Keine Quali-Fiesta: Williams plagt Untersteuern und Abtrieb

Unzufriedene Gesichter bei Williams: Valtteri Bottas (6.) und Felipe Massa (7.) beklagen Untersteuern, Probleme auf dem weichen Reifen und fehlenden Abtrieb

(Motorsport-Total.com) - Beim Williams-Team sah man nach dem Qualifying zum Grand Prix von Mexiko keine glücklichen Gesichter. Valtteri Bottas und Felipe Massa kamen zwar bis in den dritten Quali-Abschnitt, sie konnten sich jedoch nicht gegen die Konkurrenz von Red Bull - ihrem schärfsten Kontrahenten in der Team-Wertung - durchsetzten. Am Ende hatte man einen Rückstand von rund einer Sekunde auf die Pole-Position von Nico Rosberg - die Plätze sechs (Bottas) und sieben (Massa) ermöglichen am Sonntag zumindest den Angriff auf die Spitze.

Titel-Bild zur News: Valtteri Bottas

Williams-Pilot Valtteri Bottas über das Qualifying in Mexiko: "Kein Desaster!" Zoom

"Das war kein fantastisches Qualifying", resümiert Felipe Massa sichtlich geknickt. "Wir sind aber im Kampf mittendrin. Wir hatten Probleme im zweiten und dritten Sektor, im ersten sind wir ganz gut dabei." Der Brasilianer klagte vor allem in der S-Passage über "schlimmes" Untersteuern seines FW37. Doch was ist das grundsätzliche Problem von Williams auf dem Autodromo Hermanos Rodriguez? "Das Layout", erklärt der Brasilianer. "Als ich gestern hier gefahren bin, war es langsamer als wir dachten. Der erste Sektor ist noch ganz gut, aber danach leiden wir mehr im Vergleich zu den anderen Autos. In diesem Bereich fehlt uns einfach der Abtrieb." Schon im Vorfeld warnte sein Teamkollege Valtteri Bottas vor zu wenig Abtrieb, obwohl man mit dem maximalen Abtriebspaket in Mexiko fährt.

Kein Problem hat das Team aus Grove mit den Höchstgeschwindigkeiten. Der Motor "funktioniert sehr gut. Wir sind 364 km/h auf der Geraden gefahren. Die Geschwindigkeit ist überhaupt kein Problem. Das Problem ist der geringe Grip", schildert Massa am Samstagnachmittag. Teamkollege Bottas pflichtet ihm bei: "Wir dachten, wir würden so um die 350 Kilometer pro Stunde fahren, aber 360 km/h sind schon ziemlich gut."

Massa: "Wird nicht einfach, das Rennen zu beenden"

Einen wichtigen Faktor spielt in Mexiko auch die Höhenlage, da die Strecke mit über 2000 Meter Seehöhe mit großem Abstand vor Brasilien und Österreich die höchstgelegene im Formel-1-Kalender ist. "Das kann den Bremsen und der Kühlung Probleme machen", weiß der routinierte Brasilianer.

"Da müssen wir sehr vorsichtig sein. Das wird nicht einfach morgen, dieses Rennen zu beenden." Er prophezeit ein interessantes Spektakel am Sonntag: "All die Umstände, die wir morgen im Rennen haben könnten, nicht nur das Wetter, aber auch die Höhenlage, der Asphalt, der Grip und die Reifen - dadurch könnte das Rennen sehr interessant werden. Hoffentlich auch für mich." Denn wenn man die Zielflagge sehen sollte, dann sei die Wahrscheinlichkeit eines Punkteergebnisses sehr hoch, glaubt Massa.


Fotos: Williams, Großer Preis von Mexiko


Und er spricht noch einen weiteren wichtigen Punkt an: die Reifen. "Es wird sehr wichtig sein, diese zum Arbeiten zu bringen." Etwas genauer geht Teamkollege Bottas auf die Pirelli-Pneus ein: "Unser einziges Problem war die Lebensdauer der weichen Reifen. Wenn wir am Beginn einen guten Stint mit den Options schaffen, wird vieles möglich sein." Auf der härteren Mischung fühlt sich der Finne wohl: "Das Gefühl auf dem härteren Reifen war gut, am Beginn waren wir ziemlich konkurrenzfähig damit. Heute morgen bin ich einen ziemlich langen Stint mit den Mediums gefahren, dabei haben sie kaum abgebaut."

