Interview mit Bernie Ecclestone und Max Mosley (1)
Die Formel-1-Chefs im Doppelinterview über den Deal mit den Herstellern, deren Fehler in den vergangenen fünf Jahren und die letzten Streitpunkte
(Motorsport-Total.com) - Beim Grand Prix von Spanien wurde - angeblich auf Drängen von Renaults Alain Dassas - unter der Regie von Burkhard Göschel von BMW nach fünfjährigen Diskussionen endlich der große Formel-1-Streit zwischen der 'GPMA' (ehemals 'GPWC') einerseits und Bernie Ecclestone und der Investmentgesellschaft 'CVC' andererseits beigelegt.

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Die mächtigen Herren der Formel 1: Bernie Ecclestone und Max Mosley
Ecclestone, seines Zeichens Geschäftsführer der Formel-1-Firma 'Formula One Management', die sich mit den Herstellern auf kommerzieller Ebene einig ist, und Max Mosley, Präsident der FIA, der in Sachen Reglement noch einiges auf sich zukommen sieht, sprachen mit unseren Kollegen von 'auto motor und sport' über das Verständnismemorandum von Barcelona. Dank der freundlichen Genehmigung der FIA kann das Interview nun auch auf 'F1Total.com' nachgelesen werden.#w1#
Ecclestone preist Dassas als Retter des Deals
Frage: "Im Mai 2001 hat die 'GPWC' dem Formel-1-Establishment den Krieg erklärt. Wie sehen Sie die vergangenen fünf Jahre?"
Bernie Ecclestone: "Lassen Sie mich über die kommerziellen Aspekte sprechen. Wir haben uns hinsichtlich der kommerziellen Dinge geeinigt, haben alles erledigt, wofür wir verantwortlich sind. Am Ende waren alle sehr hilfreich und wollten den Job getan wissen. Herr Dassas von Renault war derjenige, der den Prozess beschleunigt hat. Ich kann aber nicht für die FIA sprechen."
Max Mosley: "Zunächst einmal haben wir niemals geglaubt, dass es auch nur die geringste Wahrscheinlichkeit für eine Konkurrenzserie geben könnte. Alles, was wir tun wollten, war Regeln zu erschaffen, die fair und für alle gleich sind, und das Kostenniveau so zu senken, dass eine vernünftige Anzahl an Teams unter gleichen Voraussetzungen antreten kann. Die Schwierigkeit war, dass einige Teams auf unsere Einladung hin nicht erschienen sind, als wir Anfang 2005 die Regeln für 2008 ausarbeiten wollten. Das war einerseits schade, aber andererseits konnten wir so genau das machen, was wir für richtig hielten."
Frage: "Fühlen Sie sich jetzt als Sieger?"
Mosley: "Ich glaube nicht, dass man das so bezeichnen kann. Ich könnte einige Klischees strapazieren, zum Beispiel dass sich die Vernunft durchgesetzt hat, aber ich würde sagen, dass das, was jetzt passiert ist, im besten Interesse des Sports liegt und von Anfang an absehbar war."
Ecclestone: "Ich glaube nicht, dass es einen Sieger gibt, sondern wir sind alle Verlierer. Wir haben der Formel 1 großen Schaden zugefügt. Die FIA war ein Verlierer, denn sie wurden in eine Position gedrängt. Wir sind Verlierer, weil wir unsere Position verteidigen mussten. Die Hersteller und die Teams haben am meisten gelitten, denn die Sponsoren sahen plötzlich ein Fragezeichen über der Formel 1, was es davor noch nie gegeben hat. Wir haben einen Sport destabilisiert, der davor stabil war."
Frage: "War es notwendig, diesen Kampf über fünf Jahre hinweg auszutragen? Hätte es nicht einen schnelleren Lösungsweg gegeben?"
Ecclestone: "Die schnellere Lösung wäre gewesen, diesen unsinnigen Kampf gar nicht erst anzufangen. Finanziell gesehen hätten sie mehr bekommen als je zuvor. Alles, was die FIA versucht hat, war eine Sicherstellung, dass die Teams überleben können und es ihnen gut geht."
