• 03.08.2006 11:09

Jani wünscht sich für 2007 ein Stammcockpit

Die Chancen stehen schlecht, aufgeben will er aber nicht: Neel Jani hofft weiterhin auf einen Stammplatz in der Königsklasse des Motorsports

(Motorsport-Total.com) - Als Freitagsfahrer für die Scuderia Toro Rosso schnuppert Neel Jani seit Anfang dieser Saison regelmäßig Formel-1-Luft. Doch der 22-jährige Bieler hat Höheres im Sinn: Als erster Schweizer seit über zehn Jahren möchte der Testpilot ein Stammcockpit in der höchsten Motorsportklasse erobern, berichtet das 'eMagazine' der 'Credit Suisse'.

Titel-Bild zur News: Neel Jani

Neel Jani träumt davon, schon 2007 Formel-1-Rennen zu fahren

Kimi Räikkönen trägt eine kleine Sonne am Handgelenk eintätowiert, bei Jani strahlt sie feurig aus dem Logo. Ein Hinweis, dass hier das Sonnenkind des Schweizer Motorsports zu finden ist? Der 22-Jährige zeigt gern die Zähne - und meist tut er das kombiniert mit seinem sympathischen Lachen. Viel Biss ist von ihm auch im Cockpit gefragt, denn Test- und Freitagsfahrer im Formel-1-Team der Scuderia Toro Rosso zu sein, bedeutet eigentlich, einen Doppeljob auszuüben: Jani testet nicht nur das Auto auf seine Grand-Prix-Tauglichkeit, auch er selbst wird für höhere Aufgaben getestet.#w1#

Testfahrerregelung wird für 2007 abgeschafft

Mit Beginn der zweiten Saisonhälfte hat auch der Kampf um die Arbeitsplätze für 2007 begonnen - und Jani hat nichts anderes im Sinn, als einen Stammplatz für das kommende Rennjahr zu ergattern - zumal der Automobilweltverband die Drittfahrerregelung abschaffen will. Künftig soll jeder Rennstall dafür vier Piloten übers ganze Jahr hinweg einsetzen dürfen. Bei einem dieser Quartette will der Seeländer dabei sein.

Dass er einen Formel-1-Rennwagen problemlos geradeaus steuern kann, hat Jani bereits in den Jahren 2003/2004 bewiesen, als er für das Sauber-Team als Testpilot gemeldet war. Doch seine Einsätze waren mangels richtiger Testmannschaft auf zweieinhalb Tage in zwei Jahren limitiert, mehr als Aerodynamiktests auf der Geraden waren kaum drin. Bei der Scuderia Toro Rosso, dem ehemaligen Minardi-Team, kommt es mehr auf die Kurventechnik an. Schon im Vorjahr durfte er gelegentlich Abstimmungsarbeit für das große Red-Bull-Racing-Team leisten, zu dessen Juniorkader er gehört.

Ein Job, der Lenken und Denken fordert: Wenn Jani freitags zweimal eine Stunde auf der Piste unterwegs ist, dauert die Aufarbeitung des von ihm gesammelten Datenmaterials manchmal dreimal so lange. Seine Lernfähigkeit kommt ihm bei der Aufgabe entgegen, so kann er das Auto weiterentwickeln und sich selbst auch. Bilanz nach der Hälfte des ersten Lehrjahres: "Die Kunst des Rennfahrens liegt darin, schnell das richtige Feeling für das Auto zu haben." Gefühlsmäßig, da ist er sich längst sicher, steht er den Stammfahrern Vitantonio Liuzzi und Scott Speed in nichts nach: "Mein Einsatz als Freitagsfahrer hat mir schon jetzt ganz neue Horizonte eröffnet."

Von den Bilanzen der Rundenzeiten her ist Jani meist im Nachteil, auch gegenüber anderen Freitagstestern. Dass hat damit zu tun, dass die Scuderia Toro Rosso den dritten Mann intensiver nutzt als viele andere Rennställe: Jani erprobt die richtigen Reifenmischungen fürs Rennen und er absolviert diese verantwortungsvolle Tätigkeit in so genannten Long-Runs, vielen Runden am Stück mit entsprechend hoher Benzinladung. Für fliegende Runden mit leichtem Tank, die für eine schöne Ergebniskosmetik auf dem Zeitenmonitor sorgt, hat man in seinem Rennstall nichts übrig. Damit wirkt Jani bei aller Effizienz und Fahrpraxis manches Mal unauffälliger als die Konkurrenten.

Jani fährt freitags meistens mit viel Benzin

Neel Jani

Neel Jani spielt bei der Scuderia Toro Rosso derzeit nur die dritte Geige Zoom

Ein wenig Bedauern ist schon dabei, wenn er sagt: "Ich würde ja auch mal gern nach vorne fahren, aber die anderen Rennställe stimmen ihre Autos am Freitag auf die Qualifikation ab." Grundsätzlich mag er aber keinen Zielkonflikt erkennen: "Ich muss das Beste für das Team herauszuholen, und ich versuche gleichzeitig das Beste für mich zu tun." Den nötigen Druck macht er sich selber. Er weiß, dass er ganz nah dran ist, seinen Lebenstraum zu verwirklichen.

Um mehr als den großen Zeh ins Formel-1-Geschäft zu bekommen, hat Jani, dessen Rennfahrerkarriere mit fünf Jahren in einem Kart begann, auch die GP2-Serie sausen lassen, in der er zwei Siege herausfahren konnte. Und die Einsätze im Länderpokal A1-Grand-Prix-Serie, wo er für die Schweiz den zweiten Platz herausfahren konnte, sind auch Geschichte. Nur neulich in Silverstone, als ein Pilot aus der zweiten Liga erkrankt war, musste er noch mal spontan in den Arden-Rennwagen umsteigen. Dabei wurde ihm die eigene rasante Entwicklung der letzten Monate erst richtig bewusst: Der GP2-Renner kam ihm gegenüber dem Scuderia-Toro-Rosso-Boliden plötzlich unendlich langsam vor.

Tempo, Tempo: Mit 22 ist Jani genau im richtigen Alter, um den großen Karrieresprung zu machen. Darüber entscheiden werden drei Österreicher: Die Teamchefs Gerhard Berger und Franz Tost sowie Helmut Marko, der Talentspäher von Red Bull. Jani tut dazu, was in seinen Kräften steht. Im Winter hat er sich wie noch nie in sein Fitnesstraining reingekniet. Jani will aktiv gegen das alte Vorurteil angehen, er sei zwar talentiert, aber nicht stabil genug sei für eine große Karriere: "Eine bessere Vorbereitung, als ich sie in diesem Jahr bekomme, gibt es nicht", ahnt er.

Hinter dem Horizont geht es weiter...