Bottas: Safety-Car am Sonntag sehr wahrscheinlich

Und trotzdem haderte die Williams-Mannschaft: "Wir sind eine Einführungsrunde, eine Aufwärmrunde und eine gezeitete Runde gefahren. Wir hatten ein bisschen Probleme damit, die Vorder- und Hinterreifen gleichzeitig auf Temperatur zu bekommen. Die Vorderreifen waren zu kalt am Beginn, da konnte man nichts machen. Am Ende der zweiten Runde begannen die Hinterreifen zu überhitzen und sie bekamen Graining. Das war unser großes Problem. Dass die Sonne nicht zum Vorschein kam im Qualifying, hat uns nicht geholfen", analysiert der 26-Jährige. Er glaubt, dass man eine Ein- oder Zweistoppstrategie morgen fahren wird, drei Stopps schließt er aus.

Bottas fehlten am Ende des Qualifyings 0,968 Sekunden auf die Bestzeit, Massa konnte er um 0,119 Sekunden hinter sich halten. "Am Ende konnten wir die Zeiten nicht mehr verbessern. Aber die Plätze sechs und sieben sind kein Desaster. Die Red Bulls sind unser Ziel morgen. Ich hatte ein gutes Fenster, wo ich keinen Verkehr hatte, das ist immer gut."


Großer Preis von Mexiko

Durch die vielen ungewissen Faktoren, die Massa bereits erwähnt hat, glaubt Bottas, dass die Wahrscheinlichkeit einer Safety-Car-Phase im Rennen durchaus hoch ist, "weil es nicht viele Auslaufzonen gibt und die Mauern nahe an der Strecke sind. Die erste Kurve ist ziemlich kritisch hier. Man kommt mit viel Geschwindigkeit an - im Windschatten mit kalten Reifen und Bremsen kann viel passieren. Von Freitag auf Samstag wurde es besser, wir hatten mehr Grip und es hat sich wie eine richtige Rennstrecke angefühlt. Jedoch gibt es insgesamt immer noch wenig Grip."

Heikles Thema in Mexiko: Die Bremsen

Chefingenieur Rob Smedley widerspricht seinem Piloten in dieser Frage vorerst: "Es kommt darauf an, wo das Auto abfliegt. Wenn man sich den mittelschnellen Teil im letzten Abschnitt ansieht, dort gibt es relativ große Auslaufzonen, daher zweifle ich an, dass wir ein Safety-Car sehen." Bei einer Kollision sei dies jedoch nie auszuschließen, ergänzt der Brite und macht auf den Abflug von Max Verstappen im zweiten Freien Training am Freitag aufmerksam: "In der letzten Kurve haben wir es mit Verstappen am Freitag gesehen, das Auto musste mit dem Kran geborgen werden. Kommt natürlich auch darauf an, wo die Kräne stehen. Es gibt natürlich die Möglichkeit, dass das Safety-Car oder ein virtuelles Safety-Car eingesetzt wird."


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Bottas wirft einen weiteren Unsicherheitsfaktor ein: "Wir haben keine Informationen über die Starts auf dieser Strecke. Das wird auch für die Ingenieure schwierig, die richtige Kupplungsposition einzustellen." Und auch die Bremsen werden auf dem mexikanischen Kurs besonders beansprucht, weiß der Finne: "Dieses Rennen ist womöglich das schwierigste für die Bremsen. Das wird sicherlich kritisch. Man wird sehen, wie schwierig es mit den Temperaturen werden wird. Manche Teams haben mehr Probleme als andere. Ich habe das Gefühl, dass morgen viele Dinge passieren werden. Auch bei uns werden die Bremsen sehr heiß und wir haben Probleme sie zu kühlen", gibt er zu, trotzdem sollte man noch in einem akzeptablen Bereich liegen.

