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Heidfeld: Mit Hirn, Bart und Methode
Nick Heidfeld im Porträt: Warum er sich für die Medien nicht verbiegt, wie wohl er sich in der Schweiz fühlt und was ihm an BMW so gefällt
(Motorsport-Total.com) - Wenn man mit Nick Heidfeld einen Interviewtermin hat, wird er gerade so eben im Rahmen der zeitlichen Toleranz um die Ecke biegen, nicht den leisesten Anflug von Hektik verbreiten - und sich dann hundertprozentig auf seinen Gesprächspartner konzentrieren. Was er macht, macht er richtig.

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Nick Heidfeld möchte eines Tages Formel-1-Weltmeister werden
Er hat seinen Traumberuf, und er übt ihn mit Herzblut und Erfolg aus. "Das war schon immer so", wischt er Theorien vom Tisch, nach denen er sich im vergangenen Jahr stark verändert habe, "der Unterschied ist: Seit ich in einem Team fahre, mit dem ich in jedem Rennen Punkte holen kann, finde ich mehr Beachtung. Wenn du auf Platz 17 rumfährst, merkt keiner, ob du dich rasierst oder nicht."#w1#
Bärtiger Look
Vollbart und Wuschelfrisur brachten 2007 fast mehr Medienresonanz als sein zweiter Platz beim Großen Preis von Kanada oder Rang drei in Ungarn. Und der Haarwuchs wirkte wie eine Einladung, sich diesen Typen doch mal genauer anzuschauen. Der Mönchengladbacher macht das mit. Er erzählt von sich, er steht zu sich und er rechtfertigt sich nicht. Er lebt mit Patricia Papen in wilder Ehe. Die Tochter heißt Juni, weil die Eltern den Namen schön finden, und aus demselben Grund heißt der 2007 geborene Sohn Joda. Nein, mit der Star-Wars-Figur hat das nichts zu tun, erklärt der stolze Papa geduldig.
Freiheit ist für Heidfeld ein hohes Gut. Das gilt für sein Denken ebenso wie für seinen Lebenswandel. Er versteht es, aus seinem anstrengenden Beruf das Beste für sich zu machen. Er nimmt die Familie mit auf Reisen, er ist neugierig, geht gern bummeln, kauft Mode und Kunst, schaut sich von der Welt an, was er trotz Terminen erhaschen kann, und ist immer auf der Suche nach guten Restaurants. Er schlemmt und genießt, er feiert, dass es kracht. Aber erst, wenn die Arbeit getan ist. Er ist ein im besten Sinne anstrengender Fahrer. Er ruht nicht, ehe auch der letzte Datensatz ausgewertet ist. Er weiß, dass zählt, was er sagt. Denn er hat sein Handwerk gelernt.
Er war noch nicht einmal fünf, als er mit seinen Brüdern Sven und Tim um die Wette Motocross fuhr. Die Eltern, Angelika und Wolfgang, lebten mit ihren Söhnen ein schnelles und spaßiges Leben. "Ich hatte eine wunderbare Kindheit", sagt "Quick Nick", der auch heute noch gern seine Eltern und Geschwister mit zur Rennstrecke nimmt. Auch die Großmutter ist schon mal dabei. Nick ist der Kleinste in der Familie Heidfeld - 1,67 Meter. "Wenn ich mich selbst gebaut hätte, hätte ich mich ein bisschen größer gemacht", gibt er zu, "aber im Rennsport war es immer von Vorteil, klein zu sein." Fast immer.
Es war eine Durststrecke, bis er die vorgeschriebene Zentimeterzahl erreicht hatte, um Leihkarts fahren zu dürfen. Als es endlich soweit war, hängte er auf der Kartbahn des Nürburgrings gleich seinen Vater ab. Als Achtjähriger bekam er sein erstes eigenes Kart. Clubmeisterschaften in Kerpen-Manheim, Rennen auf nationaler Ebene, Teilnahmen an EM- und WM-Läufen folgten.
Auch im Formelsport ließen die Erfolge nicht auf sich warten. Als 17-Jähriger gewann er die Deutsche Formel-Ford-1.600-Meisterschaft mit acht Siegen in neun Rennen. Ein Jahr später holte er den Titel in der Formel Ford 1800. 1996 war er als 19-Jähriger der Jüngste im Feld der Deutschen Formel 3. Es wurde ein starker Einstieg: drei Siege und Rang drei im Gesamtklassement. Außerdem holte er sich die Pole Position und einen Laufsieg beim Formel-3-Weltfinale auf dem abenteuerlichen Stadtkurs von Macao, den er bis heute seine Lieblingsstrecke nennt, sowie Platz drei beim europäischen Kräftemessen der Formel 3 in Zandvoort.
1997 erster Formel-1-Test im Silberpfeil

