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  • 09.07.2002 10:44

  • von Fabian Hust

Hintergrund: Bridgestones "Wunder-Reifen"

Das Erfolgsgeheimnis in Silverstone war nicht nur rot sondern auch schwarz: Bridgestones sensationeller Intermediate-Reifen

(Motorsport-Total.com) - Lag Michelin zu Beginn der Saison im Regen noch um Sekunden hinterher, so ist man nun zumindest bei starkem Regen auf ungefähr dem gleichen Level wie Bridgestone. Doch bei leichtem Regen, wie man ihn beim Großen Preis von Großbritannien vorfand, hatten die Franzosen nicht den Hauch einer Chance. Fünf der sechs Punkteränge gingen an die Japaner, nur Juan-Pablo Montoya konnte als Dritter das Bild etwas entschärfen. Besonders das BAR-Honda-Team konnte die Schwächen des Autos durch die Überlegenheit der Reifen teilweise überspielen, die Konsequenz waren die Plätze vier und fünf für Villeneuve und Panis.

Titel-Bild zur News: Bridgestone-Intermediate

Ein Intermediate-Reifen von Bridgestone nach seinem Einsatz

Einer, der aus den Reifen das Maximum herausholte, war Heinz-Harald Frentzen, der bekannt dafür ist, im Regen exzellent zu fahren. Der Arrows-Pilot stürmte vom 16. Platz bis auf den siebten Rang nach vorne und wäre "locker", wie er nach dem Rennen meinte, in die Punkte gefahren. Doch leider gab der Cosworth-Motor im Heck des A23 vorzeitig seinen Geist auf. Seit Monaten hoffen diese kleinen Teams auf genau solche Bedingungen, denn dann können sie selbst die Top-Teams schlagen.

Während man bei Michelin verzweifelt auf der Suche nach dem passenden Reifen für die leicht nassen Bedingungen war, gab es für die Bridgestone-Teams bei einsetzendem Regen nur eine Wahl: Intermediate. "Die Bridgestone-Teams sind einfach geflogen", meinte ein Michelin-Pilot nach dem Rennen frustriert. Das Rennen in Silverstone war das erste Regenrennen, aber schon bei den Trainingseinsätzen zum Beispiel in Imola zeigte sich, wie außergewöhnlich gut der Intermediate-Reifen von Bridgestone ist.

Für die Experten ist es einfach unglaublich, was dieser Reifen leistet. Er ist eine Mischung aus Regenreifen und Trockenreifen. Die Auflagefläche ist relativ groß, was im Trockenen für viel Haftung sorgt. Gleichzeitig besitzt der Reifen aber ein Profil, das Wasser verdrängen kann. Damit ist der Reifen für leicht feuchte Bedingungen ideal und in gewissen Grenzen sogar bei Trockenheit oder starkem Regen einsetzbar.

Doch Bridgestone war im Regen nicht immer gut. Bevor man in die Formel 1 einstieg war die ärmliche Vorstellung 1992 beim DTM-Rennen auf dem Nürburgring ein Rennen, bei dem man viel Schmerzensgeld zahlen musste. Sieben bis acht Sekunden war man pro Runde langsamer als die Konkurrenz. Man raffte sich zusammen und arbeitete intensiv an den Regenreifen. Heute ist Bridgestone auch in der Serienproduktion häufig im Nassen der Konkurrenz von Michelin überlegen.

Was viele nicht wissen: Ob ein Reifen im Regen gut funktioniert oder nicht, hängt in der Formel 1 in erster Linie davon ab, wie der Gummi und das Wasser chemisch miteinander reagieren. Man kann also nicht einfach hingehen, und das Profil von der Konkurrenz kopieren. Dennoch ist das Profil sehr wichtig, denn man muss das richtige Verhältnis zwischen Auflageflächen und Einkerbungen finden. Die Form der Rillen ist wichtig, denn sie bestimmt, wie gut das Wasser verdrängt werden kann.

"Wenn man die Anzahl der Einkerbungen erhöht, dann werden die Ausbuchtungen kleiner sein, was bedeutet, dass man weniger Kontakt zur Strecke hat", erklärt Hisao Suganuma, Motorsportdirektor von Bridgestone. "Das sorgt dafür, dass auf die Ausbuchtungen mehr Kräfte wirken, was zu mehr Bewegung des Reifens führt. Das kann das Auto instabil wirken lassen und es schlussendlich langsamer machen."

Suganuma weiter: "Ein Intermediate-Reifen, der für feuchte Bedingungen konstruiert ist, hat größere Ausbuchtungen, um die Steifheit zu erhöhen und dafür zur sorgen, dass man schneller durch Kurven fahren kann. In diesem Fall ist die Anzahl der Einkerbungen verringert, so dass der Reifen weniger Wasser verdrängen kann. Aus diesem Grund ist der Intermediate nicht geeignet, wenn es stark regnet oder Wasser auf der Strecke steht."

Bridgestone war der erste Reifenhersteller, der die "Hydro Simulation Technology" einsetzte und damit per Computersimulation genau berechnen konnte, wie ein Reifen Wasser verdrängt. Versuche mit Hochgeschwindigkeitskameras, die Autos von unten beim Durchfahren einer mit Wasser versetzten Glasplatte filmen, sind damit unwichtig geworden. "Wir verwendeten diese bahnbrechende Technologie, um zum ersten Mal zu sehen, was wir früher mit bloßem Auge nicht sehen konnten. Wir konnten so ein Profil entwickeln, dass Wasser effektiv verdrängt und gleichzeitig mit der Mischung harmoniert."

Das Ergebnis des Software-Einsatzes sind Intermediate- und Regenreifen, die sich von denen der Konkurrenz deutlich unterscheiden. Die Intermediates haben vertikale und seitliche Rillen, die das Wasser als Ganzes aus dem Reifen abführen und kleine Einschnitte, die das Wasser von den einzelnen Ausbuchtungen abführt. "Wir haben sehr hart gearbeitet, um den besten Reifen für nasse Bedingungen zu finden und ich denke, dass sich das in Silverstone gezeigt hat. Dennoch wird die Arbeit weitergehen."