"Dieses Rennen ist das schwierigste für die Bremsen. Das wird sicherlich kritisch." Valtteri Bottas

Zumindest mit dem Mercedes-Antrieb gibt es keine Probleme: "In diesem Rennen verwende ich den dritten Motor, der vierte ist ebenfalls noch sehr frisch. Es läuft also alles nach Plan. Ich denke nicht, dass wir in diesem Jahr eine Bestrafung kassieren werden." Somit ist alles bereit für den Angriff auf Red Bull. Oder ist sogar noch Ferrari-Pilot Sebastian Vettel in Reichweite? "Die haben heute wirklich schnell ausgesehen. Das ist schwierig zu sagen. Zumindest müssen wir vor die Red Bulls kommen. Wir kämpfen auch in der Weltmeisterschaft gegen sie, das wäre sehr wichtig", weiß Bottas.

Smedley: Haben Strategie seit Freitag geplant

Und auch Smedley stimmt in den Tenor seiner Piloten ein und kann seine Ernüchterung über das Abschneiden am Samstag nicht verbergen: "Ich bin ein bisschen enttäuscht, den Tag mit den Plätzen sechs und sieben zu beenden. Dort wollen wir nicht sein. Wir mussten mit dem arbeiten, das uns zur Verfügung stand bezüglich der Vorbereitung. Es ist enttäuschend, wenn du die Plätze vier und fünf um ein halbes Zehntel oder so verpasst. Aber so ist das eben."

"In der Vorbereitung müssen wir mit allen möglichen Szenarien rechnen." Rob Smedley

Zumindest habe man mit dem FW37 ein "wirklich gutes Rennauto", darauf habe man sich das gesamte Wochenende konzentriert. "Damit wir eben in einer guten Position im Rennen sind und wissen, wie wir auf die Reifen aufpassen müssen. Wir haben seit Freitagvormittag die Rennstrategie geplant, das sollte sich morgen also lohnen. Wir haben auch ein gutes Tempo auf der Geraden, was uns helfen sollte, vom Start weg zu überholen."

Wie sieht die konkrete strategische Vorbereitung auf ein Rennen aus - immerhin weiß man nicht, was am Sonntag passieren wird? "Wir haben die Strategie soweit vorbereitet, aber natürlich gibt es bei jedem Rennen ungewisse Faktoren. Man muss einfach alle erwartbaren Szenarien durchdenken und planen, wie man mit jedem davon umgeht. In unserer Vorbereitung müssen wir mit allen möglichen Szenarien rechnen, wenn eines davon eintritt, wissen wir, wie wir reagieren müssen. Man kann nicht in ein Rennen gehen mit der Annahme, dass der Beginn und das Ende so oder so aussehen werden. Es ist immer verschieden", schildert der erfahrene Ingenieur, der mit Felipe Massa bereits bei Ferrari eng zusammengearbeitet hat.

Reifenmanagement: Vettel und Red Bull im Vorteil

Sein Schützling beklagte sich sehr über Untersteuern in dem Mittelteil des Kurses, Smedley entgegnet, dass jeder mit Untersteuern zu kämpfen hatte. Daher habe man auch beobachten können, wie die Fahrer eine Runde hart gepusht und danach eine langsamere Runde eingelegt haben. Außerdem hatte "jeder Mühe, die Reifen in der ersten Runde zum Arbeiten zu bringen. Die Red Bulls konnten das machen, nicht aufgrund des Abtriebs, aber aufgrund der Charakteristik ihres Autos. Interessant wird sein, wie sich das bei ihnen im Longrun bei Verschleiß und fallenden Temperaturen verhält."

"Unsere klare Absicht ist es, Red Bull zu schlagen." Rob Smedley

Der Brite geht grundsätzlich tiefer auf das Reifenmanagement ein: "Vettel konnte die Reifen heute gut auf Temperatur bringen. Das war eines dieser Qualifyings, wo die Reifenvorbereitung sehr ungewöhnlich war. Das kann im Rennen ganz anders aussehen. Manche könnten womöglich die Vorderreifen überhitzen, manche die Hinterreifen, manche könnten keine Temperatur in die Reifen bekommen. Das könnte ein sehr interessantes Rennen werden, mit einigen Variablen, die man unter Kontrolle haben muss. Hoffentlich können wir die Leute unterhalten."

Der 41-Jährige wiederholt noch einmal das Ziel der Williams-Mannschaft im Grand Prix von Mexiko: "Unsere klare Absicht ist es, Red Bull zu schlagen. Solange Sebastian auf der dritten Position ist, wollen wir auch mit ihm kämpfen."