"Idiot-Affäre": Haug und Co. nehmen Vettel in Schutz

Narain Karthikeyan ist zwar stinksauer, doch viele Formel-1-Protagonisten zeigen Verständnis für den Vettel'schen Gefühlsausbruch nach dem Grand Prix von Malaysia

(Motorsport-Total.com) - Sebastian Vettel war stinksauer, nachdem ihm Narain Karthikeyan beim Grand Prix von Malaysia an vierter Stelle liegend den Reifen aufgeschlitzt und ihn effektiv aus dem Rennen befördert hatte. Nach der Zieldurchfahrt beschimpfte er den indischen HRT-Piloten, der bei der Überrundung durch den Weltmeister etwas unglücklich agiert hatte, vor laufenden TV-Kameras: "So, wie das auch im echten Leben ist, gibt's auch ein paar Gurken, die auf der Strecke rumfahren."

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel, Norbert Haug

In Norbert Haug hat Sebastian Vettel einen prominenten Fürsprecher

Gegenüber der 'BBC' nahm Vettel in Zusammenhang mit Karthikeyan sogar das Wort "Idiot" in den Mund, wie der Kölner 'Express' berichtet, und Onboard-Aufnahmen beweisen, dass auch der berühmt-berüchtigte Stinkefinger im Spiel war. Jetzt herrscht besonders in den Medien helle Aufregung: "In Deutschland bricht ein Fall Vettel aus", stellt die 'Gazzetta dello Sport' in ihrer heutigen Ausgabe fest und spekuliert über "Spannungen" im Red-Bull-Lager.

Immer wieder Artikel 151.c)

Als amtierender Weltmeister der Formel 1, der wichtigsten Rennserie unter Sporthoheit der FIA, könnte eben diese nun eingreifen und im schlimmsten Fall sogar eine Strafe aussprechen. Als Grundlage für solche Sanktionen könnte der vielzitierte Artikel 151.c) des Internationalen Sportgesetzbuchs der FIA dienen, der "jedes betrügerische Verhalten oder jedes Verhalten, das im Widerspruch zu den Interessen des Wettbewerbs oder des Motorsports generell steht", untersagt.

"Da hat er gegen den Verhaltenskodex verstoßen", befürchtet auch 'Motorsport-Total.com'-Experte Marc Surer in einem Interview mit 'Sky Sport News HD'. "Es gibt den Sporting Code. Den unterschreibt man, wenn man die Lizenz bekommt. Dann muss man sich eben entsprechend verhalten. Ein Verhalten, das anderen Personen oder dem Sport schadet, ist strafbar", so Surer, der den Vorfall selbst gesehen hat: "Ja, das konnte man auf dem Onboard-Kanal verfolgen."

Der von der FIA vorgesehene Strafenkatalog bei derartigen Vergehen umfasst eine breite Palette: "Das kann von einer Verwarnung oder gar nichts bis zu einem Lizenzentzug gehen", erklärt Surer, der aber eigentlich nicht an drastische Folgen für Vettel glaubt: "Ich denke, dass es jetzt in dem Fall verständlich war und dass man da eine milde Strafe ausspricht, wenn es eine Strafe gibt. Aber theoretisch ist da alles offen."

Dem Weltverband traut Surer das richtige Maß zu: "Ich denke, dass die Leute in Paris bei der FIA Verständnis haben für jemand, der einfach sauer ist, dass er dann so reagiert, im Affekt. Und deswegen wird es wahrscheinlich keine schlimme Strafe geben", nimmt der Schweizer an. Auf zweimalige Anfrage von 'Motorsport-Total.com', ob es im "Fall Vettel" eine disziplinarische Untersuchung geben wird, gab es seitens der FIA bisher aber noch keine offizielle Stellungnahme.


Fotos: Sebastian Vettel, Großer Preis von Malaysia, Sonntag


Vettel hat aber viele Fürsprecher. Mercedes-Sportchef Norbert Haug bricht gegenüber dem 'SID' eine Lanze für den erst 24 Jahre alten Champion: "Auch als Doppel-Weltmeister ist Sebastian Vettel ein großartiger Mensch und ein ursprünglicher Racer geblieben. Man sollte die Kirche im Dorf lassen, wenn man jetzt urteilt." Und Adrian Sutil antwortet auf die Frage, ob sich ein Weltmeister wie Vettel so verhalten darf: "Darf er schon, ja. Warum nicht? Soll man doch mal sagen, was man denkt."

Sutil sieht den Fehler bei Karthikeyan

Vielmehr habe sich Karthikeyan "falsch" verhalten: "Er war überrundet. Da muss man einfach Platz machen. Ich kenne das auch vom letzten Jahr, habe mich schon einige Male aufgeregt - über diesen Fahrer, vielleicht auch über ein paar andere -, weil sie halt extrem spät Platz machen. Als ich im Spyker saß, habe ich schon eine Strafe gekriegt, als ich noch drei Sekunden vor dem Fahrzeug war. Ich hatte den noch gar nicht gesehen, gab es schon eine Strafe."

"Und jetzt", ärgert sich der ehemalige Force-India-Pilot im Gespräch mit dem 'Bayerischen Fernsehen', "fahren die teilweise eine halbe Sekunde vor dir rum, kämpfen mit dir und lassen dich nicht vorbei. Das gibt's ja nicht!" Schützenhilfe für Vettel kommt auch von Sutils Nachfolger Nico Hülkenberg: "Er hat das nach dem Rennen schon richtig gesagt. War halt ein schlechter Tag für ihn, ohne Punkte. Da ist man emotionell."

Paul di Resta zeigt ebenfalls Verständnis: "Obwohl ich den Zwischenfall nicht wirklich gesehen habe, bin ich mir sicher, dass das in der Hitze des Gefechts gesagt wurde. Vielleicht hat er die falschen Worte gewählt, aber die Emotionen kochen in der Formel 1 schon mal hoch und dann sagt man manchmal Dinge, die man gar nicht so meint", findet der Force-India-Fahrer, unterstreicht aber gleichzeitig, dass auch Karthikeyan jedes Recht zustehe, für sein Team zu kämpfen.

Der 35-jährige Inder ist auf Vettel derzeit nicht gut zu sprechen: "Es ist beschämend für einen Weltmeister, so etwas zu sagen, wirklich unprofessionell", wird er von der 'Hindustan Times' zitiert. "Es ist wirklich traurig, wenn ein Fahrer, der so viel erreicht hat, seinen Frust über ein schlechtes Jahr an mir auslassen muss. Man rechnet normalerweise nicht damit, dass ein professioneller Sportler so ein weinerliches Baby ist."

Narain Karthikeyan

Narain Karthikeyan ist auf Sebastian Vettel derzeit nicht gut zu sprechen Zoom

Zudem stört Karthikeyan, dass er von den Rennkommissaren in Sepang, die ihn zu einer nachträglich aufgerechneten Durchfahrstrafe verurteilt haben, seiner Meinung nach ungerecht behandelt wurde: "Denen war ganz egal, was ich zu sagen hatte, denn Herr Vettel hat ihnen Gott weiß was erzählt, als er bei ihnen war", kritisiert der HRT-Pilot die FIA-Kommissare Paul Gutjahr, Johnny Herbert und Roger Peart, die beim Grand Prix von Malaysia zuständig waren.