• 26.08.2010 23:05

  • von Dieter Rencken

Kovalainen: "Wir sollten Rennen fahren dürfen"

Lotus-Fahrer Heikki Kovalainen über die Aussichten seines Teams in Spa, die Kiesbetten von Belgien und den schwierigen Job der Rennleitung

(Motorsport-Total.com) - Wie für die meisten Rennfahrer, so ist Spa-Francorchamps auch für Heikki Kovalainen ein großes Abenteuer. Der Lotus-Fahrer freut sich schon sehr auf die Ardennen-Achterbahn, die für die Formel 1 eine kleine Zeitreise darstellt: In Spa gibt es noch einige Kiesbetten, die man auf modernen Kursen meist vergeblich sucht. Doch gerade die asphaltierten Auslaufzonen sorgen heute oft für Diskussionen. In seiner Medienrunde spricht Kovalainen ausführlich über diese Anlagen.

Titel-Bild zur News: Heikki Kovalainen

Heikki Kovalainen plädiert dafür, nicht jedes Manöver mit einer Strafe zu ahnden

Frage: "Heikki, wie gefällt dir der Kurs in Spa-Francorchamps?"
Heikki Kovalainen: "Das ist eine richtig tolle Strecke. Vermutlich ist Spa eine der besten Pisten überhaupt. Wenn man sich einen Kurs aussuchen könnte, würde man wahrscheinlich Spa wählen. Diese Strecke zählt zu den Favoriten der Fahrer. Es gibt viele schnelle Kurven und Richtungswechsel bei hoher Geschwindigkeit - genau darum geht es doch."#w1#

Lotus hat die Nase noch vor Virgin

Frage: "Was denkst du: Wie gut wird dein Lotus hier funktionieren?"
Kovalainen: "Ich vermute, wir werden uns in der Gegend einordnen, in der wir schon in den vergangenen Rennen zu finden waren. Hier in Spa kommt unser Paket für wenig Abtrieb zum Einsatz, das vielleicht etwas besser ist als unser Paket für viel Abtrieb."

"Zuletzt hatten wir diese Spezifikation in Kanada am Auto, doch Kanada ist eine ganz andere Strecke als Spa. Wir sind hier vielleicht nicht ganz so gut wie dort. Ich denke, es wird sich wie immer verhalten: Wir werden wieder mit den anderen neuen Teams kämpfen. Der Abstand zur Spitze ist vermutlich gleich geblieben. Wir rechnen jedenfalls nicht mit größeren Veränderungen."

"Ich denke, es wird sich wie immer verhalten: Wir werden wieder mit den anderen neuen Teams kämpfen." Heikki Kovalainen

Frage: "Lotus hat die Entwicklung am Auto eingestellt und Virgin scheint zuletzt etwas aufgeholt zu haben. Teilst du diese Ansicht?"
Kovalainen: "Sie haben vielleicht schon ein bisschen aufgeholt, aber das macht mir keine Sorgen. In Ungarn lagen wir im Rennen komfortabel vor ihnen, obwohl Timo in der Qualifikation vor uns gelandet war."

"Wenn es so sein soll, dann soll es eben so sein. Wir müssen weiterhin unser Bestes geben. Es ist die richtige Herangehensweise für das kommende Jahr, schon jetzt viele Anstrengungen in das Fahrzeug für 2011 fließen zu lassen."

Frage: "In den vergangenen Jahren konnte man die Eau Rouge mit Vollgas durchfahren. Diese Senke hat gewissermaßen etwas an Reiz verloren. Wird das mit vollen Tanks wieder anders sein?"
Kovalainen: "Beim Rennstart schon, vermute ich. Da wird man nun etwas mehr Vorsicht walten lassen müssen."

"Sobald man aber einen Rhythmus gefunden hat, sollte die Eau Rouge selbst mit vollem Tank voll gehen. Es kommt halt darauf an, die richtige Höhe bei den Einstellungen des Fahrwerks zu treffen. Außerdem sollte die Balance passen. Du brauchst Stabilität in den schnellen Ecken und je mehr Grip du hast, umso besser."¿pbvin|512|3053|spa|0|1pb¿

Eau Rouge ist nicht die einzige Herausforderung von Spa

Frage: "Eau Rouge haben wir eben angesprochen - welche Kurven sind in Spa ebenfalls noch von großer Bedeutung für eine schnelle Runde?"
Kovalainen: "Die Kurven im Anschluss an die lange Gerade, Turn 5, Turn 6 und Turn 7, sind sehr wichtig. Pouhon ebenfalls, denn dort sollten die schnellsten Jungs beinahe mit Vollgas durchfahren."

