• 17.09.2007 10:51

Jean Todt spricht Klartext

Der Ferrari-Rennleiter im ausführlichen Mediengespräch über das Urteil in der "Spionage-Affäre" und die Folgen sowie über die Konkurrenzfähigkeit des F2007

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Wie ist für Sie die vergangene Woche verlaufen?"
Jean Todt: "Seitdem wir uns das letzte Mal in Monza getroffen haben, war es eine intensive Woche. Wir waren über das Ergebnis definitiv nicht glücklich, denn wir haben dominiert. Felipe hatte einmal mehr in dieser Saison ein Problem mit der Zuverlässigkeit, und ich muss sagen, dass es eine harte Woche war, sehr schwer."

Titel-Bild zur News: Jean Todt

Rennleiter Jean Todt ist mit dem "milden" Urteil nicht zufrieden

"Wir hatten zunächst die Anhörung der FIA mit den Entscheidungen, die wir alle kennen. Ich wartete bis abends ab, um einen Kommentar abzugeben, und um ein paar der eventuell auftretenden Fragen zu beantworten."

"Es ist sehr schwierig zu sagen, dass wir glücklich sind, wir sind unglücklich. Etwas, das nach der Anhörung des 26. Julis sehr wichtig war, ist die Tatsache, dass man bestraft werden muss, wenn man schuldig ist."#w1#

"Es wurde befunden, dass unser Hauptgegner nach der Vorlage neuer Beweise schuldig ist, mit einer milden Strafe bestraft wurde, Punkte in der Konstrukteurswertung verliert."

"Wenn man sich dies näher anschaut, dann ist dies eine traurige Geschichte. Man realisiert, dass es ein sehr milder Urteilsspruch ist, den wir respektieren."

"Heute ist es nicht bedeutend, über die Konstrukteursmeisterschaft zu sprechen, denn wir wissen, dass unser Hauptgegner noch Zeit hat, Einspruch einzulegen. Wir werden ihre Entscheidung abwarten, um in der Lage zu sein, darüber einen Kommentar abzugeben."

"Was das Rennen betrifft: Seit Freitag hatten wir das Gefühl, dass wir stark sein würden. Es war keine Überraschung, mit der Spezifikation unseres Autos stark zu sein, da der Kurs etwas Ähnlichkeit mit jenem in Istanbul hat. Seit dem Beginn des Freitagmorgens waren wir konkurrenzfähig."

"Am Samstag gab es ein sehr enges Qualifying, in dem es zwischen Kimi und Felipe einen sehr geringen Abstand gab. Beide fuhren ein fantastisches Rennen, und es war großartig, den siebten Sieg der Saison, vier für Kimi und drei für Felipe, zu sehen."

"Nun sind es noch drei Rennen bis zum Ende der Meisterschaft, und wie ich schon vor langer Zeit gesagt habe, werden wir unser Möglichstes tun, um konkurrenzfähig sein zu können, und zu versuchen, die kommenden drei Rennen zu gewinnen. Wir wissen, dass es schwierig ist, aber das ist das, was wir versuchen werden."

Frage: "Kimi liegt in der WM-Wertung vor Felipe, und es könnte für Ferrari von Vorteil sein, die Unterstützung mehr auf ihn zu lenken als auf Felipe, oder?"
Todt: "Ich bin über diese Frage überrascht. Zunächst einmal denke ich, dass es sehr wichtig ist zu sehen, ob sie einen Einspruch einlegen oder nicht, zu sehen, ob sie dagegen in Berufung gehen oder ob sie keinen Einspruch einlegen."

"Denn wenn sie einen Einspruch einlegen, dann denke ich, dass sich dies in Bezug auf Situation der Fahrerwertung deutlich auswirkt. Der Einspruch wird dann womöglich vor dem Großen Preis von Japan verhandelt und wir könnten es mit einer komplett anderen Situation zu tun bekommen. Bevor wir über den Einspruch nicht Bescheid wissen, ist dies etwas, das ich nicht weiter kommentieren werde."

Frage: "Falls McLaren einen Einspruch einlegt, würden Sie dann erwarten, dass der Weltmotorsportrat die Entscheidung neu überdenkt, es ihnen zu erlauben, die Punkte in der Fahrerwertung zu behalten?"
Todt: "Ich habe schon zu Beginn gesagt, dass sie eine sehr milde Strafe erhalten haben, wenn man den gesamten Fall betrachtet."

"In einem Berufungsfall hat man es nur mit Richtern zu tun. Wenn man den Rechtsfall betrachtet... Ich kann nicht wissen, was das Ergebnis des Einspruchs sein würde. Wenn es denn überhaupt einen Einspruch gibt."

"Aber Sie haben mich gefragt, was sie tun werden. Persönlich wünsche ich, dass sie es tun werden. Ich denke, dass das Ergebnis anders ausfallen sollte. Aber noch einmal, dies ist ein persönliches Gefühl."

