Herausforderung Shanghai - Neuland für die Formel 1

Renault-Chefingenieur Pat Symonds über Shanghai und die Vorbereitungen auf ein Rennen auf Formel-1-Neuland

(Motorsport-Total.com) - Am kommenden Wochenende gastiert die Formel 1 zum ersten Mal auf chinesischem Boden. In vielerlei Hinsicht bedeutet dies für die Teams eine besondere Herausforderung - besonders für die Ingenieure, die die Strecke noch nicht kennen und ohne Erfahrungswerte ein Basis-Setup als Grundlage für die beiden Trainingstage austüfteln müssen.

Titel-Bild zur News: Shanghai International Circuit

Shanghai bietet schnelle Geraden, aber auch anspruchsvolle Kurven

Gleichzeitig ist es aber auch "eine der interessantesten Herausforderungen" für einen Formel-1-Ingenieur, auf einer komplett neuen Strecke zu arbeiten, wie Renault-Chefingenieur Pat Symonds beschreibt. Und: "Wenn die Strecke dann auch noch in einem neuen Land liegt, dann trägt das zum angenehmen Teil der Herausforderung bei." Speziell auf China trifft das bestimmt zu, stehen doch jedem Team direkt vor Ort zwei kleine Häuser zur freien Verfügung.#w1#

Erstes Stadium der Vorbereitung beinhaltet Streckenskizzen

Die technische Vorbereitung auf Shanghai hat schon vor Monaten mit dem Studium von Skizzen des Streckenlayouts begonnen, "aber die", so Symonds, "sind nicht immer so detailliert wie erforderlich. Wenn wir die Kurvengeschwindigkeiten herausgefunden haben, beginnen wir damit, ein bestmögliches Setup für eine schnelle Rundenzeit, aber auch für eine gute Performance im Rennen auszuarbeiten."

"Wenn man sich Shanghai anschaut, so ist die Strecke geprägt von zwei langen Geraden, von denen eine einen Kilometer und die andere rund 600 Meter lang ist, was darauf schließen lässt, dass ein wettbewerbsfähiger Top-Speed mitentscheidend für unsere Position ist. Daneben gibt es aber auch zwölf Kurven, von denen manchmal eine direkt in die nächste übergeht. Außerdem ist die Strecke dafür, dass sie so modern ist, erstaunlich lang", erklärt er weiter.

Eine Runde in Shanghai bietet im Prinzip alles, was ein Formel-1-Kurs heutzutage bieten kann: Sektor eins besteht aus überwiegend langsamen Kurven und einer Haarnadel, Sektor zwei beinhaltet eher schnellere Kurven und eine herausfordernde Kombination, die durchaus mit der Becketts-Passage in Silverstone vergleichbar ist, und die beiden langen Geraden mit einer guten Überholmöglichkeit gegen Ende der Runde.

Medium-Downforce-Einstellungen am Renntag

"Wie sich das auf das Setup auswirkt, ist schwer einzuschätzen", fährt Symonds fort. "Die Strecke erfordert anfangs eine High-Downforce-Abstimmung für eine gute Rundenzeit, aber die Bestrafung dafür, die Flügel flacher einzustellen, ist relativ gering. Ist das bei einer Strecke der Fall, sagen wir in der Fachsprache, dass ihr aerodynamisches Profil flach ist. Am Renntag glaube ich daher, dass wir ein Setup mit mittleren Abtriebswerten fahren werden."

"Die Bedeutung der Motorleistung ist ähnlich wie in Melbourne", so der Brite, "also im unteren Viertel der Saison, aber die Auswirkung von Benzin im Tank dürfte wohl ziemlich stark sein - nämlich wegen der schnellen Kurven. Die Durchschnittsgeschwindigkeit wird schneller sein als in Bahrain. Die Bremsen werden wohl nicht so stark belastet wie in Bahrain, Shanghai liegt da geringfügig unter dem Durchschnitt. Durch die langen Geraden werden die Bremsen gut abgekühlt."

"Die Gesamtenergie, die die Reifen pro Runden absorbieren müssen, ist relativ hoch. Andererseits dauert das Rennen nur 56 Runden, also erwarten wir einen ähnlichen Reifenverschleiß wie zum Beispiel am Nürburgring. Die Verteilung zwischen Vorder- und Hinterreifen ist relativ gleichmäßig, könnte sich aber mit Verlauf des Rennens ein wenig nach hinten verlagern, weil viele der Kurven aufmachen und man aus ihnen herausbeschleunigen muss", meint der 51-Jährige.

Regen im September in Shanghai durchaus möglich

In Sachen Wetter hoffen die Teams, dass man von Regen verschont bleibt - Shanghai im September könnte durchaus auch für ein Regenrennen sorgen. Symonds: "September ist das Monat, in dem die Regenzeit vorüber geht, und normalerweise regnet es 156 Millimeter verglichen beispielsweise mit 61 Millimetern im Regen. Im Durchschnitt gibt es im September neun Tage, an denen mehr als ein Millimeter Regen fällt."

Ansonsten sei das Klima aber "ein normales Vier-Jahreszeiten-Klima mit erwarteten Temperaturen von maximal 25 Grad", übte sich der Renault-Chefingenieur als Meteorologe. "Shanghai liegt an einem großen Hafen und ist folglich genau auf Meereshöhe, was bedeutet, dass der atmosphärische Druck normal ist." Dies ist gut für die Motoren, die unter solchen Bedingungen besser funktionieren als beispielsweise bei höhenbedingt dünnerem Sauerstoff als am A1-Ring in Österreich.

Aber: "Wir wissen natürlich, dass die Realität ganz anders aussehen kann, wenn die Fahrer einmal ihre Linien gefunden haben und ein wenig Grip auf der Strecke liegt", so Symonds abschließend. "Dennoch ist es wichtig, sich intensiv vorzubereiten. Die Strecke sieht schwer zu lernen aus und ich denke, dass die Rundenzeiten rapide schneller werden. Außerdem verleitet sie zu Fehlern und ich denke, dass wir Shanghai am Sonntagabend eine interessante Fahrerstrecke nennen werden."