Herbert und das System Schumacher bei Benetton
Johnny Herbert erinnert sich, wie er im Jahr 1995 als Teamkollege von Michael Schumacher bei Benetton systematisch benachteiligt wurde
(Motorsport-Total.com) - Johnny Herbert galt Anfang der 1990er-Jahre als einer der viel versprechendsten Formel-1-Piloten, also hatte er auch keine große Scheu davor, Ende 1994 zu Benetton zu wechseln. An der Seite von Michael Schumacher machte er bei den ersten Testfahrten auch einen recht soliden Eindruck, doch wenn es um etwas ging, konnte er nie mit dem Deutschen mithalten.
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Johnny Herbert erinnert sich nicht gerne an seine Benetton-Zeit zurück
Die Zahlen sprechen Bände: Schumacher gewann 1995 neun von 17 Rennen und wurde mit 102 Punkten überlegen Weltmeister vor Damon Hill (69). Herbert triumphierte im Gegensatz dazu nur - jeweils mit ein bisschen Glück - in Silverstone und in Monza. In der Endabrechnung musste er sich mit bescheidenen 45 Zählern zufrieden geben, was aber immerhin für WM-Platz vier und den Konstrukteurstitel für das Benetton-Team reichte.#w1#
Herbert wollte 1995 Weltmeister werden
Eigentlich war er aber mit viel ehrgeizigeren Zielen in die Saison gegangen: "Ich war entschlossen, 1995 mit Benetton den WM-Titel zu gewinnen", schrieb der Brite in einem Beitrag für die 'Welt'. Sein Plan, sich einfach ins Auto zu setzen und Siege zu feiern, ging aber nicht auf, denn "übersehen hatte ich dabei die erste Testfahrt und dass das Team komplett um ihn herum aufgebaut war: Ross Brawn, Rory Byrne, Tad Czapski."
"Beim Saisonstart 1995 in Brasilien waren wir gleich schnell. Beim nächsten Grand Prix in Argentinien war ich im Vortraining schneller. Auf der Rückfahrt ins Hotel eröffnete mir Michael: 'Johnny, du hast beim Abstimmen deines Autos deine Geheimnisse, und ich habe meine.' Ich wusste damit nichts anzufangen, nickte nur und fand das ein bisschen komisch, weil es völlig üblich war, mit dem eigenen Kollegen Daten auszutauschen", so der dreifache Grand-Prix-Sieger.
Herbert verbrachte die folgende Nacht im Hotel, wo ihm schon Übles dämmerte, und als er tags darauf während des Freien Trainings von Ross Brawn angesprochen wurde, war ihm klar, worauf dies hinauslaufen würde: "Brawn nahm mich zur Seite und erklärte mir, dass Teamchef Flavio Briatore die Marschroute ausgegeben hatte, dass Michael mir nicht mehr die Daten seines Autos zur Verfügung stellen werde", erinnerte er sich.
Herbert hatte nie eine faire Chance
Und weiter: "Damit war klar, wie von jetzt an die Kräfteverteilung bei Benetton aussehen würde. Die Folge war, dass ich bis Mitte der Saison von den Daten des Schumacher-Autos abgeschnitten blieb. Als ich sie wieder erhielt, war für mich die WM gelaufen", gab der 42-Jährige zu Protokoll. Am Jahresende wurde sein Vertrag nicht mehr verlängert, so dass er zu Sauber wechseln musste. Nach weiteren Gastspielen bei Stewart und Jaguar sowie einem Testjahr bei Arrows beendete er seine Karriere.
Übrigens betont Herbert heute noch, dass er die Verantwortung für seine Benachteiligung nicht bei Schumacher selbst sieht, sondern vielmehr bei Briatore. Vor Schumacher als Rennfahrer hat er sowieso großen Respekt, denn: "Er hat es in meinen Augen überhaupt nicht nötig. Michael ist einfach zu gut - und er ist der schnellste Fahrer, den ich in meiner Karriere gesehen habe", meinte der ehemalige Sporting Relations Manager von MF1 Racing.
Ganz im Reinen scheint er mit dem siebenfachen Weltmeister dann aber doch nicht zu sein, denn Herbert ist einer derjenigen Fahrerlagertheoretiker, die glauben, dass sich Schumacher einen Teamkollegen Kimi Räikkönen bei Ferrari nicht antun wollte: "Michael hat es gewusst oder gefühlt: Da ist jetzt ein Mann, den man nicht ausschalten kann. Da hat Michael lieber sich selbst ausgeschaltet", nannte er einen möglichen Grund für den Rücktritt seines Ex-Teamkollegen.