Horner: "Fanden eine einvernehmliche Lösung"
Red-Bull-Racing-Teamchef Christian Horner erklärt im Exklusivinterview die Gründe für die Trennung von Anton Stipinovich und vieles mehr
(Motorsport-Total.com) - Knalleffekt bei Red Bull Racing: 'Motorsport-Total.com' hat gestern herausgefunden, dass Entwicklungschef Anton Stipinovich künftig nicht mehr für den österreichisch-britischen Rennstall arbeiten wird. Die Trennung erfolgte Anfang dieser Woche. Allerdings waren die genauen Hintergründe der überraschenden Maßnahme bislang nicht bekannt.

© Red Bull
Christian Horner (rechts) im Gespräch mit Ex-Mitarbeiter Anton Stipinovich
Teamchef Christian Horner erläuterte dafür in einer Pause zwischen mehreren Meetings in London via Telefon, warum man sich vom Ex-Ferrari-Mann getrennt hat und wie die Trennung abgelaufen ist. Außerdem sprach er mit 'Motorsport-Total.com' über die bisher doch eher ernüchternden Wintertestfahrten, über neue Teile, die noch vor Australien fertig werden sollen, und über die Chancen und Ziele beim Saisonauftakt Mitte März.#w1#
Keine Verlängerung des Zweijahresvertrags
Frage: "Christian, ich weiß, dass ihr euch von Entwicklungschef Anton Stipinovich getrennt habt, aber sehr viel mehr als das weiß ich derzeit nicht. War es seine Entscheidung, das Team zu verlassen, oder war es eine Entscheidung des Teams?"
Christian Horner: "Anton hatte einen Zweijahresvertrag mit uns. Wir haben uns entschieden, die Forschungs- und Entwicklungsabteilung umzustrukturieren, also fanden wir eine einvernehmliche Lösung, den Vertrag nicht mehr zu verlängern."
Frage: "Was bedeutet Umstrukturierung? Wird es einen direkten Nachfolger geben?"
Horner: "Wir haben einen neuen Chef für die Kontrollsysteme und die Forschungs- und Entwicklungsabteilung fällt jetzt unter Andy Green. Das ist der Weg, den Adrian (Newey; Anm. d. Red.) einschlagen möchte. Anton hat in den vergangenen Jahren hart für uns gearbeitet und wir haben uns zum Ablauf seines Vertrags freundschaftlich voneinander getrennt."
Frage: "Was waren eigentlich die Aufgaben von Anton Stipinovich?"
Horner: "Er kümmerte sich um die Entwicklung der Kontroll- und Elektroniksysteme und um die Forschungs- und Entwicklungsabteilung. Ein ehemaliger Renault-Mann übernimmt die Kontrollsysteme, ein weiterer Ingenieur den Rest - und die beiden berichten dann direkt an Andy Green, der unser neuer Entwicklungschef ist. Es ist jetzt also nur noch eine Entwicklungsgruppe. Das ist der von uns eingeschlagene Weg."
Frage: "An wen berichtete Anton Stipinovich bislang?"
Horner: "Direkt an Adrian (Newey; Anm. d. Red.)"
Stipinovich war ein Red-Bull-Racing-Mann
Frage: "Arbeitete er nur für Red Bull Racing oder auch für Red Bull Technologies?"
Horner: "Nein, er arbeitete nicht für Red Bull Technologies."
Frage: "Die Testfahrten mit dem RB3 sind bisher nicht nach Wunsch verlaufen. Hat das auch eine Rolle für die Trennung gespielt?"
Horner: "Nein, nicht wirklich. In den vergangenen 18 Monaten sind viele neue Leute zu uns gestoßen. Diese Möglichkeit eines auslaufenden Vertrags haben wir eben genutzt, um die Zusammenarbeit zu beenden und die Struktur zu verbessern. Das Auto ist komplett neu, neuer Motor, neue Elektronik. Wir haben mit einem weißen Blatt Papier begonnen, da gibt es natürlich unweigerlich Anfangsschwierigkeiten."
"Die Gruppe arbeitet aber hart an der Weiterentwicklung. In Barcelona hat das Auto vergangene Woche viele Kilometer zurückgelegt, die Zuverlässigkeit wird also immer besser. In Sachen Performance lernen wir noch über das Auto, das ja aerodynamisch noch nicht in seiner finalen Konfiguration ist. Wir sind zufrieden. Einzuschätzen, wo wir im Vergleich zur Konkurrenz stehen, ist unmöglich. Das werden wir erst in Australien herausfinden."
Frage: "Wie du gesagt hast, habt ihr in den vergangenen Monaten viele neue Ingenieure eingestellt. Wird es weitere Neuzugänge geben?"
Horner: "Nein, die Gruppe ist jetzt festgelegt und arbeitet gut zusammen. Wir haben jetzt die richtigen Leute an den richtigen Positionen."
Frage: "Ende 2006 habt ihr in Milton Keynes umgebaut. Kannst du mir dazu mehr erzählen?"
Horner: "Das war eine natürliche Erweiterung von Red Bull Technologies, wie sie in mehreren Bereichen stattfindet."
Neue Teile werden erst nach Bahrain fertig
Frage: "Ich habe gehört, dass am Ende des Bahrain-Tests neue Teile fertig werden sollen. Stimmt das? Und wenn ja: Welche Teile?"
Horner: "Nein. Wir haben die finale Melbourne-Version des Autos wohl erst nach Bahrain fertig, werden diese dann bei einem Privattest in Frankreich nach Bahrain ausprobieren. In Bahrain werden wir weiter eher an den Kontrollsystemen, an der Zuverlässigkeit und an Rennsimulationen arbeiten - natürlich bei höheren Temperaturen, wie wir sie beim ersten Rennen vorfinden werden. Dabei kann man auch viel über die Reifen lernen."
Frage: "Der finale Performance-Test steigt also erst nach und nicht in Bahrain, richtig?"
Horner: "Genau."
Frage: "Euer Ziel ist ein Top-5-Platz bei den Konstrukteuren, aber ihr seid mit dem Auto spät dran und es läuft noch nicht ganz so. Was ist angesichts dessen ein realistisches Ziel für das Auftaktrennen?"
Horner: "Wir wollen die großen Teams so oft wie möglich ärgern, denn wir haben zwei starke und in etwa gleich gute Fahrer sowie die Zutaten für ein sehr gutes Paket. Daraus wollen wir das Beste herausholen und es so oft wie möglich mit den Topteams aufnehmen."
Frage: "Und speziell für Melbourne? Glaubst du, dass ihr das Rennen beenden könnt?"
Horner: "Absolut. David Coulthard hat vergangene Woche in Barcelona mehr als 115 Runden an einem Tag zurückgelegt. Wir sind zuversichtlich in Sachen Standfestigkeit."

