• 24.03.2011 07:45

  • von Dieter Rencken

Kovalainen: "Wir befinden uns auf Kurs"

Lotus-Fahrer Heikki Kovalainen verteidigt im Interview die Herangehensweise seines Teams, in diesem Jahr auf den Einsatz von KERS zu verzichten

(Motorsport-Total.com) - Über den verstellbaren Heckflügel wird der Lotus T128 in diesem Jahr verfügen, doch der Einsatz von KERS ist nicht geplant: Der Rennstall von Heikki Kovalainen möchte sich in der zweiten Formel-1-Saison vollkommen auf die bestehenden Baustellen konzentrieren und sieht gerade darin einen Vorteil. In seiner Medienrunde erläutert Kovalainen, was sich Lotus von dieser Herangehensweise verspricht und wie die Chancen seines Teams aussehen. Das Ziel ist 2011 nämlich das Mittelfeld.

Titel-Bild zur News: Heikki Kovalainen

Heikki Kovalainen glaubt, dass sich sein Team in diesem Jahr steigern kann

Frage: "Heikki, beim Testen gab es für dein Team einige Höhen und Tiefen. Bist du zufrieden mit den Fortschritten von Lotus oder machst du dir gewisse Sorgen? Was ist dein Eindruck vor dem Saisonstart?"
Heikki Kovalainen: "Die Zuverlässigkeit macht mir keine Sorgen. Zu dieser frühen Entwicklungsphase ist das durchaus akzeptabel. Der T128 ist das erste Auto, das wir komplett selbst designt haben."

"Wir können uns daher vollkommen mit den Problemen arrangieren, die wir bislang damit hatten. Abgesehen vom letzten Testtag in Barcelona hatte ich ohnehin keine Schwierigkeiten. Wir sind in meinen Augen also nicht weit davon entfernt, ein zuverlässiges Fahrzeug zu haben. Wir können noch nicht sagen, dass wir über jeden Zweifel erhaben sind, doch fürs Erste ist es schwer in Ordnung."

"Ich denke, wir stehen hier recht gut da." Heikki Kovalainen

"Ich denke, wir stehen hier recht gut da. Seit dem vergangenen Jahr konnten wir zudem einige Fortschritte machen. Auch das ist positiv. Im Augenblick dürften wir vor den anderen neuen Teams liegen. Es sollte uns gelungen sein, eine größere Lücke zu ihnen aufzubauen. Wir rangieren sicherlich nicht weit hinter unseren Vordermännern. Vielleicht ist Force India unser nächstes Ziel."

"Wenn man die Entwicklung des Teams in Betracht zieht und die Zeit, die uns dafür zur Verfügung stand, dann bin ich sehr zufrieden mit den Fortschritten. Wir befinden uns auf Kurs. Jetzt geht es noch darum, etwas mehr Grip und mehr Anpressdruck zu generieren. Als Team brauchen wir wahrscheinlich noch ein paar mehr Leute, mehr Leistungsfähigkeit."

"Unsere Anlagen müssen ausgebaut werden. Ein eigener Windkanal wäre zum Beispiel nicht schlecht. All diese Dinge sind der nächste große Schritt. Darauf konzentrieren wir uns, während wir parallel dazu den Rennwagen weiterentwickeln. Das Auto stellt uns eine gute Entwicklungsbasis zur Verfügung. Das stimmt mich sehr zufrieden."¿pbvin|512|3511|kers|0|1pb¿

KERS fordert speziell die Hinterreifen

Frage: "Wie sehr schmerzt es dich, dass du beim Rennstart auf KERS verzichten musst? Auf manchen Strecken wird es ein großer Nachteil sein, nicht über dieses System zu verfügen..."
Kovalainen: "Natürlich kann es ein Nachteil sein, kein KERS an Bord zu haben. So ist nun aber unsere jetzige Ausgangslage."

