Interview mit Toyota-Testfahrer Ryan Briscoe - Teil zwei

Toyota-Testfahrer Ryan Briscoe erzählt im Interview mit 'F1Total.com' seine Karriere-Geschichte und spricht über Idole

(Motorsport-Total.com) - Ryan Briscoe war zwar schon in Ungarn als Freitagstester von Toyota erstmals an einem Grand-Prix-Wochenende im Einsatz, wirklich in Erscheinung getreten ist er aber erst durch seinen Unfall in der berüchtigten Eau-Rouge-Kurve in Spa vor zwei Wochen. Am Freitag in Monza überzeugte er dann auch fahrerisch, indem er über weite Strecken schneller war als seine Teamkollegen Olivier Panis und Ricardo Zonta.

Titel-Bild zur News: Ryan Briscoe

Ryan Briscoe im Einsatz: Für Toyota bestreitet er die Freitagstests

'F1Total.com' hat den jungen Australier in Italien zum Abendessen in gemütlicher Runde getroffen. Im zweiten und letzten Teil unseres Interviews lässt Briscoe noch einmal die Anfänge seiner Karriere Revue passieren - vom (motorisierten) Herumtollen auf der elterlichen Farm über die Auftritte bei der Kart-WM bis hin zum Formel-1-Vertrag mit Toyota. Außerdem spricht er über seine Fahrerkollegen und über seine Bewunderung für Michael Schumacher.#w1#

"Es ist schwierig, in der Formel 1 Freunde zu haben"

Frage: "Hast du unter den Fahrern schon irgendwelche näheren Bekanntschaften geknüpft? Sicher kennst du Christian Klien und Timo Glock, mit denen du letztes Jahr in der Formel 3 gefahren bist, ganz gut, nicht wahr?"
Ryan Briscoe: "Ja und nein. Es ist schwierig, in der Formel 1 Freunde zu haben, denn es gibt eigentlich kein gesellschaftliches Leben und wir alle wohnen in verschiedenen Ländern. Wir treffen uns eigentlich nur an der Strecke. Es stimmt, ich bin letztes Jahr mit Glock und Klien gefahren, ich kenne sie auch, aber gesehen haben wir uns auch nur bei den Rennen. Ich gehe nie einen trinken mit ihnen oder so. Da kenne ich Alonso und Button besser, denn wir sind gemeinsam Kart gefahren, und Zsolt Baumgartner war mein Teamkollege in der Formel 3000. Mit Jarno Trulli habe ich mich auch schon einige Male unterhalten, denn er trainiert dort, wo ich auch immer trainiere. Es gibt also schon viele Fahrer, mit denen ich ganz gut auskomme, aber in der Formel 1 ist es eben so gut wie unmöglich, echte Beziehungen aufzubauen."

Frage: "Kannst du ein bisschen darüber sprechen, wie alt du warst, als du nach Europa gegangen bist, wie viel Zeit du heute noch in Australien verbringst und wie alles angefangen hat?"
Briscoe: "Ich bin im Alter von 15 Jahren nach Italien gezogen. Man hat mir die Chance gegeben, für ein Go-Kart-Werksteam zu fahren. Mir wurden alle Spesen bezahlt und ich konnte an den Europäischen Meisterschaften teilnehmen. Dieses Angebot habe ich natürlich angenommen und dann bin ich nach Europa gezogen. Seit ich 15 bin, lebe ich hier - das sind inzwischen auch schon mehr als sieben Jahre, ein Drittel meines Lebens. Das ist eine lange Zeit für mich. Nach Hause fahre ich immer an den Weihnachtstagen, aber ich versuche auch während des Jahres, ein paar Mal nach Australien zu fliegen. Mum und Dad kommen auch ab und zu rüber und besuchen mich bei Rennen oder Tests."

Briscoe spricht Italienisch und hat eine italienische Freundin

Frage: "Sprichst du eigentlich schon Italienisch?"
Briscoe: "Naja, ja, denn ich lebe in Italien und ich habe ein paar italienische Freunde. Irgendwie fühle ich mich schon ein bisschen wie ein Italiener."

Frage: "Hast du auch eine italienische Freundin?"
Briscoe: "Ja. Hier hat man mehr Auswahl (lacht)."

Frage: "Erinnerst du dich noch daran, wie mit dem Rennfahren alles begonnen hat und wie der Wunsch entstanden ist, eines Tages Rennfahrer zu werden? Oder hattest du etwas ganz anderes für deine Zukunft vorgesehen?"
Briscoe: "Eigentlich war ich schon immer am Motorsport interessiert, denn mein Dad ist in Australien Rallyes gefahren, genau wie mein Onkel. Im Alter von fünf Jahren war ich jedes Wochenende am Speedway, um mir Spring-Car-Rennen anzuschauen. Damals habe ich Gary Rush sehr verehrt, der ungefähr zehnmal australischer Meister mit den Spring-Cars wurde. Das habe ich mir immer angesehen. Bei uns zuhause - wir hatten eine Farm - habe ich auch damit begonnen, alle möglichen Fahrzeuge auszuprobieren. Mit elf Jahren hat mir mein Dad ein Go-Kart gekauft und wir haben hobbymäßig damit begonnen, an den Wochenenden ein paar Rennen zu fahren."