Frage: "Werden Sie etwas unternehmen, um den Fall zu vertiefen, um vielleicht eine härtere Strafe zu erwirken, oder ist der Fall erledigt? Wird Ferrari den Fall weiter verfolgen, um die Strafe für McLaren zu verschlimmern?"
Todt: "Nein. Wie ich schon gesagt habe, dies ist nicht die Frage. Ich hatte es schon vor einer Woche mit dieser Frage zu tun. Das ist kein Menü, bei dem wir sagen, was wir möchten und was wir nicht möchten."

"Wir respektieren die Strafe, aber wir haben das Gefühl, dass es eine milde Strafe ist, wenn man die gesamte Angelegenheit betrachtet, aber wir als Ferrari werden dies nicht tun."

"Für uns war es sehr wichtig, dass wenn man schuldig ist, man eine Bestrafung erhalten muss, so wie ich das schon vorher erwähnt habe. Sie waren schuldig, sie haben ihre Bestrafung erhalten."

"Man kann immer ausreichend entscheiden oder nicht ausreichend. Wir haben das Gefühl, dass die Strafe mild ist. Ich weiß, dass gestern der FIA-Präsident gesagt hat, dass er bestätigt, dass sie mild ist. Aber wir wissen, dass in diesem Geschäft eine Menge Dinge in Betracht gezogen werden müssen, und das kann ich verstehen."

"Es ist viel besser, vier Rennen - inklusive diesem - mit allen Fahrern zu haben. Diesbezüglich argumentiere ich auch nicht, aber es wurden eine Menge Dinge in Betracht gezogen, um die Meisterschaft und weniger diesen einen schädlichen Fall vorteilhaft zu betrachten."

Frage: "Sollte sich McLaren schlussendlich dazu entscheiden, keinen Einspruch einzulegen, ist Ferrari dann bereit, im Hinblick auf die Meisterschaft ein paar Anweisungen an die Fahrer auszugeben und alle zivilrechtlichen Prozesse gegen McLaren einzustellen?"
Todt: "Sie sprechen über verschiedene Dinge. Für mich zählt das Interesse des Teams, die Nummer 1 sind also die Interessen des Teams. In Bezug auf den zivilgerichtlichen Fall in England und den strafrechtlichen Fall in Italien hatte dies nichts mit der FIA zu tun, und es ist nicht unsere Verantwortlichkeit in Italien. Das ist Sache der Gerichte, die den Fall abdecken"

"Ich weiß, dass unser Präsident diesem Erfolg unserem Unterstützer gewidmet hat, der die Idee hatte, uns über die gestohlenen Dokumente zu informieren. Glücklicherweise hatten wir jemanden loyalen und fairen, der uns diesbezüglich geholfen hat. Und wir haben keinen Grund, irgendeine juristische Aktion zu stoppen."

Frage: "Was hatte Ross Brawn am Donnerstag mit der Anhörung zu tun, und ist seine Involvierung ein Hinweis darauf, was er kommendes Jahr für Ferrari tun wird?"
Todt: "Das sind zwei verschiedene Dinge. Wir haben Ross Brawn gebeten, als ein Zeuge ein paar Dinge zu erklären, was ein Chef-Designer ist, verschiedene Dinge zu kommentieren, die aufgetaucht sind."

"Und wir wussten, dass er als Zeuge für Fragen in Bezug auf Funk-Verkehr zur Verfügung steht, es war für ihn also wichtig, falls die Frage gestellt werden würde, dass er sie beantwortet, aber in der Zwischenzeit hat Kimi Räikkönen eine Zeugenaussage über den Funk-Verkehr abgegeben, die Frage wurde uns also nicht mehr gestellt."

"Vielleicht ein Wort darüber. Ich habe so viel über das Skelett von Ferrari gelesen, über die große Überraschung, was im Verlauf der vergangenen zehn Jahre passieren wird. Es ist nur ein Skelett, wenn ich das Wort verwende, was über Funk-Verkehr übermittelt wurde."

"Und in unserem Geschäft, ist es bei den meisten Top-Teams so, dass... Wissen Sie, es ist einfach, jeder von Ihnen kann Radio-Kommunikation auswählen und wird ein paar der Teams hören, nicht alle, denn manche von ihnen sind verschlüsselt."

"Wir sind verschlüsselt, unser Hauptgegner ist verschlüsselt, andere sind unverschlüsselt. Glauben Sie mir, den Grad an Informationen, den man erhält, ist nicht sehr groß, aber er existiert und natürlich wurde unser Hauptzeuge darüber befragt, das war also das Skelett, über das wir so viel hörten."

Frage: "Was ist mit Ross und dem kommenden Jahr?"
Todt: "Das ist etwas, das ich bereits erwähnt habe. Wir haben immer gesagt, dass wir mit Ross sprechen werden, wir sprechen mit ihm, wir hatten also schon ein paar Diskussionen, und im Moment ist von keiner Seite eine Entscheidung getroffen worden."