"Man darf allerdings auch nicht vergessen: Ziemlich viele Teams hatten Probleme mit diesem System und damit, es bei ihrem Auto zum Funktionieren zu bringen. Es ist gut möglich, dass bei diesen Rennställen die Hinterreifen etwas mehr leiden. Meine Erfahrung von McLaren sagt mir: Manchmal ist es nicht einfach, die Stabilität auf der Bremse herzustellen."

"Wir sollten uns zunächst einmal auf die Aerodynamik kümmern." Heikki Kovalainen

"Auf lange Sicht könnte es also nicht gar so schlimm sein, dass wir kein KERS verwenden. Andererseits wird es den großen Teams sehr wahrscheinlich gelingen, ihre Fehler abzustellen und ein optimales System zu haben. So ist es nun eben. Meiner Meinung nach hat das Team im Winter die richtige Entscheidung getroffen."

"Noch geht es bei uns nicht um die drei Zehntel pro Runde, sondern vielmehr um drei Sekunden. Wir sollten uns zunächst einmal auf die Aerodynamik kümmern. Das Gesamtkonzept des Autos ist deutlich wichtiger. Das hat bislang recht gut für uns geklappt, denn das Fahrzeug ist besser als sein Vorgänger. Wir dürfen die anderen Teams ins Visier nehmen - und das ist gut so."

Frage: "Wo würdest du dein Team realistisch einordnen? Direkt hinter dem breiten Mittelfeld und vor den anderen neuen Teams? Wo siehst du Lotus zum Saisonstart 2011?"
Kovalainen: "Wahrscheinlich ist es schwierig zu sagen, wo wir uns genau befinden. Ich kann noch nicht sagen, ob sich bei unserer Startposition etwas tun wird. Zumindest sollte der Abstand zu den Fahrzeugen vor uns in diesem Jahr deutlich geringer sein als im vergangenen Jahr."

2011: Mehr Arbeit im Cockpit dank neuer Regeln

Frage: "Im Hinblick auf KERS könnte es durchaus passieren, dass ihr das ganze Wochenende darauf hinarbeitet, Force India hinter euch zu lassen, doch bei der ersten Kurve liegen sie plötzlich vor euch..."
Kovalainen: "Dessen sind wir uns bewusst. Dieser Nachteil war uns klar, als wir die Entscheidung trafen, kein KERS zu verwenden. Bei einem Team unserer Größe und zu unserem jetzigen Entwicklungsstadium ist es aber besser, wenn wir uns auf andere Bereiche konzentrieren. Wir müssen das Auto einfach an anderen Stellen schneller machen."

Frage: "Es heißt, die Fahrer werden von der immer größer werdenden Anzahl an Knöpfen am Lenkrad immer mehr abgelenkt, was die Sicherheit beeinträchtigen könnte. Wie siehst du das? Muss man sich deswegen Sorgen machen?"
Kovalainen: "Ich denke, das kann man durchaus so sehen."

"Man muss einfach ein bisschen mehr auf das Display schauen, um alles zu optimieren." Heikki Kovalainen

"Als ich damals mit McLaren auf einem Straßenkurs wie Monaco unterwegs war, stellte KERS durchaus eine Ablenkung dar. Man muss einfach ein bisschen mehr auf das Display schauen, um alles zu optimieren. Du drückst den Knopf, wann auch immer du kannst. Die Ingenieure geben dir da einen genauen Plan an die Hand."

"Diesem Plan versuchst du zu folgen, doch manchmal laden sich die Batterien zu sehr auf. Du musst dann etwas mehr Energie abgeben oder weniger aufsammeln. Das alles manifestiert sich in Zahlen auf deinem Display und das macht es schwierig für dich als Fahrer. Nun haben wir auch noch einen verstellbaren Heckflügel, wodurch wir im Cockpit noch mehr Arbeit haben."