Laut Mosley wurde unnötig Zeit verschwendet
Mosley: "Bernie hat Recht: Kommerziell gesehen haben alle verloren. Aber aus FIA-Sicht ist das, was wir und die Teams verloren haben, vor allem Zeit. In dieser Zeit hätten wir auch etwas Konstruktives machen können."
Frage: "Die Hersteller sehen sich als Sieger, weil sie jetzt 50 Prozent der Einnahmen bekommen."
Ecclestone: "Vielleicht hätten Sie noch mehr bekommen, wenn sie anders gehandelt hätten."
Frage: "Was hat finanziell schlussendlich das Eis gebrochen?"
Mosley: "Herr Dassas von Renault hat die Starre durchbrochen. Er erkannte, dass mit weiteren Diskussionen nichts mehr gewonnen werden konnte, dass aber durch ein Ende viel zu gewinnen war. Dann drängte er die anderen dazu, es sein zu lassen."
Frage: "Haben Sie sich je Sorgen gemacht, dass die Sache anders ausgehen könnte?"
Mosley: "Nein, denn ich kenne die praktischen Schwierigkeiten beim Formieren einer konkurrierenden Meisterschaft. Es wäre schon möglich gewesen, eine solche Serie auf die Beine zu stellen, aber sie hätte nicht die gleiche Glaubwürdigkeit gehabt. Vielleicht vereinfache ich zu sehr, aber für mich ist es einfach: Als sie erstmals eine Struktur für eine eigene Serie aufstellen wollten, kontaktierten sie zwei Gruppen. Beide Gruppen, 'IMG' und 'iSe', sagten, dass der gesamte Plan davon abhängig sei, dass es nur noch eine Rennserie geben würde."
"Die Hersteller schlossen daraus, dass sie einfach Bernies Business übernehmen sollten, so dass er uns nicht mehr die Mindestanzahl von 20 Autos garantieren könnte. Das war natürlich Blödsinn. Sie hätten schon eine Konkurrenzserie machen können, aber es hätte weiterhin eine Formel-1-Weltmeisterschaft gegeben. Bernie hat aber alle Verträge mit Veranstaltern und TV-Firmen. Die Veranstalter und TV-Firmen wären vielleicht nicht glücklich gewesen, aber sie hätten sich an diese Verträge halten müssen. Die Hersteller wären sicher zu den Veranstaltern und TV-Firmen gegangen und hätten sie gefragt, ob sie ein Rennen veranstalten und es ausstrahlen könnten. In beiden Fällen hätten die Veranstalter und TV-Firmen dafür Geld verlangt - unter dem Argument, dass es sich um große Automobilhersteller handelt, die über den Rennsport ihre Produkte vermarkten wollen."
War die Herstellerserie nur ein Phantom?
"An dem Punkt wäre der gesamte Businessplan gescheitert, denn er basierte darauf, dass sie die Einnahmen, die Bernie generiert, nicht nur einstellen, sondern sogar übertreffen können. Die ganze Sache hätte niemals funktionieren können, es sei denn, die Hersteller hätten für den Anfang eine Milliarde Dollar pro Jahr investiert, bis das Ding ins Laufen kommt. Ich glaube nicht, dass es jemals die Chance gab, dass es soweit kommen würde."
Ecclestone: "Ich möchte etwas hinzufügen. In einem unserer Meetings sagten uns die Hersteller, dass sie sich nicht für mehr als zwei Jahre verpflichten wollen. Ferrari bot anfangs zehn Jahre an, aber dann rief mich Luca (di Montezemolo; Anm. d. Red.) an und sagte, dass er auf vier Jahre runtergehen würde. Er fragte sich aber, warum er vier Jahre machen soll, während die anderen nur zwei wollten. Stellen Sie sich folgendes vor: Sie wollen eine brandneue Meisterschaft starten, gehen zu den Veranstaltern und TV-Firmen und teilen ihnen mit, dass Sie ein kleines Problem haben und nur eine Garantie für zwei Jahre abgeben können. Können Sie sich vorstellen, dass die Veranstalter und TV-Firmen sagen würden: 'Ist schon okay, macht euch deswegen keine Sorgen.'"
