Interview mit Toyota-Testfahrer Ryan Briscoe - Teil eins

Der Freitagstester von Toyota im Gespräch mit 'F1Total.com' über Spa, Ange Pasquali, seine Formel-1-Zukunft und mehr

(Motorsport-Total.com) - Nachdem Toyota Cristiano da Matta gefeuert hat, wurde Ryan Briscoe zum Freitagstester befördert. Der Australier gab in Ungarn sein Debüt an einem Grand-Prix-Wochenende und konnte zuletzt in Spa erstmals wirklich glänzen, ehe er in der Anfahrt zur berühmt-berüchtigten Senke Eau Rouge schwer verunglückte, dabei aber unverletzt blieb.

Titel-Bild zur News: Ryan Briscoe

Ryan Briscoe beim Gespräch mit 'F1Total.com' am vergangenen Mittwoch

Im Sporting Club von Monza traf sich 'F1Total.com' in gemütlicher Runde mit dem amtierenden Meister der Formel-3-Euroserie, der am 24. September 23 Jahre alt wird. Briscoe, wegen seines jugendlich-frechen Aussehens scherzhaft als die Anna Kournikova der Formel 1 bezeichnet, beantwortete mit Geduld sämtliche Fragen und sprach in Teil eins unseres Interviews auch offen über seine Pläne für kommende Saison.#w1#

"Es ist aufregend, Teil des Rennteams zu sein"

Frage: "Ryan, du hast jetzt, wo du anstelle von Ricardo das dritte Auto fährst, sicher mehr Arbeit, nicht wahr?"
Ryan Briscoe: "Ja. Zunächst einmal war das ein fantastischer Schritt nach oben, wenn man so sagen will. Es ist aufregend, Teil des Rennteams zu sein."

Frage: "In Spa hattest du ja gleich eine ordentliche Schrecksekunde..."
Briscoe: "Stimmt. Es war Pech, dass ich einen Reifenschaden hatte. Zum Glück ist der Unfall an einer relativ sicheren Stelle passiert und ich habe mich nicht verletzt. Es sind erst ein paar Tage seitdem vergangen und ich kann schon wieder ohne Schmerzen fahren. Das ist das Wichtigste. Natürlich war es aber ein großer Schock."

Frage: "War es einer der schwersten Unfälle deiner Karriere?"
Briscoe: "Ja, schon - auf jeden Fall war es der Unfall bei höchster Geschwindigkeit."

Frage: "Was ist dir während des Unfalls und im ersten Moment danach durch den Kopf gegangen?"
Briscoe: "Ich war gerade auf einem Long-Run und fuhr so ungefähr die siebente Runde der Session. Ich fuhr den Hügel runter wie in all den anderen Runden zuvor, aber ein paar Sekunden vor dem Abflug spürte ich, dass die Geschwindigkeit nicht mehr höher wurde, nur noch minimal. Dann ist das Heck zusammengebrochen. Ich wollte noch korrigieren, aber bei der Geschwindigkeit und bei dem Abtrieb hat man keine Chance, ganz klar. Es ist sofort ausgebrochen. Ich war zu dem Zeitpunkt schon nahe an der Mauer auf der rechten Seite. Als es dann passierte, krachte ich sofort dort rein. Ich schlug also ein paar Mal in die Mauer ein, drehte mich dann, schlitterte den Hügel rauf. Dabei sah ich die andere Mauer auf mich zukommen und ich habe nur noch auf den Knall gewartet."

Briscoe empfand es als einfach, Spa als Strecke zu lernen

Frage: "Bist du zum ersten Mal in Spa gefahren?"
Briscoe: "Nein, ich bin letztes Jahr in der Formel 3 dort gefahren - als Gaststarter in der Britischen Meisterschaft. Für die Formel 1 war das sehr hilfreich."

