Geschlossene Gesellschaft: Kleine kritisieren Strategiegruppe
Es ist nicht nur die gekippte Budgetobergrenze: Die kleinen Teams warnen davor, dass ihre Stimme sportpolitisch bald gar nicht mehr gehört wird
(Motorsport-Total.com) - Gäbe es einen Beliebtheitspreis in der Formel 1, dürfte sich die Strategiegruppe aus Teams, FIA und dem Inhaber der kommerziellen Rechte kaum Hoffnung machen, diesen zu erhalten. Das Gremium, in dem Red Bull, Ferrari, Mercedes, McLaren und Williams über feste Sitze als Vertreter verfügen und Lotus aufgrund der sportlichen Leistungen der Saison 2013 untergekommen ist, zeichnet den sportpolitischen Weg der Königsklasse seit einigen Monaten vor - ganz zum Unmut der kleinen Teams.
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Müssen leider draußen bleiben: Kaltenborn und Co. sind nicht in der Strategiegruppe Zoom
Sie müssen bei der Ideenentwicklung und -ausarbeitung vor verschlossenen Türen bleiben und haben kein Mitspracherecht, ehe die Entscheidung in die Formel-1-Kommission gelangt. Cyril Abiteboul hat kein Verständnis für diesen Mechanismus: "Jedes Mal, wenn man etwas verändert, hat das Auswirkungen, die man nicht unbedingt absehen kann", erklärt der Caterham-Teamchef und befürchtet Lösungen, die nicht allen Teilnehmern zugute kommen: "Man kann keine Strategie umsetzten, ohne sie vorher mit allen durchgesprochen zu haben. Sie ist dann vielleicht kurzsichtig."
Abiteboul fordert bei der Formierung eines neuen Gremiums, nicht mehr von oben nach unten vorzugehen, sondern Ideen auf Basis der Meinungen aller Teams zu entwickeln. "Ich akzeptiere, dass die Stimme Caterhams nicht so schwer wiegen kann wie die von Ferrari", räumt der Franzose ein, erwähnt aber, dass seine Truppe ebenso wie die Scuderia mit zwei Autos und nach identischen Regeln an den Start geht: "Das darf nicht bedeuten, dass wir gar nicht mehr mitsprechen dürfen - schon wegen der Transparenz. Das Reglement schreibt uns die selben Pflichten vor wie Ferrari."
Strategien, keine Entscheidungen als Aufgabe
Monisha Kaltenborn kritisiert, dass die Strategiegruppe weit mehr unternimmt und entscheidet als nur Wegweiser zu sein. Beispiel Budgetobergrenze: Der einstimmig gefällte Beschluss, diese für 2015 anzustreben, wurde durch das Gremium wieder gekippt. "Wir akzeptieren nicht, dass jemand unsere Entscheidung überstimmt", meint die Sauber-Teamchefin, die es großen Teams zugesteht, richtige Ideen entwickeln zu können. "Es ist in einer Firma ganz normal, dass das im kleineren Rahmen geschieht. Aber seit dem, was mit der Kostenkontrolle passiert ist, haben wir Bedenken."
Für Abiteboul sind der finanzielle Deckel und mögliche Alternativen der Präzedenzfall, an dem sich die Strategiegruppe messen lassen muss. Er verweist darauf, dass Experten der FIA das Projekt weiter für umsetzbar halten. "Wir dürfen nicht auf halbem Wege zum Stillstand kommen", mahnt der Caterham-Verantwortliche. Auch Marussia-Teamchef John Booth erklärt: "Wir glauben nicht, dass die Budgetobergrenze tot ist." Abiteboul kann sich einen Seitenhieb auf eine viel kritisierte Maßnahme der Strategiegruppe nicht verkneifen: "Die erste Entscheidung waren doppelte Punkte im letzten Rennen. Wir würden gerne glauben, dass sie das weitaus besser hinbekommen."
Damit das geschieht, muss die Strategiegruppe nach Meinung von Robert Fernley so agieren, wie es ihre Bezeichnung suggeriert: "Wie der Name schon sagt, ist sie dazu da, Strategien zu entwickeln. Ich glaube nicht, dass sie ein Ersatz für einstimmige Entscheidungen sein kann", bemängelt der stellvertretende Force-India-Teamchef, der in der Vergangenheit zu den schärfsten Kritikern zählte. Booth fordert, dass dabei nicht ausschließlich für eigene Interessen gearbeitet werden darf, sondern das gesamte Starterfeld berücksichtigt werden muss. Nicht verwunderlich: Das Red-Bull-Juniorteam Toro Rosso und Franz Tost können sich mit der Strategiegruppe anfreunden: "Das System ist in Ordnung."