"Noch so eine Sache: Max und ich wollten vor ungefähr 100 Jahren eine Konkurrenzserie gegen die FIA gründen, als Jean-Marie (Balestre; Anm. d. Red.) als einziger Mann in der FIA Macht hatte. Wir entschieden uns dagegen. Können Sie sich vorstellen, welche Chancen die Hersteller dann wohl heute gehabt hätten?"
Frage: "Sie haben ständig mit den Präsidenten von weltweiten Unternehmen zusammengearbeitet. Sind Sie überrascht, wie falsch diese die Realität eingeschätzt haben?"
Mosley: "Ich glaube nicht, dass die Präsidenten der Unternehmen jemals involviert waren. Wenn Sie für einen riesigen globalen Konzern wie zum Beispiel BMW verantwortlich sind, der Geschäftsführer sind oder vielleicht sogar jemand wie Herr Göschel, dann haben Sie sehr wenig Zeit für solche Dinge, also hören Sie auf den Sportchef. Das einzige Mal, dass das zu den Big Bosses gegangen ist, war, als diese gefragt wurden, ob für die nächsten fünf Jahre unterschrieben werden darf. Das haben sie nicht erlaubt, denn das wäre eine Verpflichtung mit Bedingungen auf der Geschäftsbilanz gewesen. Da wahrscheinlich sowieso die Hälfte des Vorstands gegen die Formel 1 ist, hätten sie das niemals durchgebracht."
Ecclestone: "Wir wissen nicht, welche Informationen an die Geschäftsführer dieser Unternehmen weitergereicht wurden. Vielleicht hat man sie ja um eine Entscheidung basierend auf Informationen gebeten, die völlig falsch waren."
Hersteller hätten die Formel 1 einfach kaufen können
Frage: "Warum haben die Hersteller nicht einfach die Formel-1-Holding gekauft? Das wäre doch der einfachste Weg gewesen, oder?"
Ecclestone: "Absolut. Das hätten sie tun sollen."
Mosley: "Als wir den berühmten 300-Millionen-Dollar-Deal mit Bernie für die TV-Rechte der nächsten 100 Jahre gemacht haben, rief mich Herr Cantarella an, der damals Chef der 'GPWC' war. Er sagte mir, dass sie interessiert seien. Ich sagte ihm, dass sie ein Angebot machen sollen. Wenn sie bereit gewesen wären, mehr als Bernie zu zahlen, wären wir verpflichtet gewesen, es uns durch den Kopf gehen zu lassen."
"Im Juni hatten wir ein Meeting, bei dem mir Cantarella sagte, dass sie vor September keine Entscheidung treffen könnten. Also habe ich zum World Council gesagt: 'Wir haben ein Angebot von Bernie auf dem Tisch, aber wir können auch bis September darauf warten, ob die Hersteller mehr bieten werden, was nicht sicher ist.' Wir redeten damals nicht von einer Milliarde Dollar pro Jahr für fünf Jahre, sondern wenn sie uns nur 400 Millionen Dollar angeboten hätten, hätte Bernie entweder nachziehen müssen oder wir hätten uns für das Angebot der Hersteller entschieden. Die Hersteller konnten sich aber nicht einmal darauf einigen, die 400 Millionen Dollar für alle Rechte von 2010 bis in alle Ewigkeit zu kaufen."
"Erst kürzlich kamen dann zwei Leute aus diesen Unternehmen auf mich zu, weil sie glaubten, dass sie außerhalb der FIA-Strukturen ihr eigenes Ding machen könnten. Ich fragte sie, wie sie sich das vorstellen. Wie wollen sie die Rennstrecken bekommen? Sie antworteten, dass sie die Strecken kaufen würden. An dem Punkt gibt man einfach auf. Man muss ehrlich sein: Die Geschäftsführer haben nie so geredet, aber zwei andere Leute schon."