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Das Helmdesign von Nick Heidfeld hat sich seit vergangenem Jahr verändert Zoom
1997 machte Heidfeld die erste Bekanntschaft mit öffentlichem Erwartungsdruck. Die erste Formel-1-Testfahrt mit McLaren-Mercedes hatte Interesse geweckt, er wurde schon vor Saisonbeginn als kommender Formel-3-Meister gehandelt. Heidfeld wurde unbeirrt und mit fünf Siegen Meister. Mit seinem Sieg beim Formel-3-Grand-Prix in Monaco setzte er noch einen drauf. 1998 und 1999 ging er seinen Weg in der Internationalen Formel 3000 weiter. Drei Siege und Zweiter der Meisterschaft im ersten Jahr, im zweiten Jahr dominierte er und holte mit vier Siegen den Titel. Parallel testete er Formel 1.
2000 ergatterte er erstmals einen Stammplatz in der Königsklasse. Die Lage im neuen Team von Alain Prost war indes aussichtslos. Als er 2001 ins Team von Peter Sauber kam, wurde Kimi Räikkönen sein Teamkollege. 2002 war es Felipe Massa. Er hat sie beide geschlagen - und damit zu leben gelernt, wie der Vergleich mit Newcomern wahrgenommen wird: "Wenn du schneller bist als so ein Wunderkind, ist es normal. Wenn du langsamer bist, bist du der Depp. Man kann in dieser Situation nicht gewinnen, deshalb sollte man einfach konzentriert weiterarbeiten."
Für Sauber erzielte er 2001 in Brasilien seinen ersten Podestplatz. Drei Jahre fuhr er für den Rennstall. "Eine schöne Zeit", sagt Heidfeld, der damals seine monegassische Wohnung gegen ein Haus in Stäfa in der Schweiz tauschte. "Erbaut Mitte des 19. Jahrhunderts und restauriert mit traditioneller Handwerkskunst", erzählt er. Sich deswegen ein Hirschgeweih über dem Kamin vorzustellen, wäre falsch. Gemälde von Patricia, andere Kunstobjekte und modernes Interieur bilden Kontraste. Ein Fitnessstudio gibt es auch.
Für Outdoor-Sportarten ist die Gegend ohnehin ideal. Ob Radfahren oder Wassersport auf dem Zürichsee, Tennis oder Golf: Heidfeld liebt die Abwechslung, er hat sich keiner Einzelsportart verschrieben. Und wenn sich in Herbst und Winter der Nebel über den See senkt, dann ist er froh, dass er in nur 20 Fahrminuten die Lichter der Großstadt Zürich um sich haben kann.
Zukunft war nur selten gesichert
Seit 2005 konnte er Winter verbringen, vor deren Beginn er bereits wusste, wie es beruflich im Folgejahr weitergeht. Das war nicht immer so. Als Ende 2003 sein Vertrag bei Sauber nicht verlängert wurde, fand er erst spät noch einen Platz bei Jordan. Einen Winter später musste er sich seinen Platz im BMW WilliamsF1 Team in einem monatelangen Shootout mit Antonio Pizzonia verdienen. Teamchef Frank Williams teilte Heidfeld seinen für ihn positiven Entscheid erst anlässlich der Präsentation im Januar mit.
2005 profilierte sich Heidfeld im Williams durch starke Rennen, couragierte Überholmanöver, eine Pole Position, drei Podiumsplätze und analytische Arbeit mit den Ingenieuren. Ein Testunfall wegen einer gebrochenen Radaufhängung in Monza im August und ein folgender Fahrradunfall läuteten zwar das vorzeitige Saisonende für ihn ein, aber für Mario Theissen war er bereits Wunschpilot für das neue BMW Sauber F1 Team geworden.

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Mit dem Teamkollegen Robert Kubica heute beim Launch in München Zoom
"An diesem Projekt hänge ich mit Herzblut", sagt Heidfeld. "Jedes neue Team tritt mit einem Fünfjahresplan an und will an dessen Ende Weltmeister sein. Wir haben 2006 und 2007, parallel zur Aufbauarbeit des Teams, unsere Ziele übertroffen. Wir sind auf einem guten Weg, und wir sind ein gutes Team."
Der Wahlschweizer, der in allen früheren Rennserien Siege und Titel im Handstreich holte und damals nicht dachte, dass das in der Formel 1 so lange dauern würde, ist realistisch: "Selbst wenn wir über den Winter einige Zehntelsekunden schneller werden, kommen wir Ferrari und McLaren nur näher, aber noch lange nicht an ihnen vorbei. Und wer weiß, wie die Teams aufholen, die 2007 unter Wert geschlagen wurden. Das harte Stück Arbeit kommt noch. Und erst in schlechten Zeiten zeigt sich, wie gut man als Team wirklich zusammenhält."
Was für ihn außer Frage steht: Er ist bereit, sobald das BMW Sauber F1 Team so weit ist. Er will Formel-1-Weltmeister werden.