Erste Kart-WM-Teilnahme im Alter von 13 Jahren in Portugal

"Von da an nahm alles seinen Lauf, denn wir sind aufgestiegen, haben ein besseres Go-Kart gekauft, versucht, einen besseren Motor zu bekommen und so weiter. Als ich 13 war, haben wir beschlossen, an den Weltmeisterschaften in Portugal teilzunehmen. Das ist ein einzelnes Rennen für die Junior-Klasse. Wir sind ohne jede Erwartung da hingefahren, denn es waren über 100 Teilnehmer am Start und wir waren nur Privatiers mit eigenen Karts. Mein Ziel war, das Finale mit 32 Karts zu erreichen, aber am Ende habe ich mich als Zweiter qualifiziert und für den Vorlauf holte ich sogar die Pole Position. Im Rennen hatte ich dann Schwierigkeiten und ich wurde nur Elfter, aber das hat meine Karriere wohl in Gang gebracht, denn nach dem Rennen haben wir einen Anruf von der Firma aus Australien bekommen, von der wir unsere Karts hatten, und sie meinten, sie seien von meiner Performance sehr beeindruckt. Für das folgende Jahr haben sie mir angeboten, mich mit Karts und Motoren auszurüsten."

"Ich bin dann mit ihnen 1996 wieder für zwei Rennen nach Europa gegangen und habe fast die Weltmeisterschaft gewonnen. Das war ein Rennen, das am Ende Alonso gewonnen hat. Es gab aber fünf Qualifikations-Durchgänge, von denen ich drei gewonnen habe und in den anderen beiden wurde ich jeweils Zweiter. Den Vorlauf zum Finale hätte ich locker gewonnen, ich lag überlegen in Führung, aber dann gab es hinten einen Massencrash und es kamen rote Flaggen raus. Beim Restart wurde ich von hinten in der zweiten Kurve gerammt und damit hatte sich das erledigt. Ich habe tagelang nur geweint, konnte es einfach nicht glauben. Bei solchen Weltmeisterschaften zählt eben nur ein Rennen."

"Ich bin dann in Kontakt mit dem 'CRG'-Team geblieben und stieg mit ihnen 1997 in die Formel A auf. Ich bin für sie gefahren und wir waren erfolgreich. 2000 bin ich zu Tony-Kart gewechselt, einem anderen Go-Kart-Team. Damals habe ich auch Ange Pasquali getroffen, der gerade die Toyota-Nachwuchsakademie ins Leben rief. Tony-Kart war zu dem Zeitpunkt das Top-Team und Ange sah meine Resultate, also haben wir ein Meeting organisiert, bei dem auch Frank Parreira dabei war. Das war hier in Monza. Es gab Gespräche und dann einige Tests in der Formel Renault, die gut gelaufen sind. Im folgenden Jahr habe ich dann den Vertrag mit Toyota unterschrieben - mit der Aussicht, Formel-1-Fahrer zu werden."

Die Formel 1 war lange ein "absurder und weit entfernter Traum"

Frage: "Wann hast du erstmals realisiert, dass dich dein Weg sogar in die Formel 1 führen könnte?"
Briscoe: "Als ich für ein Formel-1-Team unterschrieben habe, damals für Toyota, da habe ich erstmals darüber nachgedacht, dass die Formel 1 für mich wahr werden könnte. Davor war es immer ein absurder und weit entfernter Traum, denn ich fuhr ja nur Go-Karts. Dass ich in Europa war, kam auch nur deswegen, weil es mich nichts kostete."

Frage: "Hast du unter den Formel-1-Piloten ein Idol?"
Briscoe: "Was heißt Idol? Ich habe großen Respekt vor Michael Schumacher. Die Erfolge, die er erreicht hat und immer noch erreicht, sind schlicht und einfach erstaunlich. Auf jeden Fall ist er der Typ Fahrer, von dem sich jeder andere Fahrer etwas abschneiden kann, von dem man lernen kann und soll."

Frage: "Würdest du ihn auch als dein Idol bezeichnen oder gibt es da andere Fahrer, die vielleicht nicht so erfolgreich waren oder sind, dafür aber vom Charisma einen besonderen Eindruck auf dich gemacht haben?"
Briscoe: "Ich kann nichts über Michaels Charisma sagen, aber er ist wahrscheinlich einer der professionellsten Fahrer, die es je gegeben hat."

Frage: "Hast du schon einmal mit ihm gesprochen?"
Briscoe: "Es hat noch nicht wirklich eine Gelegenheit gegeben. Am nächsten dran war ich in Ungarn, wo ich zum Meeting der 'GPDA' gegangen bin. Den Gedanken der anderen Fahrer zuzuhören, finde ich ganz interessant. Leider war ich in Spa nicht dabei, denn da haben sie mich nach dem Unfall ins Krankenhaus gebracht. Durch die Freitagstrainings denke ich aber, dass ich mehr und mehr Kontakt mit den anderen Fahrern bekommen werde."