Frage: "Der Schlüssel schien Ferraris Unterschrift unter das neue Concorde Agreement zu sein. Wie haben Sie Luca di Montezemolo für sich gewonnen, der in den Anfangsjahren ja einer der größten 'GPWC'-Unterstützer war?"
Ecclestone: "Ich kenne Luca seit 30 Jahren. Er ist immer der größte Unterstützer von dem, was für Ferrari gut ist..."
Mosley: "Was immer Luca mit Bernie gemacht oder nicht gemacht hat, war im besten Interesse Ferraris. Es gibt bei Ferrari auch eine fundamentale Tradition, niemals aus dem Establishment auszutreten. Sie bleiben immer bei der FIA. Früher oder später war klar, dass es so kommen würde. Die einzige Frage war nur, wie viel Zeit und Aufreibung dafür notwendig sein würde."
'CVC' bezahlt nun für Ferraris Sondereinnahmen
Frage: "Verdient sich Ferrari Sonderrechte?"
Ecclestone: "Das haben wir vereinbart. Ob sie es verdienen oder nicht, macht keinen Unterschied. Es zählt nur, was kommerziell vereinbart wurde, und das ist fair. Das Unternehmen, welches die kommerziellen Rechte gekauft hat, ist happy, und die Teams sind auch mehr als glücklich."
Frage: "Aber die Hersteller wollten doch 60 Prozent der Einnahmen. Jetzt bekommen sie nur 50."
Ecclestone: "Das 60-Prozent-Angebot wurde auf der Basis gemacht, dass die Hersteller tatsächlich als Hersteller unterschreiben würden. Das wollten sie aber nicht. Stattdessen schickten sie ihre jeweiligen Teams voraus. Die neuen Eigentümer sind Geschäftsleute, die die Risiken genau evaluieren müssen. Für sie ist eine Unterschrift von BMW mehr wert als eine des BMW Sauber F1 Teams. Sie hätten jederzeit 60 Prozent haben können, wenn sie in ihrem eigenen Namen unterschrieben hätten. Das haben sie aber nicht gemacht. Sie wollten sich nicht verpflichten lassen."
Mosley: "Sie konnten sich nicht einmal für fünf Jahre verpflichten, nicht einmal für zwei. Man muss festhalten: Mit nur einer Weltmeisterschaft und keiner Teilung wollten sie nicht für diese zehn zusätzlichen Prozent bei Bernie unterschreiben. Das ist für mich Beweis genug, dass sie niemals eine eigene Serie zustande gebracht hätten."
Frage: "Wie weit entfernt ist das Verständnismemorandum vom neuen Concorde Agreement?"
Ecclestone: "Aus kommerzieller Sicht ist für uns alles klar. Jetzt liegt es an der Sporthoheit, an der FIA."
Mosley: "Die komplette Struktur steht. Wir bekommen vielleicht ein neues Concorde Agreement, vielleicht auch nicht. Vielleicht bekommen wir eines, aber wir haben einen Deal mit Bernie, dass er mit 20 Autos daherkommen muss. Bernie hat einen Deal mit den Teams, dass mindestens 20 Autos am Start sein müssen. Wir haben einen Deal mit Bernie, die Weltmeisterschaft auf traditionelle Weise zu regulieren. Es steht also eine Struktur, weshalb es nicht zwingend notwendig ist, ein Concorde Agreement zu machen."
Neues Concorde Agreement nicht zwingend notwendig
"Vielleicht brauchen wir doch eines, weil es eine Weltmeisterschaft 2008 mit Regeln gibt, für die sich alle bei uns eingeschrieben haben. Diese Teams müssen nicht zwingend auch 2009 teilnehmen. Gleichzeitig könnten wir die Regeln nach 2008 über den Haufen werfen, ohne gegen den Deal mit Bernie zu verstoßen. Bernie hat aber einen Deal mit den Teams, dass sie auch nach 2008 teilnehmen werden. Man könnte also alles so belassen, wie es ist, aber ein längerfristiger Deal würde schon Sinn machen."

