• 30.06.2006 10:36

Indianapolis: Mützen und Fahnen als Entschuldigung

Die US-Fans kamen in Massen zum "Tag der offenen Boxengasse" - die Indy-Farce des Jahres 2005 ist vergeben, nicht aber vergessen

(Motorsport-Total.com/sid) - Dass Fernando Alonso seinem Erzrivalen Michael Schumacher die Mitschuld am wohl größten Skandal der Formel-1-Geschichte gibt, interessiert die Fans in Indianapolis herzlich wenig. Sie balgen sich um die Mützen und blaugelben Fahnen, die Michelin als Entschuldigung für das Desaster vor einem Jahr in die Menge wirft. Über 100.000 Fans - und damit mindestens so viele wie bei der Farce von 2005 - werden sich am Sonntag den vorerst vielleicht letzten Großen Preis der USA anschauen.

Titel-Bild zur News: Fans in Indianapolis

Der Andrang der Fans in der Boxengasse in Indianapolis war gewaltig

"Ich bin erstaunt, wie viel hier los ist. Der amerikanische Fan will halt etwas Spektakuläres erleben. Vielleicht kommen einige in diesem Jahr, um Reifen fliegen zu sehen", mutmaßt Formel-1-Experte Hans-Joachim Stuck, obwohl Michelin eine Wiederholung der Vorfälle zu "100 Prozent" ausgeschlossen hat. Michael Schumacher glaubt, dass das Desaster "der Formel 1 mehr Aufmerksamkeit in den USA" beschert hat. Nico Rosberg findet den Empfang "Superklasse": "Hier ist mehr los als bei anderen Rennen."#w1#

Zumindest bei der Charmeoffensive am "Tag der offenen Boxengasse" feiern die vielleicht 3.000 Anhängern die komplett zu Autogrammstunden aufgefahrenen Stars. Jubel brandete auf, als Alonso und der weiße Michelin-Mann einen Scheck von 40.000 Dollar an den "Boys an Girls Club of Indianapolis" übergeben.

Bei der Fragestunde der Fans mit dem Weltmeister geht es nicht etwa um die Gründe für den Skandal von 2005, sondern um ganz banale Fragen. Zum Beispiel, ob der Spanier heiraten will ("Ich will nicht mein ganzes Leben allein bleiben"), welches Auto er privat fährt ("Einen Renault Megane, aber mein Lieblingsauto ist ein großer Mercedes") und ob er seinen Rasen selbst mäht ("Nein"). Dazu lassen sich knapp bekleidete Models mit Sternenbanner-Stiefeln vor Rennwagen ablichten. Fan Alejandro im roten Ferrari-Hemd freut sich über ein Autogramm von Alonso: "Der Skandal vom Vorjahr ist nicht vergessen, aber vergeben. Wenn du ein wirklicher Rennsportfan bist, kommst du immer wieder."

20.000 Fans bekamen 2005 ihr Geld von Michelin zurück, 20.000 Anhänger wurden in diesem Jahr kostenlos eingeladen. Die französische Reifenfirma behauptet, im normalen Verkauf keinen Schaden erlitten zu haben, nachdem sie im Vorjahr den 14 von ihr bereiften Formel-1-Autos aus Sicherheitsgründen den Start in Indianapolis verboten hatte. "Jeder hat begriffen, dass es Michelin vermasselt hat, die Situation aber verantwortungsbewusst gelöst hat", sagt der damalige Rennsportchef Pierre Dupasquier. Dass sich am Ende nur sechs Autos einen Rennen der Farce mit dem beschimpften Sieger Schumacher lieferten, sorgt noch heute für offenen Streit im Formel-1-Lager.

Die Michelin-Teams hatten einen Punkteverzicht angeboten und wollten auf einer entschärften Strecke fahren, aber das Ferrari-Team mit Schumacher lehnte das ab. "Sie wollten ihr Rennen allein fahren. Das war schlimm und schwer zu vergessen. Ich akzeptiere jede persönliche Meinung, aber in dem Moment waren die 150.000 Fans wichtiger", meinte Alonso ein Jahr danach frustriert und attackierte damit Schumacher. Der Skandal hat schließlich dafür gesorgt, dass die Verlängerung des in diesem Jahr auslaufenden Vertrages mit Indianapolis mehr als unsicher ist. Bernie Ecclestone will nicht auf die "Antrittsprämie" von etwa 15 Millionen Euro verzichten.

Alonso findet, dass zur "weltweit größten Sport-Show einfach ein Rennen in den USA gehört", aber Schumacher sieht die möglichen Konsequenzen gelassen: "Die USA sind groß, da gibt es viele Rennstrecken und ich persönlich mag neue immer ganz gerne." Die Fans in Indianapolis würden wohl auch über diesen Schock hinwegkommen - direkt neben der Bühne mit den Formel-1-Stars wirbt ein Stand schon für das berühmte Indy 500 im Jahr 2007.