• 28.09.2002 18:01

  • von Marcus Kollmann

Irvine: Vielleicht bricht sich Michael morgen beide Beine

Der Nordire im Gespräch über seine gestiegenen Chancen 2003 noch in der Formel 1 zu fahren und den Trend hin zu erfahrenen Piloten

(Motorsport-Total.com) - Als der Jaguar zu Saisonbeginn alles andere als konkurrenzfähig war und folgebedingt auch die Jaguar-Piloten mit den hinteren Plätzen in der Startaufstellung Vorlieb nehmen mussten, da blieb Eddie Irvine nichts anderes übrig als sich anzuhören, dass er mit seinen 36 Jahren doch ohnehin schon den Höhepunkt seiner Leistungsfähigkeit hinter sich habe und sich eine enttäuschende Saison mit dem Team aus Milton Keynes nicht weiter antun und besser aus der Königsklasse aussteigen soll.

Titel-Bild zur News: Eddie Irvine

Irvine hat derzeit gut Lachen und ist völlig entspannt was die Verhandlungen angeht

Im Verlauf der Saison begannen die Bemühungen des Rennstalls den R3 wettbewerbsfähig zu machen langsam aber kontinuierlich Früchte zu tragen, was sich in Form immer besserer Platzierungen am Samstag und in den letzten Grand Prix auch in Form von WM-Punkten auszahlte. Nachdem Irvine vor zwei Wochen in Monza als Dritter auf dem Podium gestanden hatte, sieht sich der Nordire darin bestätigt, dass er trotz der schlechten Vorbereitungen des Teams auf die Saison bei Jaguar blieb.

Der Platz auf dem Podium hat dem 36 Jahre alten Rennfahrer, der 1999 um ein Haar der erste Fahrerweltmeister für Ferrari seit Jody Scheckter 1979 geworden wäre, wieder jede Menge Selbstvertrauen gegeben, was Irvines "Rundumschlag" in der britischen Zeitung 'The Sun' bestätigt. In dem Boulevard-Blatt teilte er, der in den letzten Monaten von vielen Seiten Kritik einstecken hatte müssen, nun kräftig aus.

Für Erfahrung gibt es keinen Ersatz

"Es ist wirklich gut zu wissen, dass alte Säcke wie ich die jungen Wilden in der Formel 1 dazu zwingen die Hosen herunterzulassen. Zu Beginn der Saison erklärten viele, dass ich es nicht mehr bringen würde, doch nach meinen jüngsten Erfolgen mussten diese Herren ihre Meinung ändern. Es war ganz einfach so, dass Jaguar mit einem schlechten Auto in die Saison ging, welches aber durch die unglaubliche Arbeit in ein konkurrenzfähiges Paket verwandelt werden konnte. Auch wenn ich bald 37 werde, so habe ich doch bewiesen, dass es für Erfahrung keinen Ersatz gibt", rechnet sich Irvine trotz seines Alters gute Chancen für ein Cockpit in der Königsklasse im nächsten Jahr aus. Die Aktien des 144-fachen Grand Prix-Teilnehmers sind nach dessen Podiumsfinish in Italien jedenfalls wieder merklich gestiegen.

Alter der Piloten sollte bei der Vergabe der Cockpits keine Rolle spielen

Eine weitere Sache die Irvine vor der "Rente" bewahren könnte, liegt in der Tatsache, dass der Trend bei den Teamchefs in der Formel 1 wieder hin zu Fahrern geht die zwar älter sind und mehr als ein junger Pilot kosten, im Gegensatz zu den "Youngstern" aber auch über die notwendige Erfahrung verfügen ein Team nach vorne zu bringen und die Kohlen aus dem Feuer holen wenn es darauf ankommt: "Wenn man zwischen zwei Flugzeugen entscheiden müsste, würden Sie sich dann für den Piloten entscheiden der erst drei Stunden Flugerfahrung hat oder für den der 10.000 Stunden vorweisen kann? Natürlich kann man einen unerfahrenen Piloten für 20.000 Pfund anheuern oder aber einem Kapitän 80.000 Pfund zahlen, doch ich weiß ganz genau wofür ich mich entscheiden würde und in der Formel 1 verhält es sich doch genauso", bemüht Irvine einen Vergleich, um darauf hinzuweisen, dass das Alter nicht das ausschlaggebende Kriterium bei der Vergabe der Cockpits sein sollte.

