• 02.06.2014 16:07

  • von Dieter Rencken & Dominik Sharaf

Knackpunkt Kosten: Rundreise für den Schwarzer Peter

Die großen Teams sehen Regelhüter und Promoter in der Verantwortung, die kleinen glauben an Verschleppungstaktik - Bislang nur 10.000 Euro eingespart

(Motorsport-Total.com) - Es ist eine Alltagsweisheit, dass es die Reichen sind, von denen man das Sparen lernen kann. Die Formel 1 lehrt, dass das im Motorsport nicht funktioniert. Schließlich erstreckt sich der Graben in der schier endlosen Kostendebatte entlang des Finanzgefälles der Königsklasse. Auf der einen Seite stehen Werksteams und Traditionsmannschaften, die mit Konzernbudgets und üppigen Anteilen am Einnahmentopf operieren. Auf der anderen Seite chronisch klamme Privatiers, die tagtäglich um das Überleben kämpfen.

Titel-Bild zur News: Paddock in Bahrain

Die FIA ist nicht die einzige Instanz, die im Fahrerlager das Zepter schwingt Zoom

Allerdings haben sich beide Seiten dazu bekannt, in der Sache an einem Strang zu ziehen. "Ferrari ist sich bewusst, dass es eine Zukunft braucht, die finanziell für eine breite Masse an Teams erschwinglich ist", beteuert James Allison, Technikchef bei der Scuderia und früher in Diensten der angeschlagenen Lotus-Truppe. Deren neuer Verantwortlicher Federico Gastaldi unterstreicht: "Wir arbeiten intensiv zusammen, wir sitzen im gleichen Boot." Ergebnisse lassen allerdings weiter auf sich warten.

Das muss auch Christian Horner eingestehen. Sein Red-Bull-Team steht wegen seiner gut gefüllten Portokasse im Verdacht, nicht an einer kostengünstigeren Formel 1 interessiert zu sein. "Ich glaube, wir haben bisher ungefähr 10.000 Euro eingespart, aber es geht in die richtige Richtung", räumt der Brite ein. Er deutet an, dass in Kürze mit weiteren Erfolgen im Kampf um die Millionen zu rechnen ist: "Hoffentlich sind wir bis zum kommenden Monat durch, bevor die Regeln für das kommende Jahr wasserdicht sind."

FIA, Teams oder Bernie Ecclestone: Wer ist unter Zugzwang?

An so viel Redlichkeit hat Vijay Mallya seine Zweifel. Der Force-India-Besitzer vermutet sogar, dass das Ziel Kostenreduktion kein gemeinsames mehr ist: "Leider haben einige jetzt ihre Meinung geändert. Aus Gründen, die nicht akzeptabel sind", bedauert der Getränkemogul im Gespräch mit 'auto, motor und sport'. Er will die Initiative, aber nicht den Schwarzen Peter dem Automobil-Weltverband zuschieben: "Es wäre unfair, zu sagen, die FIA mache sich keine Gedanken. Sie macht sich sehr große Sorgen", so Mallya.

Horner appelliert an die FIA, während er die Aktiven nicht unter Zugzwang sieht: "Es müssen der Promoter sowie Regelhüter zusammenkommen und sagen: 'So soll die Formel 1 sein.' Dann können die Teams entscheiden, ob sie dabei sind oder nicht." Das Problem: Lehnen die Topmannschaften geschlossen ab, haben sie mit dem Ausstieg aus dem Geschäft immer ein Druckmittel in der Hinterhand, waschen ihre Hände aber in Unschuld. Für Toto Wolff sind Sparvorhaben ohnehin eine Quadratur des Kreises.


