• 15.01.2009 18:20

  • von Britta Weddige

KERS: Trulli stellt die Sinnfrage

Toyota-Pilot Jarno über die Neuerungen für 2009: Braucht die Formel 1 KERS wirklich? Und gibt es künftig mehr Flügel-an-Flügel- statt Rad-an-Rad-Kämpfe?

(Motorsport-Total.com) - Endlich hat Jarno Trulli sein neues Arbeitsgerät zu Gesicht bekommen, den Toyota TF109, mit dem er und Teamkollege Timo Glock in der kommenden Saison um Siege mitfahren sollen. Auch am neuen Toyota fällt sofort die neue Aerodynamik auf. "Die neuen Autos sehen auf den ersten Blick nicht so schön aus, ich muss aber zugeben, dass ich mein Auto mag", sagte Trulli anlässlich der heutigen Präsentation. "Ich glaube, dass Toyota ein schönes Auto mit einigen interessanten Technikteilen gebaut hat. Ich hoffe, dass es so schnell ist, wie es aussieht. Das Aussehen ist nicht so wichtig, viel wichtiger ist der Speed. Aber es sieht aus wie ein schnelles Auto."

Titel-Bild zur News: Jarno Trulli

Jarno Trulli steht der Einführung von KERS etwas skeptisch gegenüber

Die Formel 1 befindet sich im Umbruch, mit der neuen Aerodynamik, den wiedereingeführten Slicks und KERS kommt auf die Teams in diesem Jahr viel Neues zu. "Es wird sehr wichtig sein, von Anfang an gut aufgestellt zu sein. Es ist viel wichtiger als in anderen Jahren", so Trulli, der Toyota dabei auf einem guten Weg sieht: "Das Team hat in den vergangenen Jahren einen tollen Job gemacht, was den Datenvergleich zwischen Rennstrecke, Windkanal und Fabrik angeht. Das hilft, da wir jetzt mehr in der Fabrik als auf der Strecke entwickeln."#w1#

Viele neue Herausforderungen

Das Jahr werde interessant, so Trulli weiter: "Denn vor allem zu Saisonbeginn wird es ein bisschen drunter und drüber gehen." Er geht zwar nicht davon aus, dass die großen Teams, "die stark und erfahren sind", plötzlich einen Einbruch erleben werden. Doch mit den Testbeschränkungen könnten sie ihre Vorteile weniger ausspielen als in der Vergangenheit. Und Teams wie Toyota haben die Chance, gleichzuziehen, wenn schon bei den ersten Runden alles passt: "Das gesamte Team hat den Winter über versucht, den besten Weg zu finden. Unser Auto war zuletzt recht zuverlässig. Jetzt müssen wir warten, wie sich das neue Reglement auswirkt."

"Es wird interessant - wie immer nach einer radikalen Regeländerung." Jarno Trulli

Vor neue Herausforderung würden die Teams jedoch nicht nur wegen Aerodynamik, Slicks und KERS gestellt, erklärte der Italiener: "Wegen des Sparkurses muss ein Motor vier Rennen halten und es wird nicht getestet. Das gehört alles zum Geschäft und das Team muss damit zurechtkommen. Das wird großen Einfluss haben, vor allem zu Beginn der Saison. Manche Teams werden gut starten, manche Teams werden nicht stark genug sein und es mit den besten aufnehmen können. Es wird interessant - wie immer nach einer radikalen Regeländerung."

Skepsis gegenüber KERS

Dem Energie-Rückgewinnungssystem KERS steht Trulli mit einer gewissen Skepsis gegenüber. "Wir kennen es nicht, was wird passieren, oder wer wird es einsetzen? Da sind so viele Fragezeichen. Wir kennen weder Vor- noch Nachteile", sagte er. Im Moment sei auch noch schwer zu beurteilen, welche Auswirkungen KERS auf die Rennen haben wird: "Ich kann nicht sagen, ob die Formel 1 dadurch spektakulärer wird oder nicht. Die Regeländerungen sollen sie zumindest spektakulärer machen, ich hoffe einfach, dass es in die richtige Richtung geht."

"Ich weiß nicht, ob die Formel 1 so etwas im Moment braucht." Jarno Trulli

Toyota treibe die KERS-Entwicklung voran, so Trulli, "doch bevor man ein nagelneues System ins Auto baut, muss es sicher und zuverlässig sein. Wir wollen unsere Zeit nicht verschwenden, bis wir wissen, wo die Vor- und wo die Nachteile liegen. Man will das Auto nicht während des Rennens wegen eines neuen Systems verlieren."

Und angesichts der derzeitigen Lage und den damit verbundenen Sparzwängen stellt Trulli durchaus die KERS-Sinnfrage: "KERS ist ein komplexes System für ein Formel-1-Auto, das nicht so complex ist wie ein Toyota-Hybrid-Straßenfahrzeug. Es ist etwas, für das Zeit, Investitionen und neue Technologien nötig sind. Und ich weiß nicht, ob die Formel 1 so etwas im Moment braucht."

Herausforderung Frontflügel

Toyota TF109

Viel Flügel: Die Front des neuen TF109 ist wirklich beeindrucken Zoom

Nicht nur beim Thema KERS teilt Trulli die Bedenken mancher Kollegen, sondern auch die neuen Frontflügel bereiten ihm wie einigen anderen Kopfzerbrechen: "Der Frontflügel ist in diesem Jahr wirklich sehr breit, und das macht die Sache kompliziert. Da der Flügel so breit ist, kann man sehr leicht ein anderes Auto touchieren - und anstelle von Rad-an-Rad- könnte es künftig Flügel-an-Flügel-Kämpfe geben! Auf der anderen Seite ist der Flügel so breit und schwer, dass wir ihn vielleicht verstärken müssen, um den Kräften von KERS und Bodenwellen standzuhalten. Es gibt viele technische Aspekte, die da in Betracht gezogen werden müssen", gab der Italiener zu bedenken.

Seine erste Ausfahrt mit dem TF109 wird Trulli kommende Woche im portugiesischen Portimao haben. Dass dabei nicht nur Auto, sondern auch Strecke für ihn neu sein werden, sieht der Toyota-Pilot aber nicht als Problem: "Ich denke, dass der erste Test nur ein Rollout sein wird, bei dem Parameter und Daten gecheckt werden und man ein bisschen ein Gefühl für das Auto entwickelt. Die Strecke ist für die meisten neu, deshalb ist es vielleicht ganz gut, dort den ersten Test zu fahren. Im Vergleich zu anderen Strecken werden wir sehr wenig dazulernen, denn in diesem Jahr brauchen wir zunächst feste Parameter. Wegen der Regeln haben wir ein völlig neues Auto, wir wissen nicht wo wir stehen - und vor allem nicht, wo alle anderen stehen."

Nicht mehr mit dabei sein wird Luca Marmorini, der heute seinen Rücktritt als Motorenchef bei Toyota bekanntgegeben hat. "Luca Marmorini ist natürlich ein großer Verlust, da er ein großartiger Ingenieur", kommentierte Trulli. "Sein Weggang wird aber wegen der Motoreinfrierung keine so großen Auswirkungen auf uns haben. Er war nicht der einzige, der an dem Projekt gearbeitet hat, andere treten in seine Fußstapfen. Aber er ist ein großer Verlust."