Frage: "War es schwierig, die Strecke zu lernen?"
Briscoe: "Eigentlich nicht. Es ist eine sehr aufregende, wirklich herausfordernde Strecke. Die Formel-3-Erfahrung hat mir natürlich auch geholfen, auch wenn die Kurvengeschwindigkeiten in der Formel 3 langsamer sind, aber der größte Unterschied liegt wahrscheinlich im Top-Speed und im Bremsen. Dass die Schikane umgebaut wurde, war für die anderen Fahrer, die die Strecke schon davor aus der Formel 1 gekannt haben, auch neu, daher wurde ein etwas ausgeglicheneres Verhältnis geschaffen."

Frage: "Bist du Eau Rouge voll gefahren?"
Briscoe: "Ja. In der Formel 3 geht das sogar im Regen, in der Formel 1 nicht unbedingt..."

Frage: "Wie bist du mit deiner eigenen Leistung am Spa-Wochenende zufrieden?"
Briscoe: "Es lief sehr gut. Die Reifen waren konstant und ich fühlte mich sehr wohl. Ich muss auch sagen, die Performance des Autos war sehr gut. Zum Zeitpunkt meines Unfalls lag ich an vierter Stelle. Es lief also wirklich nicht schlecht. Die Rundenzeit am Ende ist natürlich nicht aussagekräftig, denn am Ende der zweiten Session ist die Strecke mit Abstand am schnellsten, alle ziehen dann neue Reifen auf und so weiter. Leider sieht man es nicht auf dem Papier, aber solange ich unterwegs war, konnte ich gut mithalten."

Keine neuen Ingenieure seit der Beförderung ins Rennteam

Frage: "Arbeitest du jetzt mit anderen Ingenieuren als im Testteam zusammen?"
Briscoe: "Sie haben für die Freitage die Ingenieure ein bisschen rotieren lassen. Zonta hat zum Beispiel seinen Freitagsingenieur als Renningenieur bekommen und der Ingenieur, der mit mir während der Tests am meisten zusammengearbeitet hat, arbeitet jetzt an den Freitagen mit mir zusammen."

Frage: "Arbeitest du also mehr oder weniger weiterhin mit denselben Leuten zusammen?"
Briscoe: "Der oberste Ingenieur ist wie gesagt jemand, mit dem ich schon gearbeitet habe. Ich meine, ich bin jetzt seit drei Jahren im Team, ich kenne die ganzen Leute und habe auch schon mit ihnen gearbeitet. Es war nicht wirklich schwierig, mich darauf einzustellen, mit Leuten zu arbeiten, mit denen ich bisher noch nicht viel zu tun gehabt habe."

Frage: "Was sagst du zum Rauswurf von Ange Pasquali, der ja dein Mentor in der Fahrerakademie von Toyota war?"
Briscoe: "Ange hat sich um das TDA-Programm (Toyota Drivers Academy; Anm. d. Red.) gekümmert, seit es besteht und seit ich dabei bin. Er hat mich irgendwie durch die Formel Renault und die Formel 3 und so weiter geschleust, bis ich Formel-1-Testfahrer war. Ich bedaure sehr, dass er das Team verlässt, denn wir haben eine gute gemeinsame Geschichte und unsere Resultate waren auch sehr gut. Speziell in Ungarn, als ich erstmals Teil des Rennteams war und er nicht dabei sein konnte, das hat mir schon weh getan. Andererseits sind das Entscheidungen, die nicht in meinen Händen liegen, und das Leben geht dennoch weiter."

