Kaltenborn: "Esteban und Telmex verschiedene Dinge"

Während sich Monisha Kaltenborn unwissend gibt, dass Sergio Perez den Namen seines Nachfolgers vorzeitig ausplauderte, zweifelt Esteban Gutierrez, ob er bereit ist

(Motorsport-Total.com) - Am Donnerstag ließ der scheidende Sauber-Pilot Sergio Perez in seiner Medienrunde die Katze aus dem Sack: "Das Team hat mit Nico einen guten und erfahrenen Piloten sowie mit Esteban einen starken Teamkollegen." Auf die Frage, ob das nun heiße, dass Ersatzpilot Esteban Gutierrez als sein Nachfolger fix sei, schmunzelte der Mexikaner bloß - und meinte: "Wir warten auf die Bekanntgabe."

Titel-Bild zur News: Esteban Gutierrez und Monisha Kaltenborn

Kaltenborn setzt 2013 mit Gutierrez auf den nächsten Mexikaner Zoom

In der Formel 1 ist es äußerst unüblich, dass Fahrerbekanntgaben nicht auf offiziellem Wege stattfinden. Am Tag danach folgte dann schließlich die Pressemitteilung, wonach Gutierrez 2013 seinen Landsmann Perez ersetzen werde. Die Optik bleibt unglücklich. Teamchefin Monisha Kaltenborn gibt sich heute unwissend, dass sich Perez am Vortag verplaudert hatte: "Ich weiß nicht, was Sergio gesagt hat."

Kaltenborn spricht von sofortiger Bekanntgabe

Auf die Geschehnisse hingewiesen, erklärt die Österreicherin, dass es keinen Zusammenhang mit dem Timing der Bekanntgabe gäbe: "Es wurden so viele Dinge gesagt, so viele Leute wurden mit uns in Verbindung gebracht. Für uns ist es wichtig, dass wir es sehr kurzfristig entschieden haben. In dem Moment, wo es klar war, gingen wir damit an die Öffentlichkeit."

"In dem Moment, wo es klar war, gingen wir damit an die Öffentlichkeit." Monisha Kaltenborn

Durch die Entscheidung steht die Fahrerpaarung des Schweizer Rennstalls für die kommende Saison jedenfalls fest: Mit Nico Hülkenberg und Gutierrez setzt man auf zwei neue Piloten - Kamui Kobayashi wird nach drei Jahren vor die Tür gesetzt. Kaltenborn ist stolz auf ihr neues Duo, das sie als "starke Fahrerpaarung" bezeichnet.

"Mit Nico haben wir einen erfahrenen Piloten, der seine dritte Saison bestreiten wird", setzt die Teamchefin auf eine klare Rollenverteilung. "Wir waren von seinen Leistungen sehr beeindruckt. Wenn er eine Möglichkeit sieht, dann nützt er sie und bringt die Punkte nach Hause. Er ist sehr effizient. Das war bei uns eine der Schwächen - wir hatten nicht diese Konstanz und nützen nicht alle unsere Chancen. Dafür ist er der Richtige."

Welche Rolle spielte Telmex?

Sie sieht Gutierrez in der Tradition junger aufstrebender Talente wie Heinz-Harald Frentzen, Kimi Räikkönen oder zuletzt Perez, die Sauber als Sprungbrett nutzten: "Esteban haben wir wirklich als jungen, talentierten Fahrer, der in die GP3 kam, unter unsere Fittiche genommen, denn wir hatten das Gefühl, dass er das Talent hat." Sie vergleicht ihn mit seinem Vorgänger: "Bei Sergio hat das Team tolle Arbeit geleistet, ihn in zwei Jahren dorthin zu bringen, wo er jetzt ist. Wir glauben, dass Esteban sehr talentiert ist. Jetzt liegt es an uns, ihm diese Umgebung zu bieten, wo er sein Talent zeigen und sich entwickeln kann."

"Esteban und Telmex sind zwei verschiedene Dinge." Monisha Kaltenborn

Angenehmer Nebeneffekt bei Gutierrez: Er könnte die mexikanischen Geldgeber rund um den reichsten Mann der Welt, Telmex-Boss Carlos Slim, noch länger an der Stange halten, schließlich endet der Sponsorenvertrag Ende 2013. Der Mexikaner hatte schon vor kurzem angedeutet, dass für ihn ein Landsmann im Cockpit eine Art Grundbedingung sei.

Kaltenborn behauptet aber, dass die Beförderung von Gutierrez eine rein sportliche Entscheidung war: "Grundsätzlich muss ich zu Esteban sagen, dass er und Telmex zwei verschiedene Dinge sind. Er stammt nicht aus der 'Escuderia Telmex'. Natürlich gibt es eine gewisse Verbindung, denn Telmex und Carlos Slim-Domit haben diese Vision des Motorsports in Mexiko und Lateinamerika aufgebaut. Es ist aber ganz klar die Entscheidung des Teams, ihn bekanntzugeben und ihn als unseren Rennfahrer zu nominieren."

Gutierrez über Telmex-Unterstützung dankbar

Für Alex Wurz, der als Leiter der FIA-Academy und als Williams-Fahrercoach Erfahrung mit Nachwuchspiloten hat, kommt die Entscheidung des Sauber-Teams nicht überraschend, wie er gegenüber dem 'ORF' klarstellt: "Mit Gutierrez konnte man rechnen. Da gibt es diese mexikanische Connection." Er hält ihn aber für durchaus talentiert: "Der junge Mann ist ein sehr guter Nachwuchsfahrer, der in den unteren Kategorien gute Leistungen gezeigt hat."