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Die Formel-1-Teamchefs trafen sich seit 2001 zu unzähligen Meetings... Zoom
Ecclestone: "Ich kann garantieren, dass wenn Sie die Boxengasse entlanggehen und die Teamchefs oder Manager über das Concorde Agreement fragen, dass sie nicht antworten könnten. Sie haben es nie gelesen und es ist so veraltet, dass wir nur noch sehr wenige Dinge tatsächlich machen, die wir laut Concorde Agreement machen müssten."
Frage: "Sie wollten die Entscheidungsprozesse verändern. Ist es zu gefährlich, den Teams zu viel Macht zu geben?"
Mosley: "Der Deal ist, dass wir uns mit den Teams beratschlagen müssen, aber die Idee, die Teams ihre eigenen Regeln machen zu lassen, ist verrückt, denn sie können sich nie auf etwas einigen. Sie denken nur an sich selbst, aber wir müssen auch an die Veranstalter, die Rechtehalter und alle anderen denken. Wir wollen uns mit den Teams beratschlagen, aber die Teams dürfen die Regeln nicht bestimmen."
Frage: "Rechnen Sie mit weiteren Problemen in der Finalisierung der Regeln für 2008?"
Mosley: "Die Regeln sind fertig. Das Einzige, was noch passieren kann, ist, dass jemand eine Änderung vorschlägt. Dann kann es eine Änderung geben oder auch nicht. Wenn alle Teams einstimmig eine Änderung vorschlagen, die keine Probleme mit den Veranstaltern oder den kommerziellen Rechtehaltern heraufbeschwören, dann würden wir das unterstützen. Ich halte das aber für unwahrscheinlich. Im Moment haben wir Regeln. Die Leute können ihre Vorschläge machen, aber es gibt für unterschiedliche Änderungen unterschiedliche Änderungsbedingungen. Technische Regeln erfordern Einstimmigkeit. Sportliche Regeln hinsichtlich der Bauweise der Autos erfordern nach dem 30. Juni Einstimmigkeit. Eine Sportliche Regel, die die Autos nicht betrifft, kann hingegen bis Oktober 2007 mit einer einfachen Mehrheit geändert werden."
Komplexe Strukturen im Regelgebungsprozess
Ecclestone: "Und dann muss alles in die Formel-1-Kommission und zum World Council gehen."
Mosley: "Beide haben ein Vetorecht."
Ecclestone: "Und dann ist die Generalversammlung die letzte Instanz."
Mosley: "Genau. Bernie kennt die Strukturen besser als ich..."
Frage: "Nach dem bisherigen Auszahlsystem, bei dem die erfolgreichen Teams am meisten Geld bekommen, werden die Großen noch größer. Wird es bei diesem System bleiben?"
Ecclestone: "Das ist schon seit 30 Jahren so. Wer gute Arbeit leistet, wird belohnt."
Mosley: "Meiner Meinung nach sollten wir ein System haben, bei dem alle gleich viel Geld bekommen - und die hinteren Teams vielleicht sogar ein bisschen mehr."
Ecclestone: "Wir machen das, Max, in Säule eins. In Säule eins bekommen alle das gleiche Preisgeld. Toro Rosso bekommt gleich viel wie Ferrari. Säule zwei basiert auf Resultaten. Diejenigen, die mehr Punkte holen, bekommen mehr Geld. Das ist nur fair."
Mosley: "Auch bei den Reisekosten bekommen alle Teams gleich viel Rückerstattung. Es stimmt, das ist relativ neu und kam erst mit dem aktuellen Concorde Agreement auf. Bis 1997 war es viel komplizierter."
