• 27.05.2013 11:55

  • von Dieter Rencken

Horner: Mercedes hätte alle Teams fragen müssen

Red-Bull-Teamchef Christian Horner ärgert sich über die Tatsache, dass der Reifentest von Mercedes nicht offen kommuniziert wurde

(Motorsport-Total.com) - Anstatt Mercedes und Nico Rosberg für ihren Sieg beim prestigeträchtigen Großen Preis von Monaco zu feiern, wurde der Erfolg der Silberpfeile durch die Nachricht überdeckt, das Team habe zuvor geheime Reifentests in Barcelona abgehalten und 1.000 Testkilometer ohne Wissen der Konkurrenz abgespult. Dass Mercedes, die gewissermaßen die größten Reifenprobleme hatten, in Monaco auch gleich gewonnen haben, tat nichts zur Sache, betont Red-Bull-Teamchef Christian Horner. Protest haben sein Team und Ferrari dennoch eingelegt. Im Gespräch mit Journalisten nimmt Horner nun Stellung dazu.

Titel-Bild zur News: Christian Horner

Christian Horner wünscht sich mehr Transparenz in der Angelegenheit Zoom

Frage: "Christian, vor dem Rennen in Monaco ist das Thema Reifentests von Mercedes und Pirelli hochgekocht. Dein Team hat dagegen Protest eingelegt. Möchtest du dazu Stellung beziehen?"
Christian Horner: "Alles, was ich sagen kann, ist, dass wir am Morgen protestiert haben, weil wir nicht das Gefühl hatten, dass es richtig war - oder mit den Regularien in Einklang steht. Ferrari hat ebenfalls einen Protest eingereicht. Wir denken, dass Testfahrten in Barcelona mit einem aktuellen Auto und aktuellen Reifen einen Bruch der Regeln darstellen, und nun ist es in den Händen der Stewards. Wir werden sehen, was dabei herauskommt. Wir würden kein Rennen gewinnen wollen, nur weil jemand ausgeschlossen wird. Aber das ist nicht unsere Entscheidung, sondern die der FIA."

Frage: "Ist ein Ausschluss von Mercedes etwas, das ihr anstrebt?"
Horner: "Nein, ich denke nicht. Nico ist ein gutes und verdientes Rennen gefahren. Falsch ist, dass ein Team heimlich und bewusst Reifen testet, die für die diesjährige Weltmeisterschaft designt sind. Die Testregeln sind für uns ganz klar im Sportlichen Reglement festgehalten. Wenn man der Meisterschaft zu Beginn des Jahres beitritt, unterschreibt man diese Regularien, und unserer Meinung nach hat sich Mercedes mit dem Test nicht daran gehalten. Also haben wir vor dem Rennen protestiert, weil wir klarstellen wollten, dass wir es nicht vom Ergebnis abhängig machen."

"Für uns war es die erste Möglichkeit zu protestieren, und die haben wir wahrgenommen, weil wir Klarheit wollten. Wir reden eine Menge über Kostensenkung, wir haben am Freitag drei Stunden über Tests während der Saison gesprochen, und versucht eine Lösung zu finden. Und dann stellt sich heraus, dass ein Team schon viel davon unternommen hat."


Fotos: Großer Preis von Monaco, Sonntag


Frage: "Wusstet ihr, dass sie getestet haben?"
Horner: "Es kam bei einer Debatte der GPDA (die Fahrervereinigung; Anm. d. Red.) am Freitag heraus. Es ist bemerkenswert, dass niemand wusste, dass ein aktuelles Auto mit aktuellen Fahrern um die Strecke von Barcelona gefahren ist - und es bis Freitag verborgen blieb."

Verständnis für Pirelli

Frage: "Pirelli soll acht oder neun Tage davor danach gefragt haben..."
Horner: "Ich kann Pirelli verstehen, dass sie den Test machen wollten, und ich denke man kann verstehen, warum sie es mit Mercedes machen wollten. Das Problem ist, dass es im Widerspruch zum Reglement steht. Nun ist Pirelli kein Teilnehmer; Teilnehmer stimmen beim Beitritt zur Weltmeisterschaft zu, die Regeln zu respektieren - und unserer Ansicht nach haben sie diese nicht eingehalten. Es gibt auch eine Testvereinbarung, die man nun für null und nichtig erklären könnte. Das ist auch eine Vereinbarung zwischen den Teams, die nicht von der FIA verwaltet wird, und hier natürlich ebenfalls nicht respektiert wurde."

Frage: "Mercedes soll vorher bei der FIA nachgefragt haben, ob sie den Test fahren dürfen. Was weißt du dazu?"
Horner: "Ich denke, das ist ein Fall, auf den die Stewards schauen sollten. Was uns angeht, so sind die Regeln schwarz und weiß. Es ist eindeutig, was man tun darf und was nicht. Ich kann verstehen, warum Pirelli diesen Test wollte, und ich kann auch verstehen, warum die FIA das vielleicht befürwortet hat, aber es gibt einen Prozess, der nicht verfolgt wurde. Es gibt theoretisch keine Änderungen am Reglement, darum hätte die Zustimmung aller Teams gesucht werden müssen - was nicht passiert ist - um einen Reifentest mit einem aktuellen Auto, mit aktuellen Fahrern, auf einem aktuellen Kurs mit Reifen, die beim nächsten Grand Prix eingesetzt werden, durchzuführen."

Frage: "Pirelli-Motorsportchef Paul Hembery hat erklärt, dass sie schon früher solche Tests gefahren haben."
Horner: "Ich denke, sie haben möglicherweise schon ein paar Tests gemacht, aber mit einem Auto älterer Spezifikation von 2010. Das ist eindeutig mit dem Reglement vereinbar."

