• 08.12.2008 01:03

  • von Roman Wittemeier

Kubica: "Möchte nicht in Buttons Haut stecken"

Robert Kubica im Exklusiv-Interview über den Honda-Rückzug, die Flügel-Probleme und das eigene Alter: "Bin sehr schnell erwachsen geworden"

(Motorsport-Total.com) - Robert Kubica hat gestern Geburtstag gefeiert. Der Pole wurde 24 Jahre alt und genoss seinen Ehrentag mit einem besonderen Geschenk von BMW. Zwar servierte man dem Formel-1-Piloten die standesgemäße Torte, doch freute sich Kubica in typischer Manier über etwas ganz anderes noch viel mehr. Im Rahmen des Formel BMW Weltfinales in Mexiko City dufte der Pole ordentlich Gas geben und Spaß haben. Das Team setzte ihn in den ehemaligen Le-Mans-Boliden, den er nach Herzenslust um das "Autodromo Hermanos Rodriguez" jagen dürfte. Als der Formel-1-Star freudestrahlend aus dem BMW V12 LMR ausgestiegen war, erzählte er im Interview mit 'Motorsport-Total.com' über sein Alter, seine Sicht der neuen Regeln und die Finanzkrise.

Titel-Bild zur News:

Robert Kubica feierte am Sonntag seinen 24. Geburtstag in Mexiko City

Frage: "Robert, erst einmal alles Gute zu deinem Geburtstag. Du bist nun 24 Jahre alt. Siehst du dich als ein junger Pilot, oder schon als erfahrener Fahrer in der Formel 1?"
Kubica: "Ich denke wohl, dass ich mich als erfahrenen Fahrer sehen kann. Natürlich kann man nie genügend Erfahrung haben. Je mehr du davon hast, umso besser. Sicherlich sind 24 Jahre nicht alt, aber ich fahre schon seit so vielen Jahren. Ich bin mit 15 Jahren allein in Italien sehr schnell erwachsen geworden. Ich fühle mich sozusagen älter als ich bin. Das ist gut so. Je schneller du erwachsen wirst und je schneller du Erfahrung sammelst, umso besser ist das für dich, dein Leben und deine Leistung auf der Strecke."#w1#

Frage: "Spreche ich also mit einem 30-Jährigen?"
Kubica: "Nein, das nun auch nicht gerade. Ich habe im Alter von vier Jahren mit dem Rennsport angefangen, fahre nun also schon seit 20 Jahren. Ich kann schon sagen, dass ich darüber sehr glücklich bin. Ich habe schon unwahrscheinlich viele Kilometer auf dem Buckel - und das im Alter von 24 Jahren. Ich habe sehr viel Erfahrung mit verschiedenen Autos, in verschiedenen Serien und Meisterschaften, bin auch schon gegen viele verschiedene Piloten anngetreten."

"Jeder Tag kann dir neue Erfahrungen, neue Informationen bringen." Robert Kubica

Frage: "Bist du schon mit 24 Jahren ein rundum glücklicher Mensch?"
Kubica: "Ja, das kann man wohl sagen. Es wäre doch komisch, wenn es mit zunehmender Erfahrung schlechter würde. Das gilt doch für alle Menschen, also auch für Rennfahrer: Jeder Tag kann dir neue Erfahrungen, neue Informationen bringen. Das ist doch positiv. Das ist doch so dermaßen wichtig für deine gesamte Entwicklung im Kopf."

Das Kleid der Rennwagen: Slicks

Frage: "Im Hinblick auf die kommende Saison müssen die Teams wegen der Regeländerungen viel Arbeit leisten. Gehst auch du als Pilot das kommende Jahr anders an?"
Kubica: "Nein, eigentlich nicht. Wir haben ja immer Veränderungen im Reglement oder im Team gehabt - sicherlich nicht immer so tiefgreifend, aber es gab immer welche. Zum Jahr 2007 mussten wir uns zum Beispiel an neue Reifen gewöhnen. Wir mussten also im Winter herausfinden, wie wir unser Auto und den Fahrstil anpassen müssen und so etwas. Im Winter vergangenen Jahres waren dann die ganzen elektronischen Hilfen weg, also Traktionskontrolle und Motorbremse. Auch da war die Anpassung über den Winter für uns Piloten sehr wichtig. In diesem Jahr haben wir gleich drei große Änderungen. An der Spitze steht die Aerodynamik, da geht uns einfach ein großer Prozentsatz an Abtrieb verloren. Das macht das Auto erst einmal langsamer und es rutscht viel mehr."

