Jede Niederlage ist für Dennis ein kleiner Nadelstich

McLaren-Mercedes-Teamchef Ron Dennis erklärt, warum für ihn nur Siege zählen und warum er Optimismus in der Formel 1 für eine Schwäche hält

(Motorsport-Total.com) - Ron Dennis ist schon ein eigenartiger Zeitgenosse: Sein Perfektionismus trieb ihn vor einigen Jahren so weit, in den Boxen seines Rennstalls Marmorböden verlegen zu lassen, die von den Mechanikern natürlich immer blitzblank sauber gehalten werden mussten. Auch die Hightechfabrik in Woking gleicht eher einer Raumstation als einem Formel-1-Hauptquartier.

Titel-Bild zur News: Ron Dennis

Ron Dennis ist seit 1980 einer der erfolgreichsten Teamchefs der Formel 1

Der Brite ist einer der schlechtesten Verlierer im gesamten Fahrerlager, gilt als exzentrisch, wirkt manchmal ein wenig arrogant - auch wenn Mercedes-Sportchef Norbert Haug immer wieder behauptet, dass sein Langzeitpartner privat Späße machen kann, dass sich alle am Boden kugeln. Bestes Beispiel: Ayrton Senna bot Dennis einmal 5.000 Dollar dafür an, in einem chinesischen Restaurant die Schüssel mit dem roten Chili auszulöffeln, was dieser prompt tat...#w1#

Wer alle Rennen gewinnt, wird auch Weltmeister

"McLaren existiert, um in jedem Rennen zu gewinnen, in dem wir antreten." Ron Dennis

Am Rennplatz zählt für den 58-Jährigen aber nur eines: "McLaren existiert, um in jedem Rennen zu gewinnen, in dem wir antreten", sagte er dem 'Guardian'. "Sich Sorgen über die Konkurrenz zu machen, ist eine überflüssige Übung, denn wenn man alle Rennen gewinnt, dann gewinnt man logischerweise auch die Weltmeisterschaft. Ich bin niemand, der zurückblickt und die Vergangenheit bedauert. Für McLaren hat Priorität, immer nach vorne zu schauen und das nächste Rennen zu gewinnen."

Zweite Plätze sind für den unterkühlten Dennis wie Nadelstiche in sein Herz, Siege hingegen wie Balsam auf seiner Seele - es soll sogar schon vorgekommen sein, dass er nach Triumphen seiner Lieblingsfinnen Mika Häkkinen oder Kimi Räikkönen die eine oder andere Träne verdrückt hat. Gleichzeitig ist es aber auch kein Geheimnis, dass er gegen britische Landsleute wie Frank Williams unter Umständen sogar verlieren kann, nicht aber gegen die verhassten Todfeinde von Ferrari.

2006 würde er daher gerne zu einer großen Siegesserie ansetzen: "Ich bin nie optimistisch, weil der Sport, in dem wir uns messen, sehr hart ist, aber wir wissen, dass der MP4-21 über eine Menge Potenzial verfügt. Am ermutigendsten ist, dass wir für Australien ein umfangreiches Update erwarten, ebenso wie für den Nürburgring. Wir werden in den nächsten paar Rennen einige Quantensprünge nach vorne machen", so der Ex-Brabham-Mechaniker, dessen Ehefrau Kinderbücher schreibt.

Eiserne Disziplin ist bei Dennis Programm

"Zuversicht ist eine Schwäche." Ron Dennis

Dem Erfolg ordnet Dennis alles unter, doch nicht nur er selbst arbeitet mit eiserner Disziplin auf Siege hin, sondern er erwartet auch von seinen Mitarbeitern vollsten Einsatz. Hemden, die aus der Hose heraushängen, gibt es bei McLaren nicht, und Ex-Testfahrer Alexander Wurz war es sogar verboten, eine eigene Internetseite mit McLaren-Mercedes-Fotos zu betreiben - im Benetton-Overall hätte sich der Österreicher kurioserweise sehr wohl präsentieren dürfen...

Auch David Coulthard, der bei Red Bull zu einem heißblütigen Partylöwen wurde, nachdem er sich jahrelang ins PR-Korsett von McLaren-Mercedes gezwängt hatte, ist ein gutes Beispiel für die zumindest fragwürdige Marketingphilosophie der "Silberpfeile". Gleichzeitig herrscht im Team aber ein recht freundschaftliches und für die Mitarbeiter angenehmes Arbeitsklima - kein anderer Teamchef protestierte aus Rücksicht auf seine Belegschaft so laut gegen die Aufstockung des Kalenders wie Dennis.

Teamkultur wird bei McLaren groß geschrieben

McLaren-Fabrik

In McLarens Traumfabrik in Woking ist alles bis ins letzte Detail durchgestylt Zoom

Im Gegenzug erwartet er sich aber auch viel: "Ich möchte, dass jeder bei McLaren die Verantwortung dafür trägt, ein Teil dieses Teams zu sein. Die Teamkultur ist uns ungemein wichtig. Ich glaube daran, dass sich die Mitglieder des Teams in diese Kultur einfügen, wenn man sie gut behandelt", sinnierte der 58-Jährige, der übrigens erstaunlich gut damit zurechtkommt, dass Juan-Pablo Montoya neuerdings seine ganze Familie in die Box mitbringt.

"Wir sind", so Dennis, "in erster Linie ein Unternehmen, das sich um seine Angestellten sorgt. Also wollen wir unseren Mitarbeitern verständlich machen, in welche Richtung sich das Unternehmen entwickelt und was wir zu tun versuchen. Das geht weit über die Formel 1 hinaus. Viele verstehen mich da nicht, aber ich bin der Meinung, dass ein Unternehmen, welches sich ausschließlich auf die Formel 1 konzentriert, finanziell keine Überlebenschance hat."

McLaren steht für Extravaganz, Qualität und Stil

In der McLaren-Fabrik werden daher nicht nur Grand-Prix-Autos gebaut, sondern auch Sportwagen für Mercedes-Benz, hochwertige Stereoanlagen und vieles mehr - nur eines zieht sich quer durch die komplette Produktpalette der McLaren-Gruppe: Extravaganz, Qualität und Stil. Dass die "Silberpfeile" plötzlich in aufregender Chrom-Optik auftreten, die um 40 Prozent teurer ist, ist auch in erster Linie Dennis' Streben nach Perfektion in jedem Bereich zu verdanken.

"Wir sind nur Hüter dieses Unternehmens und schreiben unser eigenes Kapitel in seiner Geschichte." Ron Dennis

Illusionen über seine eigene Bedeutung macht er sich dennoch nicht: "Es ist sehr wichtig, dass wir realisieren, dass es McLaren schon vor uns gegeben hat und auch nach uns geben wird. Wir sind nur Hüter dieses Unternehmens und schreiben unser eigenes Kapitel in seiner Geschichte", sagte der Motorsportenthusiast. Ein wenig klopfte er sich dann aber doch selbst auf die Schulter: "Das Unternehmen ist jetzt in einem besseren Zustand als vor meiner Ankunft."

Man kann über Ron Dennis denken, was man will; ihn für arrogant oder auch egozentrisch halten. Doch eines muss man ihm lassen: Als er 1980 von Teddy Mayer McLaren übernahm, handelte es sich dabei nur um ein beschauliches Garagenunternehmen. Heute führt der Brite einen Kleinkonzern von Weltruf - und mit Sponsor 'Vodafone' und Fernando Alonso hat er die Weichen für die Zukunft ebenfalls längst richtig gestellt...