"Mercedes lernt auf jeden Fall"

Frage: "Was sagst du dazu, dass Mercedes es selbst so lange geheim gehalten hat?"
Horner: "Aus irgendeinem Grund kam es erst an diesem Wochenende heraus. Natürlich haben sie keine Pressemitteilungen darüber versandt. Wann immer man diese Autos zum Fahren bringt, lernt man etwas. Man lernt etwas über Zuverlässigkeit, man lernt etwas über die mechanische Seite des Autos, man lernt, wie sich das Auto verhält und bewegt - die Fahrer lernen natürlich auch. Dass Mercedes behauptet, dass sie von dem Test nicht profitiert hätten, ist nur sehr schwer zu glauben."

"Dass Mercedes nicht profitiert hat, ist schwer zu glauben." Christian Horner

Frage: "Was hat Pirelli denn selbst zu den Testfahrten gesagt?"
Horner: "Sie haben einen Vertrag mit jedem der Teams, der ihnen erlaubt, 1.000 Kilometer zu testen. Das kleine Problem ist, dass das Reglement dies unserer Meinung nach nicht tut. Die Gefahr ist nun, dass wir alle zum freien Testen zurückkehren, was enorm viele Kosten nach sich ziehen würde."

"Es liegt in der Verantwortung der Teams, die Regeln einzuhalten, egal was der Vertrag sagt. Es ist das Team, was sich daran halten muss, es gibt also kein Problem mit Pirelli. Vielmehr ist das Problem, dass ein Team absichtlich ein aktuelles Auto auf einem aktuellen Kurs getestet hat - unserer Ansicht nach eine Regelverletzung. Wir möchten nicht scheinheilig sein. Wir haben protestiert, das ist das Mittel, was uns zur Verfügung steht."

Frage: "Wie ist die ganze Sache denn überhaupt ans Licht gekommen?"
Horner: "Ich glaube wir haben es beim GPDA-Meeting durch zweite Hand erfahren. Aber um ehrlich zu sein, kenne ich nicht alle Details.

Frage: "Paul hat gemeint, er hat allen Teams im vergangenen Jahr diese Möglichkeit eröffnet. Manche hätten geantwortet, andere nicht."
Horner: "Wir haben nie geglaubt, dass es mit dem Reglement vereinbar ist. Wie gesagt, Pirelli wollte schon eine Zeit lang testen, und der erzielte Kompromiss war, dass sie mit dem Lotus-Auto testen durften. Sie hatten den veralteten Toyota, und dann wurde entschieden, dass sie den Lotus von 2010 fahren würden. Das war ein Kompromiss. Für jeden Teilnehmer wäre die Möglichkeit, Reifen zu testen, die bei den bevorstehenden Grands Prix zum Einsatz kommen, ein Vorteil."

"Drei Tage in Barcelona testen ist ein unfairer Vorteil." Christian Horner

"Ich denke, alles was wir in den vergangenen paar Jahren erreicht haben, wurde unter fairen Voraussetzungen für alle Teilnehmer erzielt. Aber wenn einer drei Tage nach Barcelona geht, und Reifen testet, die beim nächsten Grand Prix eingesetzt werden, obwohl Tests während der Saison - abgesehen von Filmtagen und Aerotests - verboten sind, dann ist das unserer Meinung nach ein unfairer Vorteil."

Frage: "Wie hoch schätzt du die Kosten dafür ein?"
Horner: "Wir sprechen über hunderttausende, wenn nicht sogar Millionen Pfund an Motorenlaufzeit, Zeit mit den Komponenten, Fixkosten, Logistik - es ist kein unerheblicher Betrag. Ich weiß nicht, man muss sagen, dass Mercedes ziemlich gut darin ist, ein Geheimnis zu wahren. Bei vielen Teams hört man davon, aber sie haben dieses für sich behalten.

Nur die direkte Konkurrenz protestiert

Frage: "Bist du überrascht, dass nur ihr und Ferrari protestiert habt?"
Horner: "Es ist dieselbe alte Geschichte: Wir sind direkt dahinter."

Frage: "Und McLaren?"
Horner: "Die haben einen Stern auf dem Motor. Apropos Motor: Ich kann nicht glauben, dass sie einen Motor außerhalb ihres Kontingents benutzt haben. Sie sind so fern der Regularien, dass es irrelevant wird, sobald man beginnt, über Motoren und Getriebe zu diskutieren."

Lewis Hamilton, Sebastian Vettel

Red Bull hat unabhängig des Ergebnisses protestiert - nämlich schon vor dem Rennen Zoom

Frage: "Gab es für euch nun einen Brief seitens Pirelli?"
Horner: "Ich kann mich an keinen Brief von 2012 erinnern, mein Gedächtnis ist nicht so gut. Ich kann mich erinnern, dass Pirelli Empfehlungen gemacht hat, und an einem gewissen Zeitpunkt gab es den Vorschlag, dass sie es mit dem Team, das die Weltmeisterschaft gewinnt, machen sollten. Aber natürlich wurde dem mit komplettem Horror begegnet, und es hätte auch einstimmig angenommen werden müssen - was es nicht wäre. Jede Testanfrage war für die Mehrheit der Teams im Paddock außerhalb der Regeln - und somit nicht möglich."

Frage: "Wie wird es mit Pirelli weitergehen?"
Horner: "Sie sind ein fähiges Unternehmen, und ja, sie haben die Grenzen mit ihrem Produkt ausgelotet, und sie wissen, dass sie ein wenig zurückgehen müssen - aber das Problem liegt nicht bei Pirelli. Das Problem ist, wie das ganze behandelt und durchgeführt wurde. Das ist das Enttäuschende: die fehlende Transparenz. Darum haben wir entschieden zu protestieren."