• 13.09.2007 13:29

  • von Inga Stracke

Inga on Tour: Quellwasser und warmer Regen

Warum Spa-Francorchamps weit mehr ist als nur Eau Rouge und was das belgische Ardennenstädtchen mit den alten Griechen zu tun hat

Hallo, liebe Formel-1-Fans!

Titel-Bild zur News: Rubens Barrichello

Auch wenn die Wetterprognose diesmal gut ist: Regnen kann es in Spa immer...

"Wanderer kommst du nach Spa..." Die Erzählung von Heinrich Böll über ein Erlebnis eines Schwerverletzten im Zweiten Weltkrieg spielt nicht in Spa-Francorchamps, vielmehr bezieht sie sich auf ein Zitat aus dem griechischen Altertum: "Wanderer, kommst du nach Sparta, verkündige dorten, du habest uns hier liegen gesehn, wie das Gesetz es befahl." Dies soll auf dem Gedenkstein für die Spartaner, die sich 480 vor Christus bei der Verteidigung der Thermopylen gegen die Perser bis auf den letzten Mann aufopferten, gestanden haben, hat also ebenso nichts mit Spa-Francorchamps zu tun.

Direkt aus der Gegend um die Rennstrecke kommt jedoch das bekannte Quellwasser "Spa", das aus einer Ardennenquelle kommt. 520 Millionen Liter werden davon jährlich abgefüllt. Da schon im 16. Jahrhundert die Kurgäste an die heilende Kraft des Quellwassers aus den Ardennen glaubten, wurde Spa-Wasser schon früh exportiert, von 1600 an nach England, von 1700 an nach Nordamerika. In Belgien und international ist die Gegend um den berühmten Kurs nicht nur durch die Formel 1 bekannt, sondern auch als Kurort, mit knapp 10.000 Einwohnern und 600 Hotelbetten. Über Jahrhunderte war es der Hotspot des Jetsets. Selbst Deutschlands Kaiser Wilhelm II. kam hierher. Seine schlösschenartige Fachwerkresidenz in den bewaldeten Vororthügeln von Spa ist heute ein Altersheim für Pfarrer.#w1#

Wofür steht Spa eigentlich?

Im Englischen heißt Spa Kurort sowie Mineralquelle oder auch eine Einrichtung zur Entspannung mit Swimmingpool und Bädern. Spa ist die Abkürzung des lateinischen "sanus per aquam", gesund durch Wasser. Eine andere Theorie besagt, dass der Name auf das lateinische Wort "spargere" für "spritzen" zurückführt.

Zuschauer

Viele Zuschauer beim Formel-1-Test in Spa im Juli dieses Jahres Zoom

Mitten in Spa, direkt neben dem Parc de 7 Heures, kann man mit zwei gläsernen Aufzügen auf einen Berg fahren, zur luxuriösen Therme, mit Blick auf die Wälder um die Rennstrecke. Ob die Thermengäste an diesem Wochenende der Lärm der Boliden stören wird, ist nicht bekannt. Rund um den Kurs kann man jedenfalls Gesundheit tanken, sagen die Thermenbetreiber. Rund 300 Quellen haben ihren Ursprung tief in den Ardennen. Manche sind kohlensäurehaltig, manche ein bisschen eisendurchsetzt, immer jedoch enthalten sie nur wenig Mineralien und kaum Salz.

Doch kommen wir wieder zum Rennalltag. So gerne ich es mir in einer der Thermen gut gehen lassen würde, ich fürchte, ich werde an diesem Wochenende nicht dazu kommen. Monaco mag zwar der bei den Fans bekannteste Formel 1 Kurs sein, aber Spa-Francorchamps ist zweifellos bei den Fahrern und Ingenieuren der beliebteste. Eingebettet in die Wälder der Ardennen zwischen Brüssel und Lüttich ist Spa-Francorchamps einer der absoluten Traditionskurse.

Ein alter Witz im Fahrerlager ist: "Woran erkennst du, dass in Spa Sommer ist? - Daran, dass der Regen warm ist!" Tatsache ist, dass ich noch nie einen Formel-1-Grand-Prix in Spa-Francorchamps erlebt habe, bei dem es nicht geregnet hat. Für dieses Wochenende sind festes, wasserdichtes Schuhwerk und auf jeden Fall die dicke und warme Regenjacke angesagt!

Interessant sind auch immer die unzähligen Verkaufsbuden rund um den Kurs. Hier gibt es wirklich alles, sogar restlich verbliebene Jos-Verstappen-Fans sind bestens versorgt. Dazu die traditionellen Pommes mit Majo - was will man mehr? Einen Besuch wert ist auch das Casino - natürlich nicht zu vergleichen mit Monaco, aber doch auch ganz nett.

Rennen mit großer Tradition

Belgien war einer der sieben Events der ersten offiziellen Formel-1-Weltmeisterschaft 1950. Abgesehen von Monaco und Monza haben nirgendwo sonst mehr Grands Prix stattgefunden als in Spa-Francorchamps. Der ursprüngliche Kurs war 14 Kilometer lang und bestand aus öffentlichen Straßen. Als die Autos immer schneller wurden, wurde die Strecke zu gefährlich, und 1972 fand der Grand Prix in Nivelles statt. Im darauf folgenden Jahr zog die Formel 1 nach Zolder um und kehrte erst 1983 wieder nach Spa zurück.