"Wir bekommen durch die Slicks viel Grip hinzu, wodurch ungefähr die Hälfte der verlorenen Haftung wieder wettgemacht wird. Die Slicks bieten einfach mehr Grip, mehr Stabilität, mehr Potenzial insgesamt. Und dann kommt auch noch KERS. Ich habe damit kaum Erfahrung, bin es bisher nicht gefahren. Die Wintertests sind aus meiner Sicht daher sehr wichtig. Dabei geht es aber weniger um uns Fahrer, sondern vielmehr um die Ingenieure. Wir müssen gemeinsam mit denen eine Richtung bestimmen, in welche man dann gehen will. Das ist besonders wichtig, um das Maximum aus den neuen Reifen herauszuholen und dann mit diesem Wissen gut in die Saison zu kommen."

"Die Slicks machen mehr Spaß. Das sind eben echte Rennreifen." Robert Kubica

Frage: "Die Slicks sind endlich zurück. Ist das für dich als Racer ein Segen?"
Kubica: "Ja, auf jeden Fall. Als ich vier, fünf oder sechs Jahre alt war, habe ich als Kind immer sofort erkannt, dass alle Rennautos Slickreifen haben. Ich sag es mal so: Wenn du dein Haus verlässt, hast du mindestens ein T-Shirt an. Du ziehst auf jeden Fall irgendetwas an und gehst nicht nackt vor die Tür. Meine Sicht auf einen Rennwagen war ähnlich - die tragen eben immer Slicks. Jetzt haben wir für einige Jahre die Rillenreifen verwendet. Hauptsächlich wollte man damit ja die Autos einbremsen, die sonst unglaublich viel schneller gewesen wären."

"Die Slicks machen mehr Spaß. Das sind eben echte Rennreifen. Mit Bridgestone als einzigem Lieferanten haben wir keinerlei Wettbewerb in diesem Bereich. Die Reifen werden nicht mehr auf das allerhöchste Gripniveau entwickelt, wie das 2006 mit Bridgestone und Michelin mal war. Das war unglaublich. Man hat so viel Aufwand betrieben, ständig getestet, weil die Reifen einfach den großen Unterschied ausmachten. Jetzt ist das vorbei. Du bekommst jetzt einen Reifen und musst zusehen, dass du dein Auto passend darauf abstimmst."

Überholen wirklich leicht gemacht?

Frage: "Ihr müsst euch auch an die neuen, gewaltig großen Frontflügel gewöhnen. Welchen Unterschied macht der beim Fahren aus?"
Kubica: "Er sieht furchtbar aus. Beim Überfahren von Kerbs macht uns der Flügel keine Probleme. Ich kann schlecht abschätzen, wie sich das neue Teil allein auswirkt. Ich habe ihn immer gleich im ganzen Paket gefahren. Ich war in einer Konfiguration unterwegs, wo auch der neue Heckflügel montiert war und alle Zusatzleitbleche abgeschraubt waren. Ich hatte aber den Eindruck, dass der neue Frontflügel von seiner Charakteristik sehr gut ist. Der funktioniert scheinbar sehr stabil. Das ist sehr wichtig. Es ist nie gut, wenn die Wirkung des Flügels zu sehr von Nickbewegungen des Fahrzeugs abhängt, also wenn ich zum Beispiel stark in die Bremsen gehe. Der neue Flügel scheint wirklich konstanten Abtrieb zu erzeugen."

Frage: "Ihr könnt am Frontflügel während der Fahrt um bis zu sechs Grad justieren. Hast du die verstellbaren Elemente ausprobiert?"
Kubica: "Ja, ich habe das in Barcelona gestestet. Das war aber eher ein Funktionstest, es ging dabei weniger um die Wirkung an sich. Aber man spürt das schon, wenn man das verstellt. Da spürt man wirklich jedes halbe Grad."