Frage: "Herr Mosley hat gestern gesagt, dass die Strafe für McLaren zu mild ist, dass sie nur 2007 betrifft, und dass das Team 2008 schon befleckt hat. Das waren Mosleys Worte. Hat McLaren aufgrund der Informationen, die sie für das kommende Jahr haben, Ihrer Meinung nach einen unfairen Vorteil gegenüber Ihnen?"
Todt: "In Bezug auf das kommende Jahr weiß ich es nicht. Ich weiß es nur in Bezug auf dieses Jahr. Da ich nicht denke, dass es im Hinblick auf dieses Jahr gut erklärt wurde, würde ich dieses Jahr in zwei Teile aufgespalten."

"Eines betrifft jene 780 Seiten, die im Juli gefunden wurden, und unser Hauptgegner gibt vor, dass er diese nie verwendet hat. Es war ein einzelner Angestellter, um die Worte zu wiederholen, die verwendet wurden, um zu begründen, warum diese Informationen nie in ihr Unternehmen gelangen."

"Aber ich möchte Sie an den Beginn dieser ganzen Geschichte, an den 26. Juli und die Erklärung eines Informanten erinnern, was eine reine Erfindung war. Von Beginn der Saison an hatten sie Zugriff auf eine Menge Informationen, die in den 780 Seiten nicht zu finden sind."

"Sogar im Normalfall ist ein Informant für gewöhnlich jemand, der Informationen an die sportliche Behörde gibt, aber nicht an den Hauptgegner."

"Und wenn ich lese, dass unser Hauptgegner im Interesse des Sports keinen Einspruch einlegt, dann denke ich, dass alles im Interesse des Sports gestoppt worden wäre, wenn die FIA und Ferrari von Beginn an über den Austausch von Informationen informiert geworden wären, was von den Top-Leuten unseres Hauptgegners akzeptiert wurde."

Frage: "Denken Sie, dass die Spionage-Kontroverse dem Image der Formel 1 oder jenem von Ferrari geschadet hat?"
Todt: "Das ist wirklich nicht gut für die Formel 1. Wenn man all diese Probleme im Radsport hört, dann ist dies nicht gut für den Sport. Es ist sehr wichtig, zu bestrafen. Wenn Dinge falsch laufen, dann muss man ordentlich antworten, um zu versuchen sicherzustellen, dass dies nicht noch einmal passiert."

"Der Sport, der Wettbewerb und all dies ist fantastisch. Aber man muss wissen, wo man das Limit setzt. Wir alle wollen gewinnen, wir alle wollen ans Limit gehen, aber es ist sehr wichtig, das Limit nicht zu überschreiten."

Frage: "Wir verstehen nicht, warum Ihr Auto auf bestimmten Strecken so konkurrenzfähig ist. Es scheint so zu sein, als passe ihr Auto besser auf Strecken mit sehr glattem Asphalt wie Istanbul, wie hier und wie in Magny-Cours, und McLaren passe besser auf unebene Strecken. Ist dies richtig?"
Todt: "Bei allem Respekt vor der Konkurrenzfähigkeit ihres Autos haben wir das Gefühl, dass wir in diesem Jahr konkurrenzfähiger waren. Wir waren einfach nicht zuverlässig genug. Es ist leicht, jedes Rennen zu analysieren. Sie sind bei keinem einzigen Rennen aus Gründen der Zuverlässigkeit ausgefallen, und wir haben viele Male wegen Problemen mit der Zuverlässigkeit gestoppt. Wir zahlen den Preis dafür."

"Aber ansonsten wissen wir, dass wir unter bestimmten Bedingungen - und dies ist etwas, das ich bereits vergangene Woche erwähnt habe - in Monte Carlo, Kanada, Indianapolis, Monza nicht sehr konkurrenzfähig waren."

"Wir haben das Gefühl, dass dies mit mangelhafter mechanischer Haftung und einer nicht ausreichenden Leistung auf Randsteinen zu tun hatte. Wir werden also definitiv diesbezüglich im Hinblick auf das nächstjährige Auto einer großen Aufmerksamkeit schenken, aber wir können das Auto für das Saisonende nicht neu designen."

Frage: "Ferrari hat zwei der drei Großen Preise von China gewonnen. Denken Sie, dass Ferrari auf dem Kurs von Shanghai gewinnen sollte, und haben Sie spezielle Vorbereitungen getroffen?"
Todt: "Aus zwei verschiedenen Gründen liebe ich den Kurs von Shanghai. Wir waren bereits in Shanghai sehr erfolgreich. Wir gewannen das erste Rennen und wir freuen uns sehr darauf, nach Shanghai zu kommen. Dort wurde fantastische Arbeit geleistet, sie stellen ein fantastisches Renn-Stadion zur Verfügung."

"Es ist faszinierend zu sehen, wie Shanghai wächst, ich bin also sehr froh, dort zu sein. Und wir haben das Gefühl, dass wir ein gutes Rennen fahren sollten."