Hembery fordert: Mehr Mischungen gegen fade Rennen

Weil die Reifen in Indien nicht am Limit waren, hielten sich Boxenstopps und Überholmanöver in Grenzen - Paul Hembery hat eine Lösung für dieses Problem

(Motorsport-Total.com) - Die Rennen in Südkorea und Indien erinnerten an die Formel 1 vor dem Pirelli-Zeitalter. Die Reifen wurden nur mäßig beansprucht, der Verschleiß hielt sich in Grenzen, weil der auf diesen Rennstrecken benutzte Asphalt die Pneus kaum fordert. Vor allem auf dem Buddh International Circuit war dies augenscheinlich - den meisten Piloten gelang es, mit einem Stopp über die Distanz zu kommen.

Titel-Bild zur News: Daniel Ricciardo

Indien machte es deutlich: Die Reifen entscheiden über die Spannung Zoom

Und das verursachte ein Bild, das die Formel-1-Fans aus der Vergangenheit kennen: Alle Piloten setzen auf die gleiche Strategie, der Abbau der Pneus ist berechenbar, Performance-Schwankungen und Überholmanöver halten sich in Grenzen. Daniel Ricciardo bringt es nach dem Grand Prix von Indien auf den Punkt: "Die Reihenfolge nach der ersten Runde lautete di Resta, ich und Kobayashi. Wir beendeten die letzte Runde in der gleichen Reihenfolge. In den 58 Runden dazwischen ist nichts passiert. Das war nicht gerade das spannendste Rennen in der Geschichte der Formel 1, obwohl wir alles getan haben, was wir konnten."

Toro-Rosso-Piloten klagen über Einstopprennen

Der "Aussie" kennt den Grund: "Es ist ein Problem, wenn alle auf einer Einstoppstrategie sind. Wir hatten vielleicht nicht den Speed, um wirklich nach vorne zu kommen - und unter diesen Umständen ist es schön, wenn man ein paar Dinge mit der Strategie probieren kann. Bei einem Einstopprennen sind deine Möglichkeiten aber begrenzt. Hoffentlich wird Abu Dhabi etwas spannender."

"Bei einem Einstopprennen sind deine Möglichkeiten aber begrenzt." Daniel Ricciardo

Teamkollege Jean-Eric Vergne hat die Reifen als Spaßverderber ausgemacht: "Durch die Charakteristik der Strecke und das Verhalten der Reifen gab es nur eine richtige Wahl - ein Stopp. Und wenn alle um dich herum das Gleiche machen, dann bestimmt zu einem Großteil das Tempo deines Autos das Rennen."

Hembery wünscht sich doppelt so viele Reifenmischungen

Pirellis Motorsportchef Paul Hembery ist diese Problematik bewusst und will Konsequenzen ziehen. Seit 2007 definiert der Reifenhersteller - damals Bridgestone - vor der Saison vier Reifenmischungen. Für jedes Rennen werden dann zwei Mischungen aus der Produktpallete nominiert - laut dem Briten zu wenig, um all den unterschiedlichen Asphaltbeschaffenheiten gerecht zu werden.

"Wir hätten liebend gerne eine größere Auswahl an Reifenmischungen, dann hätten wir eine größere Auswahl an Lösungen für die unterschiedlichen Strecken und könnten eine Zwei- oder Dreistoppstrategie garantieren", bestätigt Hembery gegenüber 'Autosport'. "Wenn man nur vier Auswahlmöglichkeiten hat, dann muss man ständig Kompromisse eingehen."

"Wenn man nur vier Auswahlmöglichkeiten hat, dann muss man ständig Kompromisse eingehen." Paul Hembery

Doch wie viele Reifenmischungen würde sich Hembery wünschen? "Mindestens acht Mischungen wären gut - mit Arbeitsfenstern für hohe und niedrige Temperaturbereiche bei allen vier Mischungen, die wir jetzt haben."

Abhilfe frühestens 2014

Bis es tatsächlich zur Erweiterung des Reifenkontingents kommen könnte, müssen sich die Teams und Fans allerdings noch gedulden. Denn die Reifen für die Saison 2013, das letzte Vertragsjahr Pirellis, wurden bereits entwickelt - die Daten der Mischungen liegen auf dem Pirelli-Zentralserver, auf den die Teams zugreifen können, was für die Entwicklung der neuen Boliden von großer Bedeutungen ist. Am Freitag in Brasilien kommen die Rennställe dann erstmals in den Genuss der neuen Mischungen, wovon sie sich einige Aufschlüsse für 2013 versprechen.

Doch Hembery ist bewusst, dass nicht nur das begrenzte Reifenkontingent die Ursache dafür ist, dass die Rennen in der zweiten Saisonhälfte berechenbarer sind und die etablierten Topteams meist an der Spitze liegen: "Die Teams verbessern sich ständig. Sie versuchen, Verschleiß und Abbau zu reduzieren - wir versuchen das Gegenteil und arbeiten in die entgegengesetzte Richtung. Die Ingenieure in diesen Teams sind brillant. Zu Saisonstart, als es diese Kommentare über die Reifen gab, da klagten sie nicht - sie wussten, dass sie einen Vorteil haben würden, wenn sie diese Herausforderung bewältigen."

"Wir werden nächstes Jahr viele Dinge ändern. Wird das ausreichen? Wir müssen abwarten." Paul Hembery

2013 beginnt das Spiel von neuem - Hembery rechnet einmal mehr mit rauchenden Köpfen bei den Teams: "Wir werden nächstes Jahr viele Dinge ändern. Wird das ausreichen? Wir müssen abwarten, dann wissen wir es. Hoffentlich erleben wir einen aufregenden Saisonstart."