Irvine: "Beim Fahrer Geld zu sparen macht keinen Sinn"

"Es gibt Bereiche in denen man Geld einsparen kann, doch zu versuchen das Gehalt von jemanden zu drücken der einige Erfolge vorweisen kann, macht keinen Sinn. In den letzten Jahren gab es einen Trend hin zu billigen Fahrern, denn der Hintergedanke war der, dass diese genauso gut sein würden. Für mich hat das jedoch nie Sinn gemacht, denn wenn man Hunderte Millionen - oder wie viel einem auch zur Verfügung steht - für die Teilnahme an der Formel 1 investiert, was macht es dann für einen Sinn bei dem Mann zu sparen der das Auto fährt?", fragt Irvine, der sich noch in Verhandlungen mit einigen Teams für 2003 befindet und bei den Gesprächen immer wieder feststellen muss, dass die Teams versuchen den Wert der erfahrenen Piloten herunter zu handeln.

"Allround-Erfahrung ist heute gefragt"

Der Grund, weshalb Formel-1-Rookie Felipe Massa nächstes Jahr zumindest nicht für das Sauber-Team an den Start gehen wird, sondern bestenfalls für den Rennstall aus der Schweiz testen darf, sieht Irvine ganz eindeutig in dem bei den meisten Teamchefs einsetzendem Umdenken, dass es doch besser ist auf einen erfahrenen Piloten zurückzugreifen: "Massa ist super schnell, doch er besitzt nicht die Allround-Erfahrung die heute gefragt ist. Deshalb wird Heinz-Harald Frentzen nächste Saison bei Sauber an Stelle von Felipe Massa fahren. Frentzen hat nämlich schon Renen gewonnen und mit Top-Teams wie Williams gearbeitet und den Wert dessen kann man in Geld gar nicht angeben."

Irvine: "Könnte 2003 für zwei Teams fahren"

"Im Moment gibt es zwei Teams für die ich in der nächsten Saison fahren könnte, wohingegen die dritte Möglichkeit mein Karriere-Ende wäre. Ich habe die ganze Zeit über ja immer gesagt, dass ich etwas anderes finden werde was ich tun kann, wenn ich nicht für ein Team fahren kann das konkurrenzfähig ist. Und auch wenn ich erwähnt habe dass das Geld für mich nicht mehr der ausschlaggebende Grund ist, so werde ich ganz sicherlich keinem Rennstall etwas dafür bezahlen nur um fahren zu dürfen. Ich besitze einen gewissen Marktwert und wenn man den nicht bereit ist zu zahlen, dann habe ich kein Problem damit mich zurückzuziehen", setzt Irvine den beiden Teams mit denen er verhandelt in gewisser Weise die Pistole auf die Brust, denn der Grund warum der Vertrag nicht schon längst unterschrieben ist, dürfte wohl einzig und allein mit den Gehaltsforderungen zusammenhängen.

"Wer weiß, vielleicht bricht sich Michael ja morgen beide Beine"

Das "Pokerspiel" um ein Cockpit für 2003, das Irvine momentan spielt, mag gefährlich erscheinen, doch der Nordire weiß ganz genau, dass er derjenige ist der alle Joker in der Hand hält. Die Teams haben mittlerweile eingesehen, dass ihnen ein junger Fahrer ohne Erfahrung nicht viel nutzt, weshalb die etablierten Piloten wieder gefragter sind. Genau deshalb macht sich Irvine auch im Moment trotz des unmittelbar bevorstehenden Saisonendes keinerlei Sorgen: "Es mag ja etwas ungewöhnlich sein, zwei Rennen vor Saisonende noch nicht alles in trockenen Tüchern zu haben, doch es gibt keine Eile. Wer weiß, vielleicht bricht sich ja Michael Schumacher morgen beide Beine", spekuliert Irvine darauf, dass noch ein Wunder geschieht und er nächstes Jahr in einem der ganz konkurrenzfähigen Boliden sitzen könnte.