Frage: "Sind Sie auch verantwortlich für den fünfjährigen Kampf? Sie haben die Hersteller dazu eingeladen, in die Formel 1 zu kommen. Sie haben Ihnen alle möglichen Geschenke gemacht, zum Beispiel elektronische Fahrhilfen zugelassen, weil diese technologisch interessant sind. Haben Sie sie vielleicht zu sehr an das Gefühl der Macht gewöhnt?"
Mosley: "Ich glaube nicht, dass man das so sagen kann. Die Regeln waren schon immer die Regeln. Ende 1993 begannen wir dann, uns Sorgen wegen der Elektronik zu machen. Ich habe noch eine Weihnachtskarte von Ayrton Senna, in der er schreibt, dass wir die Elektronik loswerden müssen. Das haben wir für 1994 gemacht. Wir haben sogar um das Recht gebeten, die Quelltexte lesen zu dürfen. Das wurde damals von den Herstellern akzeptiert. Seitdem haben wir keine signifikanten Eingriffe mehr getätigt. Wir haben nur die Traktionskontrolle wieder zugelassen, um den ewigen Verdächtigungen ein Ende zu bereiten, dass jemand betrügt. Es bleiben aber immer Zweifel. Jetzt müssen wir die Kosten senken, denn so kann es nicht weitergehen. Den Herstellern würde das Geld ausgehen. Wenn sie eine erfolgreiche Serie wollen, dann muss es Bernie möglich sein, 20 Autos zusammenzustellen. Die Hersteller wurden nie angelockt, sondern sie kamen unter bestehenden Regeln in die Formel 1."
Ecclestone will die Hersteller nicht vertreiben
Frage: "Jetzt sagen sie, dass Sie die Hersteller vertreiben, indem die Technologie beschnitten und die Entwicklung eingefroren wird."
Ecclestone: "Unsinn! Warum sollten wir das tun?"
Mosley: "Völliger Unsinn."
Ecclestone: "Ich würde auf die Knie fallen und sterben, um sie an Bord zu halten. Die Hersteller sind die Leute, die das Geld haben und es zum Wohle des Sports ausgeben. Midland gibt nicht viel Geld aus und auch Toro Rosso nicht. Wir brauchen die BMWs und Hondas."
Mosley: "Im Moment wird insgesamt mehr als eine Milliarde Euro pro Jahr ausgegeben, damit die Motoren ein bisschen besser werden. Das ist nicht tragbar. Irgendein Hersteller muss Neunter, Zehnter oder Elfter sein - nur einer kann gewinnen. Der Preis muss soweit herunterkommen, dass ein Hersteller auch dann in der Formel 1 bleiben will, wenn er nur Fünfter, Sechster, Siebenter oder Achter wird. Bei einer Milliarde Euro ist es das nicht wert. Da wird der Vorstand früher oder später den Geldhahn zudrehen. Wir können die Hersteller loswerden, wenn wir alles so lassen, wie es jetzt ist. Die einzige Möglichkeit, sie zu behalten, ist eine Senkung der Kosten."
Ecclestone: "Man muss nur schauen, was ich heute mit den Übertragungen mache: Die Übertragungen sind ganz anders als vor zehn Jahren. Das Gleiche gilt für das Technische Reglement. Niemand kannte eine Traktionskontrolle, als wir noch unsere eigenen Teams hatten. Unsere Traktionskontrolle waren spezielle Federn im Heck. Die Dinge entwickeln sich weiter. Man muss mit der Zeit gehen. Die FIA muss sich fragen, was in den nächsten fünf Jahren passieren wird. Wenn sich nichts tut, steht man sehr schnell mit leeren Händen da."
Frage: "Ein Vorwurf lautet, dass alles erst damit begonnen hat, dass Sie die Formel 1 an die Banken verkauft haben..."