"Der junge Mann ist ein sehr guter Nachwuchsfahrer." Alex Wurz

Gutierrez selbst, der als größte bisherige Erfolge den Gewinn der GP3-Meisterschaft 2010 und Platz drei in der GP2-Saison 2012 (drei Siege) zu Buche stehen hat, liebäugelt schon länger mit dem Sauber-Cockpit: "Ehrlich gesagt, gab es immer einen Plan mit diesem Team. Jedes Jahr gab es natürlich unterschiedliche Möglichkeiten, aber wir haben diesen Weg verfolgt." Auf die Frage, wie viel Geld er zum Teambudget beiträgt, gibt er keine klare Antwort: "Der Fahrer ist natürlich immer Teil eines Gesamtpakets. Für ein Team ist es sehr wichtig, das Geld zu haben, um es in die Entwicklung zu investieren."

Er dementiert nicht, dass ihm Telmex-Boss Slim finanziell unter die Arme greift: "Natürlich ist die Unterstützung der Sponsoren sehr wichtig, vor allem von Carlos." Er freut sich aber auch darüber, dass mit ihm einige Mexikaner in die Formel 1 gekommen sind: "Er hat auch eine große Leidenschaft für den Rennsport. Das ist der Idealzustand. Man verbringt dadurch seine Zeit auch mit Landsleuten."

Ist Gutierrez reif für die Formel 1?

Trotz des vertrauten Umfelds wird Gutierrez aber nun ins Haifischbecken der Formel 1 geworfen - ob er darin schwimmen kann, ist für viele noch ein Fragezeichen. Sogar für ihn selbst: "Ehrlich gesagt weiß ich noch nicht, ob ich schon bereit bin. Nächstes Jahr werde ich das wissen. Ich habe aber das Selbstvertrauen, dass ich diesen nächsten Schritt in meiner Karriere machen kann."

"Ehrlich gesagt weiß ich noch nicht, ob ich schon bereit bin." Esteban Gutierrez

Zumal er bei Young-Driver-Tests und beim Freitag-Training in Indien bereits Erfahrung im Sauber-Boliden sammeln durfte. "Ich habe meine Zeit auf der Strecke genutzt, um mein Wissen über das Auto zu erweitern", zeigt er sich mit seiner Herangehensweise zufrieden. "Nicht nun in Hinblick auf den Fahrstil, sondern auch auf das Feedback, denn ich weiß, dass das ein Schlüsselfaktor in der Formel 1 ist, weil es die Entwicklung des Teams beeinflusst."

Diesbezüglich wird aber ohnehin der routiniertere Hülkenberg die Marschrichtung vorgeben, wie Kaltenborn klarstellt: "Wir erwarten von Nico, dass er mehr Einfluss auf die Führung der Ingenieure und die Entwicklungsrichtung hat, weil er mehr Erfahrung hat." Auch wenn Gutierrez in den Nachwuchsjahren durchaus seinen Speed bewiesen hat, fiel er aber auch immer wieder mit Fehlern auf.

Fehlende Konstanz als Schwäche

Ihm ist seine Schwäche bewusst: "Es stimmt, dass ich in der GP2 keine Konstanz erreicht habe, aber ich sehe 2012 trotzdem als die lohnendste Saison meiner Karriere. Jetzt möchte ich mich in der Formel 1 stabilisieren. Wenn mir das gelungen ist, dann möchte ich Topresultate einfahren." Dass der Druck durch die Bekanntgabe nun größer wird, ist ihm bewusst: "Dadurch wird es noch intensiver. Deswegen will ich es so ruhig wie möglich und mit kühlem Kopf angehen, um bestmöglich in die Zukunft blicken zu können."

Kaltenborn versucht, den Druck auf den Schultern des 21-Jährigen etwas zu lindern: "Am wichtigsten ist es für ihn, dass er aus diesen Fehlern lernt. Er weiß, wie das Team funktioniert, und hoffentlich haben wir nächstes Jahr ein gutes Auto. Es ist Teil dieser ganzen Entwicklung."

Kaltenborn reagiert auf Kritik

Dass er für den Schritt bereit ist, steht für sie außer Frage: "Wir glauben, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist." Auch die Kritik an der Entscheidung, den populären und routinierten Kobayashi durch den unerfahrenen Gutierrez zu ersetzen, nimmt sie locker: "Wir wollen nicht vergleichen, denn es ist eine ganz andere Situation. Als Kamui zu diesem Team kam, hatte er auch nicht so viel Erfahrung. Wir wurden dafür kritisiert. Das Gleiche passierte mit Sergio, auch dafür wurden wir kritisiert."

Esteban Gutierrez

Esteban Gutierrez' Leistungen in der GP2 schwankten Zoom

Zumal auch Perez in der GP2 nie Meister wurde. "Man muss sich die Frage stellen, wie repräsentativ diese Serien sind", hinterfragt Kaltenborn, ob man aus den Ergebnissen der Nachwuchsserien ernsthafte Rückschlüsse ableiten kann. "Daher ist es wichtig, wenn man von einem Fahrer überzeugt ist, dass man ihm ein gutes Auto gibt."

Dass man mit dem Youngster ein Risiko eingeht, ist ihr aber klar: "Es besteht immer ein Risiko. Wir waren in unserem Team schon oft in dieser Situation - das letzte Beispiel mit Sergio, bei dem wir auch wussten, dass ein Risiko besteht. Bei Esteban ist die Situation vielleicht ein bisschen anders, denn er steht mit dem Team schon länger in Verbindung, er ist schon länger Teil des Teams, war vor allem dieses Jahr integriert. Er weiß viel besser, wie das Team funktioniert. Wir hoffen, dass wir einmal mehr das richtige Umfeld bieten, damit er zeigen kann, wie gut er ist."