Michael Schumacher 1992 in Belgien

Michael Schumacher nach seinem ersten Grand-Prix-Sieg im Jahr 1992 Zoom

Ayrton Senna siegte hier fünfmal, viermal davon hintereinander. Jim Clark gewann das Rennen ebenfalls viermal hintereinander, auch Michael Schumacher konnte hier sechs Siege verbuchen (1992, 1995, 1996, 1997, 2001 und 2002). Bei den vergangenen beiden Grand Prix 2004 und 2005 gewann jeweils Kimi Räikkönen. 1985 musste die Formel 1 sogar zweimal nach Spa kommen: Wegen des ständigen Regens hatte man das Rennen in den Juni gelegt, doch just in jenem Jahr gab es eine große Hitzewelle. Die Hitze setzte dem Asphalt so zu, dass das Rennen in den September verschoben werden musste.

Der neue Kurs ist eine Mischung aus permanenter und zeitweiliger Rennstrecke - der größte Teil der Strecke führt über öffentliche Straßen. Es ist mit 7,004 Kilometern die längste Strecke der Formel 1 und hat die spektakulärsten und schwierigsten Passagen aller Rennstrecken - die Haarnadel von La Source, die Auffahrt zur Eau Rouge, Pouhon und Blanchimont. Ausreichende Bodenfreiheit und starke Federn sind die Voraussetzung, die Senke Eau Rouge sogar voll fahren zu können.

Insgesamt werden 44 Runden gefahren, das entspricht einer Gesamtdistanz von 308,176 Kilometern. Eau Rouge und Blanchimont sind die schnellsten Kurven, der Topspeed wird mit über 300 km/h vor Eau Rouge und nach Blanchimont erreicht, bevor die Piloten dann vor der Bus-Stop-Schikane bis auf 70 km/h herunterbremsen müssen. Vor ein paar Jahren wurde die Strecke verkürzt und verändert, um den modernen Formel-1-Ansprüchen gerecht zu werden, doch trotz dieser Modifikationen bleibt Spa-Francorchamps eine der besten Straßenrennstrecken der Welt.

Wenn man die Namen der berühmtesten Kurven - Blanchimont, La Source, Pouhon, Stavelot und Malmedy - erwähnt, schlägt das Herz eines jeden Motorsportfans höher. Noch spektakulärer ist allerdings die Eau Rouge, die - links-rechts-links-steil-bergauf - wohl die größte Herausforderung für jeden Rennfahrer ist. Wer sie richtig angeht, erlebt dieses großartige Gefühl immer wieder - wenn auch in diesem Jahr weniger extrem, weil sie durch die Einführung der V8-Motoren locker voll geht. Sie ist aber eine der technisch anspruchsvollsten Kurven, da das Auto sehr ruhig liegen muss, da es in der Senke starken Druck erfährt.

Die meisten Fans campen um die Strecke

Für die Zuschauer, die teilweise bereits ab Mittwoch in den Waldstücken rund um die Strecke campieren, gibt es viele gute Plätze, vor allem am Ende der langen Geraden, die in langsame Kurven einmünden. 1998 waren gleich 13 Autos am schlimmsten Formel-1-Crash beteiligt, doch alle Fahrer blieben wie durch ein Wunder unverletzt.

Ricardo Zonta

Auf keiner anderen Strecke ist das Wetter so unberechenbar wie in Spa Zoom

Einziges Problem in Spa-Francorchamps: der ständige Regen. Doch dieser ließ Michael Schumacher immer mehr zum König von Spa-Francorchamps werden. 1992 schaffte er hier seinen ersten Grand-Prix-Sieg, 1997 gewann der Ferrari-Star hier sein viertes von insgesamt sechs Rennen in Spa-Francorchamps, 1998 lag er souverän in Führung, als er David Coulthard überrunden wollte und mit dem Schotten zusammenstieß. Im dem dreirädrigen Ferrari konnte er sich nur noch an die Box retten. 1999 musste er wegen seiner Verletzung aussetzen, 2000 trickste ihn Mika Häkkinen bei 290 km/h mit einem grandiosen Überholmanöver aus, als beide gleichzeitig Hinterbänkler Ricardo Zonta überholten. Für die Fans war er immer der "König von Spa". Dieses Jahr müssen sie einen neuen König krönen.

Für Nick Heidfeld und Ralf Schumacher ist Spa-Francorchamps übrigens weiterhin der Heim-Grand-Prix, der ihren Heimatstädten Mönchengladbach und Kerpen am nächsten liegt.

Die Abstimmung ist vergleichsweise schwierig, denn man braucht für die schnellen Kurven eine gute Balance und dennoch gute Traktion ausgangs der Haarnadelkurve und der Bus-Stop-Schikane. Außerdem muss das Auto nicht nur auf Topspeed über 300 km/h abgestimmt sein, sondern es gibt an einigen Stellen größere Bodenwellen. Dieser Kompromiss ist ziemlich schwierig zu erreichen, aber wenn das Auto in Spa-Francorchamps einmal gut läuft, ist es wirklich ein Erfolgserlebnis für das Team. Und dann kann man ja vielleicht auch im Casino feiern oder sich zum Wochenendabschluss in der Therme verwöhnen lassen...

Auf ein spannendes Wochenende!

Inga Stracke