Ecclestone: "Ich habe überhaupt nichts verkauft. Wenn ich Kontrolle über unseren Familienfonds gehabt hätte, hätte ich nie verkauft. Als der Fonds realisierte - und ich habe mit dem Management des Fonds nichts zu tun -, dass ich vielleicht eine Herzoperation brauchen könnte, wurden sie ein bisschen nervös. Sie haben mich gefragt, was passieren würde, falls ich sterben sollte. Also war es besser, ein paar der Anteile zu verkaufen, denn wenn ich gestorben wäre, wären die Anteile vielleicht nicht mehr so viel wert gewesen. Sie machten also einen Deal, der damals sehr gut war, brachten sich aber dadurch in eine Position, auf die sie nicht vorbereitet waren, nämlich dass mehr als 50 Prozent verkauft wurden. Sie konnten nicht vorhersehen, dass Kirch die Anteile der Banken übernehmen und dann auch noch eine 25-Prozent-Option einlösen würde. Dadurch kam es zu all den Problemen."
2002 hätten die Hersteller billiger zum Handkuss kommen können
Mosley: "Das waren alles zwei oder drei Milliarden Dollar schwere Deals. Die Hersteller hätten aber 2002 alle kommerziellen Rechte für weniger als 400 Millionen Dollar kaufen können. Sie taten es nicht. Die Wahrheit ist, dass sie in die Formel 1 gekommen sind, weil sie dachten, das sei gut für das Marketing und für ihr Unternehmen, aber sie dachten auch, dass es völlig unbedeutend sei, ob die Formel 1 nun Bernie oder den Banken oder wem auch immer gehört. Es war einfach gut, dabei zu sein. Wenn sie im TV einen Werbespot schalten, scheren sie sich ja auch nicht darum, wem der Sender gehört. Die Wahrheit ist, dass einige der Leute der Hersteller sich schon als Bernies Nachfolger sahen. Sie sahen sich im Motorhome mit den verdunkelten Scheiben als Direktoren der Show. Als das unwahrscheinlicher wurde, weil sie realisierten, dass sich die Banken eingekauft hatten, wiesen sie alles wieder zurück."
Frage: "Ich würde die Zahlen nie offen legen, aber die Hersteller hätten den Deal schon vor 'CVC' machen können. Sie hätten einen Superdeal machen können. Das hätten sie tun sollen, denn dann hätten sie volle Kontrolle gehabt und mich feuern können. Sie hätten alles nach ihren eigenen Vorstellungen machen können."
Mosley: "All das hätten sie für einen Bruchteil des Geldes haben können, den sie jedes Jahr für die Motoren ausgeben, um diese nur ein bisschen schneller zu machen."
Frage: "Die Teams behaupten, dass Sie zu viel Geld aus dem Sport für sich selbst abzweigen."
Ecclestone: "Vor Jahren bot ich den Teams an, dass wir uns das Risiko teilen könnten. Ich hätte die Firma geleitet und 30 Prozent des Gewinns bekommen. Alle haben ausnahmslos gesagt: 'Mach was du willst! Nimm du das Risiko und das Geld, solange wir garantiert einen bestimmten Betrag bekommen. Wir sind Racer und interessieren uns nur für unsere Autos.' Als die Sache profitabel wurde, wollten auf einmal alle etwas vom Kuchen abbekommen. Ich möchte klarstellen, dass die Teams immer genau das Geld bekommen haben, das vereinbart war. Ich hatte manchmal kein Geld mehr, zum Beispiel als Brasilien nicht mehr zahlen konnte. Watkins Glen schuldet uns heute noch etwas."
Mosley: "Es ist so, als würde jemand auf deinem Grundstück ein Business aufbauen - und sobald es erfolgreich ist, gehst du zu ihm und forderst das Business ein. Das ist nicht korrekt."
Frage: "Die Teams bekommen jetzt doppelt so viel Geld. Gleichzeitig werden die Kosten gesenkt. Was werden sie mit so viel Geld machen? Besteht die Gefahr, dass sie sich einfach größere Jachten oder Flugzeuge kaufen werden?"