"Für uns wird das nicht funktionieren. Wir müssen stattdessen versuchen, eine gute Balance zu finden - um die Verluste in dieser Passage zu minimieren. Anschließend geht es darum, möglichst viel Geschwindigkeit aus den langsamen Ecken hinaus nach Blanchimont und den Hügel hinauf mitzunehmen. Für uns werden gerade diese Stellen die wichtigsten sein."

"Wir müssen versuchen die Verluste in dieser Passage zu minimieren." Heikki Kovalainen

Frage: "Manche Auslaufzonen wurden verändert, sodass dort nun mehr Kunstrasen statt Gras oder Asphalt zu finden ist. Was bedeutet das für dich als Fahrer?"
Kovalainen: "Das wird wohl nichts ändern. Ich muss aber sagen: Ich war überrascht, als ich es gesehen habe. Wenn du wieder auf die Strecke zurückkehren willst, wird es nun eben etwas rutschiger sein."

"Solange man uns nicht sagt, dass wir dafür eine Strafe kassieren, dürfen wir den Kunstrasen vermutlich in unsere Linie mit einbeziehen. Im Prinzip befindest du dich dann für den Bruchteil einer Sekunde wie auf Eis. Du tust es aber trotzdem. Du nimmst diese Stelle mit und fegst kurz darüber hinweg."

"Davon kannst du unter Umständen sehr profitieren. Am besten wäre es wohl, man würde ein paar Poller einbauen oder Ähnliches. Oder man bestraft derartige Ausflüge, dann würden wir dort nicht herumfahren. Ich bin mir jedenfalls sicher: Wir werden uns in der Fahrerbesprechung noch darüber unterhalten. Wir müssen wissen, was erlaubt ist und was nicht."

"Wir müssen wissen, was erlaubt ist und was nicht." Heikki Kovalainen

"Im Rennen wird der Rennleiter dann jeden Fall einzeln betrachten und anschließend eine Entscheidung treffen. Wenn keine Strafe dafür ausgesetzt ist, werden wir es so lange versuchen, bis wir eine Warnung kassieren. So läuft der Hase nun einmal. Werden die ersten Strafen ausgesprochen, dann werden wir davon Abstand nehmen. Ich denke, da wird man noch einige Male darüber diskutieren."

Wo hört eigentlich die Rennstrecke auf?

Frage: "Sollte es in diesem Zusammenhang eine etwas klarere Verhaltensregel geben? Zum Beispiel in Hockenheim haben sich viele Fahrer dadurch einen Vorteil verschafft, indem sie nach dem Start über den Streckenrand hinausfuhren. Wie stehst du dazu?"
Kovalainen: "Das ist nicht so einfach, denn einige Strecken wurden aus Sicherheitsgründen modifiziert."

"Dadurch kannst du etwas mehr Asphalt nutzen, weil die Kiesbetten von früher nicht mehr da sind. Für die Rennkommissare ist es manchmal recht schwierig, eine Entscheidung zu treffen. Wenn man da das Richtige tun will, muss man sich jeden Fall einzeln vor Augen führen."

"Für die Rennkommissare ist es manchmal recht schwierig, eine Entscheidung zu treffen." Heikki Kovalainen

"Ich kann mich aber nicht darüber beschweren, wie das bisher gehandhabt wurde. So ist es nun einmal. Als Fahrer findest du jedenfalls meist eine Ausrede, um zu erklären, weshalb du abgekürzt hast oder zu weit hinaus gekommen bist. Wie eine Lösung dafür aussehen könnte, weiß ich nicht. Die Stewards haben sicherlich keinen einfachen Job."