Fotos: Großer Preis von Monaco


"Alle unter einen Hut zu bekommen ist sehr schwierig, weil die Teams verschiedene Prioritäten haben - von der kleinen Privatierstruppe bis hin zu Repräsentanten multinationaler Konzerne", erklärt der Mercedes-Motorsportchef, für den sich die Lücke zwischen Großen und den Kleinen der Szene aufgrund des Strukturunterschiedes von Natur aus nicht schließen lässt. "Es ist unmöglich", betont der Österreicher. Er will sich entscheiden, ob es erste Priorität genießt, Abstände zu verringern oder die Kosten zu senken, schließlich kann es in seiner Position zunächst nur um eines gehen: Rennen und Titel gewinnen.

"Es ist unmöglich." Toto Wolff über einen Konsens in der Kostendebatte

Williams glaubt: Erfolg keine Frage des Geldes

Ganz ähnlich denkt Eric Boullier: "Für Fans und Show wünscht man sich jedes Wochenende einen anderen Sieger. Als Teamchef von McLaren will ich in einer Saison 19 McLaren-Erfolge", meint der Franzose. Allerdings wäre das langfristig wohl auch abträglich für das Business, schließlich generiert die Formel 1 ihren Wert mehrheitlich aus medialer Aufmerksamkeit, die bei einseitigem sportlichen Geschehen nicht mehr garantiert ist. Für Phasen solcher Dominanz macht Horner aber nicht den schnöden Mammon verantwortlich.

Er erinnert an die Glanzzeiten Red Bulls Ende 2013 und die aktuelle Mercedes-Strähne: "Zwei Teams haben die Rennen der vergangenen zwölf Monate gewonnen, Ferrari und McLaren aber kein kleineres Budget", so Horner. "Es geht also um das Personal, seine Fähigkeiten und den Einsatz der Mittel." Überraschenderweise stimmt Claire Williams zu.


Fotostrecke: F1 Backstage: Monte Carlo

Die Equipe aus Grove, die mit Martini einen prestigeträchtigen Sponsor an Land gezogen hat und auf dem südamerikanischen Markt um Geldgeber wirbt, relativiert die Bedeutung des Etats. Die Teamchefin sagt: "Es liegt an jedem, sich auf die Hinterbeine zu stellen und sein Budget zusammenzubekommen. Wir haben beweisen, dass es keinen Riesenetat braucht, um einen WM-Titel zu gewinnen." In der Tat schaffte es Williams zu Beginn sowie zur Mitte der Neunzigerjahre, sich mit Masterminds wie Adrian Newey gegen McLaren, Ferrari und Co. durchzusetzen.

Kundenautos: Ferrari sieht höchstens Übergangslösung

Seit einiger Zeit schwirren Gerüchte um die Einführung von Kundenautos als Lösung durch das Fahrerlager. Horner glaubt, dass das Modell neue Teams anlockt, weil ein Jahreswagen die günstigste und kosteneffizienteste Lösung für einen Einstieg in die Königsklasse darstellt. Schließlich würden viele Entwicklungsbereiche - etwa die Fertigung oder das Crashtest-Prozedere - keine finanzielle Belastung mehr bedeuten. "Man kann sich darauf konzentrieren, ein Rennteam zu sein, während die Infrastruktur aufgebaut wird", argumentiert der Brite.

Christian Horner

Christian Horner kann sich Kundenautos in der Formel 1 gut vorstellen Zoom

Sein Ferrari-Kollege stimmt zu, sieht in dem Modell aber höchstens eine Übergangslösung: "Es wäre eine Gelegenheit, zwei oder drei Jahre lang Erfahrung zu sammeln und dann konkurrenzfähig zu werden", erläutert Marco Mattiaci und zitiert Otto von Bismarck: "Das ist also nur nützlich, um voranzukommen, Realpolitik." Williams hingegen will nicht, dass die Formel 1 ihren Charakter als Wettbewerb der Konstrukteure verliert: "Jeder weiß, wie Williams über Kundenautos denkt. Wir glauben, dass es dem Erbe des Sports komplett zuwider läuft. Wir sind dem nicht zugetan."