Ecclestone: "Was macht das für einen Unterschied? Mich stört das nicht. Wenn alle Mechaniker in einem Privatjet anreisen, macht das für mich keinen Unterschied. Das geht mich nichts an."
Mosley kritisiert hohe Ausgaben der Hersteller
Mosley: "Das Problem ist im Moment - nehmen wir die Motorenabteilung von BMW als Beispiel -, dass sie jedes Jahr um 50 Prozent mehr ausgeben als das, was die Anteilseigner bekommen. Wenn wir also helfen, dass die Hersteller Geld sparen, dann sollten sie es ihren Anteilseignern geben oder in neue Technologien investieren, die wir vielleicht im Reglement zulassen werden. Das ist aber eine andere Geschichte."
Frage: "Welches Budget wird notwendig sein, um 2008 in der Formel 1 mitfighten zu können?"
Mosley: "150 Millionen Euro sollten mehr als genug sein, schätze ich."
Frage: "Sehen Sie eine Chance, dass ein Privatteam wie Williams oder Red Bull in Zukunft Rennen gewinnen kann?"
Mosley: "Wenn sie einen wirklich guten Teamchef, ein gutes Team, einen guten Fahrer - und davon gibt es einige - haben, dann gibt es keinen Grund, der dagegen spricht."
Ecclestone: "Nehmen wir McLaren her. Sie haben meiner Meinung nach das bestaussehende Team, machen immer einen extrem guten Eindruck. Sie haben einen sehr, sehr erfahrenen Mann, der die Firma leitet, Herr Dennis, der schon lange in der Formel 1 ist. Sie haben viele Weltmeisterschaften gewonnen, also sieht sein Lebenslauf beeindruckend aus. Sie haben wahrscheinlich einen Motor, der genauso gut ist wie alle anderen, und jetzt bekommen sie einen Weltmeister als Fahrer, Alonso. Ich kann nicht verstehen, warum sie mehr technologische Freiheiten wollen als Renault. Sie haben alle Zutaten beisammen - und dazu noch die eine von Renault, mit der Renault Weltmeister wurde. Was wollen sie noch mehr?"
Mosley: "Dem stimme ich total zu. Interessant finde ich ja auch, dass diejenigen, die mehr Technologie wollen, die sind, die hinterherfahren. Was machen sie mit der Technologie, die sie jetzt haben? Sie verlieren! Also wäre ihre Siegchance doch größer, wenn es weniger Technologie geben würde."
Mosley besteht auf eingefrorener Motorenentwicklung
Frage: "Ein Diskussionspunkt ist die Homologierung der Motoren. Die Kritiker sagen, dass eine Einfrierung der Motorenentwicklung so wäre, als würde Real Madrid drei Jahre lang mit denselben Spielern auflaufen."
Ecclestone: "Sie können ihr Personal ja austauschen, wenn sie wollen."
Mosley: "Es ist eher so als würde man sagen, dass die Spieler drei Jahre lang dieselben Fußballschuhe verwenden müssen. Ich glaube nicht, dass sich die Öffentlichkeit für die Entwicklung der Fußballschuhtechnologie interessiert. Sie interessieren sich eher für Tore."
Frage: "Aber ein guter Motor würde ein guter Motor bleiben, ein schlechter eben ein schlechter. Bereitet es Ihnen keine Sorgen, dass das Kräfteverhältnis unverändert bleiben könnte?"
Mosley: "Im Moment sind alle mehr oder weniger gleich gut. Daher müssen wir die Entwicklung so schnell wie möglich einfrieren. Wenn wir ihnen Zeit geben, werden die Leute viel Geld ausgeben, um jetzt noch schnell einen Vorsprung herauszuarbeiten."
Ecclestone: "Ich werde langsam ein Ron-Dennis-Fan. Ron möchte ein ausgeglichenes Umfeld haben. Genau das will Max auch."
Teil zwei des Interviews mit Bernie Ecclestone und Max Mosley wird zu einem späteren Zeitpunkt auf 'F1Total.com' veröffentlicht.