Frage: "Wie gefällt dir in diesem Zusammenhang die Herangehensweise der Rennleitung und wie sie Zwischenfälle bestraft? Es scheint, dass man in diesem Jahr deutlich mehr durchgehen und euch Fahrer einfach das Rennen fahren lässt. Wie lautet deine Meinung?"
Kovalainen: "Vielleicht ist es so, aber genau so sollte es ja auch sein. Wir sollten Rennen fahren dürfen."

"Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie wir hier schon gekämpft haben. Ich denke, den Leuten gefällt das. Nur muss man halt irgendwo eine Linie ziehen. Das ist die Aufgabe der Rennleitung. Und diese Aufgabe hat sie in diesem Jahr bislang recht gut erfüllt, wie ich finde. Für mich ist es okay, wenn sich die Räder mal berühren."

"Für mich ist es okay, wenn sich die Räder mal berühren." Heikki Kovalainen

"Darum geht es doch. Wir Fahrer sollten für uns einen Kurs finden, wie weit es okay ist und wann wir zurückziehen müssen. Es geht eben darum, das Limit zu finden. Niemand will jemand anders verletzten - natürlich nicht! Das muss die oberste Regel sein. Ein paar Rangeleien sind sicherlich okay und das sollten wir auch tun dürfen."


Fotos: Lotus, Großer Preis von Ungarn


Kiesbetten gibt es nicht mehr überall...

Frage: "Hier in Spa gibt es noch ein paar Kiesbetten, auch wenn die wichtigsten Kurven schon seit geraumer Zeit über Auslaufflächen aus Asphalt verfügen. Wie stehst du zu Kiesbetten?"
Kovalainen: "Nun, Kiesbetten würden uns zumindest vom Streckenrand fernhalten. Im Hinblick auf die Bedürfnisse von anderen Rennklassen muss man diesbezüglich eben einen Mittelweg finden."

"Es braucht einen Kompromiss, doch es liegt nicht an mir, eine Entscheidung zu fällen. Dieses Thema ist so komplex, dass man eigentlich gar keinen fundierten Kommentar dazu abgeben kann. Für uns wäre es recht einfach, wenn es einfach nur Kiesbetten gäbe. Gäbe es Mauern, wäre es noch einmal einfacher - diese kannst du einfach nicht durchbrechen."

"Für uns wäre es recht einfach, wenn es einfach nur Kiesbetten gäbe." Heikki Kovalainen

"So funktioniert es aber nicht. Darüber müssen sich andere den Kopf zerbrechen. Die Strecken im Kalender sind in dieser Hinsicht okay. Manchmal hat man mehr, manchmal hat man weniger Platz. Es geht darum, das Limit maximal hinauszuschieben. Kassierst du eine Strafe, gehst du eben wieder etwas zurück. Es ist eben ein Ritt auf Messers Schneide."

Frage: "Werden euch die Poller in Les Combes etwas einbremsen?"
Kovalainen: "Vermutlich. Vielleicht muss man einfach einmal darüber hinweg brettern und sehen, was passiert (lacht; Anm. d. Red.)."

"Diese Teile wurden eingesetzt, weil in der Schikane sowohl am Eingang als auch am Ausgang Asphalt ist. Bei hoher Geschwindigkeit können diese Hindernisse schon ziemlich viel Schaden anrichten. Darüber hinweg zu fahren ist nicht gerade sehr angenehm. In Monza funktioniert dieses System recht gut. Hoffentlich klappt es in Spa entsprechend."

"In Monza funktioniert dieses System recht gut. Hoffentlich klappt es in Spa entsprechend." Heikki Kovalainen

Frage: "In den jüngsten Rennen hatte Lotus nicht mehr mit allzu vielen Schwierigkeiten zu kämpfen. Macht das Team dahingehend inzwischen einen besseren Job?"
Kovalainen: "Das würde ich schon sagen. Wir sind insgesamt zuverlässiger geworden und sehen die Zielflagge."

"Manchmal lagen unsere Rivalen vor uns, doch letztendlich haben wir den besseren Job gemacht. Noch sind unsere Boxenstopps nicht perfekt. Daran müssen wir noch arbeiten. In den vergangenen Rennen haben wir einige Sekunden liegenlassen und das ist einfach zu viel. Das ist uns aber bewusst und mit diesem Thema setzen wir uns auseinander."