

Der Annahme der Kostendeckelung, durch den Aufkauf einer fremden Konstruktion, weicht verschiedenen weiteren Befürchtungen. "Was ist, wenn ein großes Team oder ein Hersteller sich dazu entschließen, (den Sport; Anm. d. Red) zu verlassen, wie wir es vor ein paar Jahren hatten? Was bleibt dann übrig?", spielt Kaltenborn darauf an, dass folglich einem kleineren Team so der Chassis-Konstrukteur abhandenkommen könnte.


Fotostrecke: Legendäre Formel-1-Teams a. D.

Was, wenn das Kundenchassis schlecht funktioniert?

Schlimm sei auch, dass eigene Fahrzeugentwicklungen nur noch eingeschränkt möglich seien, da man die Entwicklungsabteilung auf ein Minimum reduziere oder gar ganz einstampfe. Um wirklich Kosten niedrig zu halten, schlägt Kaltenborn vor, die geplanten Tankstopps für 2017 zu überdenken. Sicherheitsgründe und Kosten für die schweren Tankanlagen hatten dafür gesorgt, dass man seit 2010 wieder mit vollgetanktem Boliden an den Start gehen muss.

"Ich lese im Pressebericht (der FIA; Am. d. Red.), dass es immer noch ein Bekenntnis zur Kostenersparnis gibt", beschwert sich die Österreicherin. "Also frage ich mich, über diesen Widerspruch", so Kaltenborn abschließend.