"Einen Formel 3 nach einem Formel 1 zu fahren, ist einfacher"

Frage: "Wie schwer ist dir die Umstellung von der etwas langsameren Formel 3 auf die superschnelle Formel 1 gefallen?"
Briscoe: "Ich halte es für einfacher, von einem schnellen in ein langsames Auto umzusteigen als umgekehrt. Vergangenes Jahr gab es einige Situationen, in denen ich nach einem Formel-1-Test zu einem Formel-3-Wochenende kam, aber obwohl wir nur wenig Trainingszeit hatten, hatte ich keine ernsthaften Umstellungsprobleme und ich stellte mich schnell ein. Einen Formel 3 nach einem Formel 1 zu fahren, ist einfach einfacher, denn alles passiert viel langsamer und man hat mehr Zeit zum Nachdenken. Das Formel-1-Auto hat unglaubliche Bremsen und man bremst immer so spät es geht. Man ist immer darauf bedacht, den Motor voll auszuschöpfen und die Traktion perfekt hinzubekommen. In der Formel 3 hat man viel Abtrieb, während der Motor und die Bremsen aber nicht derart am Limit sind und auch die Reifen recht schmal. Man versucht, die Geschwindigkeit mitten in der Kurve hoch zu halten, der Fahrstil ist also schon unterschiedlich. Wenn man jedoch einmal mit beiden Autos unterwegs war, fällt es einem nicht mehr so schwer."

Frage: "Wann möchtest du deinen ersten Grand Prix bestreiten?"
Briscoe: "Wir arbeiten daran, ein Renncockpit zu bekommen. Die ideale Situation wäre natürlich, wenn es nächstes Jahr im Albert Park in Melbourne passieren würde. Es ist aber noch früh und das gehört zu den Dingen, an denen wir noch arbeiten."

Frage: "Bekommst du dabei Unterstützung von Toyota? Und wie ist deine vertragliche Situation?"
Briscoe: "Ich bin gewiss an Toyota gebunden und habe einen Vertrag mit ihnen für nächstes Jahr. Ich hoffe, dass ich so viel Support wie möglich von ihnen bekommen werde, um meine Karriere in Schwung zu bringen."

Frage: "Man hört aber, dass du keine finanzielle Unterstützung von Toyota bekommen wirst, richtig?"
Briscoe: "Naja, wir sind noch am Verhandeln. Ich muss jedenfalls einen persönlichen Sponsor finden. Dann sehen wir weiter, was wir machen können."

Selbstbewusster Briscoe glaubt an seine Rennchance

Frage: "Wie hoch schätzt du deine Chancen ein, dass es schon 2005 klappen könnte?"
Briscoe: "Es gibt noch einige Renncockpits. Ich schätze, dass einige der Teams glücklich wären, mich zu verpflichten, denn ich habe inzwischen einiges an Erfahrung in einem Formel-1-Auto. Natürlich könnte ich auch Erfahrung von Toyota mitbringen. Die Frage ist wohl weniger, ob die Plätze verfügbar sind, sondern ob ich das nötige Geld auftreiben kann. Im Moment ist das schwer zu sagen."

Frage: "Würdest du jedes verfügbar Cockpit annehmen oder hast du Vorbehalte?"
Briscoe: "Es gibt ja nicht mehr so viel Auswahl. Es muss ein Privatteam sein, das nicht in Konflikt mit Toyota steht, also reden wir hier naturgemäß von den kleinen Teams im Feld. Es gibt natürlich eine sehr gute Chance, dass ich wo unterkomme, aber es steht noch nichts fest. Alles ist in Arbeit. Für meine Karriere wäre es ein guter Schritt, wenn ich ein Renncockpit bekommen könnte. Vielleicht sind dann auch ab und zu WM-Punkte drin. Das wäre fantastisch. Es gibt aber nur 20 Plätze, die Sache ist also ziemlich komplex."

Frage: "Hast du schon mit Minardi-Teamchef Paul Stoddart gesprochen?"
Briscoe: "Ja, Toyota hat schon mit ihm Gespräche geführt. Es wäre sicher gut für ihn, auch wegen der australischen Connection. Es wäre schön, Marks (Webber; Anm. d. Red.) Erfolge bei Minardi zu wiederholen."

Teil zwei des Interviews mit Ryan Briscoe kann in den nächsten Tagen bei 'F1Total.com' nachgelesen werden.