Fotos: Heikki Kovalainen, Testfahrten in Barcelona


"Wir müssen nur einfach sicherstellen, dass wir deswegen keine Unfälle bauen. Wir verfügen im Augenblick nur über einen Knopf für den Heckflügel und damit gibt es keinerlei Probleme, doch wenn man auch noch den KERS-Knopf hat, könnte das auf gewissen Strecken durchaus Schwierigkeiten nach sich ziehen."

KERS wäre eine Ablenkung für Lotus

Frage: "Heißt das, du siehst das Fehlen von KERS bei Lotus als Vorteil, weil du so Rennen fahren kannst, ohne zu sehr über dein Tun nachdenken zu müssen?"
Kovalainen: "Sollte KERS perfekt funktionieren, haben wir sicher einen Nachteil. Es könnten sich aber durchaus Chancen für uns ergeben, wenn manche Teams es nicht in den Griff bekommen."

"Ich weiß aus Erfahrung von McLaren, dass man sich hin und wieder schwer damit tut, die Stabilität auf der Bremse herzustellen. Dies wiederum hat Auswirkungen auf die Hinterreifen, die dadurch vielleicht etwas mehr verschleißen. Gerade dieser Punkt dürfte in diesem Jahr besonders wichtig sein. Das könnte sich als Vorteil für uns erweisen."

"Unser Rückstand basiert im Augenblick nicht auf dem KER-System." Heikki Kovalainen

"Den größeren Teams sollte es allerdings gelingen, diese Dinge optimal in den Griff zu kriegen. Für sie sollten diese Zusatzsysteme einfach nur ein Extra darstellen, während wir einen Nachteil haben. Unser Rückstand basiert im Augenblick aber nicht auf dem KER-System, sondern auf anderen Bereichen - und darauf wollen wir uns konzentrieren."

Frage: "Ihr spekuliert also auch darauf, nach einigen Runden an Konkurrenten vorbeizuziehen, wenn diese in technische Probleme geraten?"
Kovalainen: "Wie ich schon sagte: Ich bin mit der Materie vertraut, denn bei McLaren hatten wir damals auch KERS. Anfangs war es nicht so einfach für uns. Es ist ein kompliziertes System, das man erst einmal zum Arbeiten bringen muss."

"Das große Fragezeichen ist daher: Wie gut gelingt es unseren Konkurrenten, KERS einzustellen und umzusetzen? Warten wir einmal ab, wie es um die Zuverlässigkeit bestellt sein wird. Noch wissen wir halt nicht, was alles passieren wird. Vor uns liegt möglicherweise ein sehr interessantes Wochenende."

Lotus verschafft seinen Testpiloten etwas Streckenzeit

Frage: "Was hältst du von den Planungen, den Testfahrern am Wochenende etwas Streckenzeit zu ermöglichen?"
Kovalainen: "Wir haben einige junge Fahrer in unseren Reihen und nun auch Karun (Chandhok; Anm. d. Red.). Für mich ist das okay. Es ist in Ordnung, wenn sie während eines Wochenendes die Chance haben, ein paar Runden zu drehen. Das ist schön für sie, bereitet mir aber keine Sorgen. So arbeitet das Team nun einmal und ich habe kein Problem damit."

"Ich bin mir sicher: In der zweiten Einheit kann ich auf Tempo gelangen." Heikki Kovalainen

Frage: "Der Freitagmorgen wird nun aber deutlich wichtiger als früher, denn es gibt vieles, das man ausprobieren muss - unter anderem mit Extrareifen. Diese Erfahrungen gehen dir durch die Lappen, wenn jemand anders in deinem Auto sitzt..."
Kovalainen: "Ja, das ist ein Nachteil an dieser Sache."

"Im Hinblick auf die Anzahl an Runden, die wir absolvieren wollen, ist das aber nur ein geringer Teil. Auf neuen Strecken könnte das zum Thema werden, dich auf mir bekannten Kursen sollte das nicht weiter problematisch sein. Ich bin mir sicher: In der zweiten Einheit kann ich auf Tempo gelangen. So ist nun einmal die Ausgangslage."