Geburtstagsausflug in Mexiko City: Robert Kubica im BMW V12 LMR Zoom

Frage: "Wird genau dies das Überholen wirklich vereinfachen?"
Kubica: "Nein! Ich glaube nicht daran. Das reicht einfach nicht, um das Überholen wirklich einfacher zu machen. Zumindest nicht so einfach, wie man sich das vielleicht vorstellt. Der einzige Überholpunkt in der Formel 1 ist nun einmal die Bremszone und die ist nicht allzu groß. Wenn du also einen Bremsbereich von 30 oder 40 Metern hast und du folgst einem Kontrahenten, dann musst du eigentlich sechs oder sieben Meter später bremsen können, um es zu packen. Das bedeutet, dass du ja 20 Prozent der Bremszone später dran sein müsstest. Das ist unmöglich!"

Frage: "Wenn die verstellbaren Elemente dem Überholen nicht dienen - wie wird man sie dann einsetzen?"
Kubica: "Das müssen wir bei den Wintertests noch herausfinden. Man darf es pro Runde ja nur zwei Mal verstellen. Vielleicht wird man das in einigen Kurven benutzen, wo man mehr Untersteuern hat. Vielleicht gibt es auch ab und zu mal einen Sektor, wo man ein bisschen mehr Frontflügel gebrauchen kann. Eventuell benutzt man es auch auf langen Geraden, um den Luftwiderstand zu verringern. Da muss man sich den Effekt erst einmal anschauen, ob das überhaupt einen Vorteil bringt. Im Moment haben wir noch zu wenige Informationen und Daten diesbezüglich."

Frage: "Können sich damit richtige taktische Spielchen ergeben?"
Kubica: "Nein, ich glaube eher nicht. Als die Regel eingeführt wurde, dass wir beide Reifenmischungen im Rennen verwenden müssen, haben auch alle geglaubt, dass es solche taktischen Spielchen geben könnte. Man war der Meinung, dass man wohl mit weichen Reifen besser überholen könnte. Daher dachten alle, dass manche auf weichen und andere auf harten Reifen starten würden. Aber letztlich war das gar nicht so. Wenn man sich 80 Prozent der Spitzenleute annschaut, waren die doch fast immer auf den gleichen Mischungen unterwegs. Ferrari hat manchmal etwas anderes gemacht. Deren Auto war wohl besser mit den weichen Reifen, daher haben sie ab und zu mal eher die weichen Reifen benutzt. Ich glaube, dass sich letztlich nur wenig ändert."

Der heftige Honda-Schock

Frage: "Die finanzielle Krise hat die Formel 1 vor wenigen Tagen erschüttert. Wie hast du reagiert, als du vom Honda-Rückzug gehört hast?"
Kubica: "Das war für mich wirklich eine große Überraschung - schon ein kleiner Schock. Niemand hatte doch erwartet, dass so etwas Honda passieren könnte. Von außen betrachtet, haben sie immer den Eindruck vermittelt, ein stabiles Team mit einem großen Budget zu sein. Sie haben halt seit einigen Jahren sportliche Probleme gehabt. Im Grunde haben sie aber alles, was ein Topteam braucht. Dass ein Team wie Honda im Dezember ankündigt, in Melbourne nicht am Start zu sein, ist wirklich schockierend. Jetzt gibt es natürlich leichte Verwirrung bei den anderen Teams. Es ist nicht gut für die Formel 1, wenn so etwas passiert. Wenn es einem solch großen Team passiert, dann zeigt das deutlich, wie groß die Auswirkungen der weltweiten Wirtschaftskrise tatsächlich sind. Meiner Meinung nach müssen wir jetzt sehr schnell reagieren und zum Beispiel die Tests weiter einschränken. Wir müssen die Kosten ganz bestimmt dramatisch senken."

"Ich denke, dass die meisten Teams gerne jemanden wie Button als Fahrer hätten." Robert Kubica

Frage: "Wie wird sich dein Kollege Jenson Button jetzt wohl fühlen?"
Kubica: "Ich möchte nicht in seiner Haut stecken. Ich glaube aber, dass er einen Platz finden wird. Es ist natürlich jetzt schon sehr spät, also könnte es auch schwierig werden. Ich denke aber, dass die meisten Teams gerne jemanden wie Button als Fahrer hätten. Vielleicht wird Honda ja unter anderem Namen antreten, wenn sich ein Käufer findet. Für euch Journalisten ist das doch ganz gut. Ihr habt trotz der müden Phase im Winter immer etwas zu schreiben. Ihr könnt über mögliche Kaufinteressenten berichten, über Buttons weiteren Weg und die Frage, wer wohl sein Teamkollege wird..."