Heidfeld: "Ich hoffe, es fehlt uns nur der Faktor Zeit"
Der BMW Sauber F1 Team Pilot im ausführlichen Mediengespräch über die bisherie Saison, Rückenprobleme, Spionage, Silverstone und viele weitere Themen
(Motorsport-Total.com) - Frage: "Die Hälfte der Saison ist gelaufen, wie fällt dein Fazit aus?"
Nick Heidfeld: "Ich würde sagen, dass wir zur Halbzeit sehr, sehr zufrieden sein können. Ich bin jedenfalls mit dem zufrieden, was wir als Team geleistet haben."

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Nick Heidfeld mit Willy Rampf: Wie weit ist es noch bis zum ersten Sieg?
"Es ist bekannt, dass wir uns nach der vergangenen Saison weiter steigern wollten, hofften, auf den vierten Platz zu kommen. Uns war aber auch klar, dass das nicht einfach werden würde, wenn man sich die Punkte-Situation des vergangenen Jahres anschaut."
"Wir sind von Anfang der Saison an das drittstärkste Team und haben das in Magny-Cours wieder bewiesen, auch wenn es dort mit Renault enger geworden ist. Wir wollen den Platz jetzt bis zum Jahresende verteidigen."#w1#
Heidfelds persönliche Highlights
Frage: "Was waren deine persönlichen Highlights der Saison bisher?"
Heidfeld: "Das waren zum einen die Zweikämpfe mit Fernando, sowohl in Magny-Cours als auch in Bahrain. Das eine Mal ist er vorbei gekommen, das andere Mal ich. Und dann natürlich der zweite Platz in Kanada."#w1#
Frage: "Wenn andere solche Manöver zeigen, dann knallt es häufig, bei euch nicht. Warum?"
Heidfeld: "Die Erfahrung spielt mit Sicherheit eine Rolle, zum zweiten auch die Ruhe und die Übersicht, die man dabei haben muss. Wir sind nicht davor gefeit, dass es auch bei uns mal kracht, das kann auch passieren. Bisher ist es immer gut gegangen und dann macht es wirklich auch immer unheimlich viel Spaß, so eng im Zweikampf zu sein."
Frage: "Weißt du genau, mit wem du so etwas machen kannst?"
Heidfeld: "Ich glaube, ich kann die Leute schon ganz gut einschätzen, aber ich werde es mit allen gleich machen. Ich werde nicht bei dem einen zurückstecken, nur weil ich denke, er fährt aggressiv weiter."
Frage: "Hast du mit ihm schon gesprochen?"
Heidfeld: "Nein, ich habe ihn bisher nicht gesehen."
Von positiven und negativen Überraschungen
Frage: "Was ist deine positivste und die negativste Überraschung des Jahres?"
Heidfeld: ""Positiv Super Aguri, die sehr stark sind, stärker, als man erwartet hat. Enttäuscht war ich zumindest Anfang der Saison von Renault, die ich deutlich stärker erwartet hatte. Auch wenn sie jetzt gegen uns kämpfen, aber Anfang des Jahres habe ich ganz klar damit gerechnet, dass sie vor uns liegen."
Frage: "Was fehlt dem Team noch, bis man siegen kann?"
Heidfeld: "Ich hoffe nur, dass es der Faktor Zeit ist, der uns fehlt. Denn bis jetzt liegen wir gut im Plan. In der Formel 1 hat eigentlich jedes Team, das reinkommt und Ambitionen hat, den wohl bekannten Fünf-Jahres-Plan und im fünften Jahr wollen sie alle Weltmeister sein. Nur geht das meistens nicht auf."
"Wir liegen aber im Moment zumindest im Plan, sogar ein bisschen davor. Was das Wachstum und das Personal betrifft, sind wir auch hier im Plan, wir haben jetzt alle Positionen besetzt. Aber es gibt ein paar Sachen, die erst kommendes Jahr zum Tragen kommen, weil sie einfach einen gewissen Vorlauf brauchen in der Formel 1 und in der Wagenentwicklung."
Frage: "Was sind das für Dinge?"
Heidfeld: "Darauf möchte ich nicht eingehen, aber es ist nicht viel. Es ist klar, dass das letztjährige Auto noch von Sauber war und von Sauber-Mitarbeitern entwickelt wurde. Das diesjährige Auto war das erste BMW Sauber Auto, das gemeinsam entwickelt wurde, aber trotzdem konnte man noch nicht alles bis ins letzte Detail integrieren und verändern, so wie es dann kommendes Jahr sein wird."
Einheitsreifen? Slicks wären schöner...
Frage: "Was ist dein Urteil in Bezug auf die Einheitsreifen?"
Heidfeld: "Ich denke, dass sie die Rennen spannender gemacht haben. Die Autos sehen oft so aus, als lägen sie nah beieinander. Aber Einheitsreifen hin oder her, ich wäre nach wie vor dafür, dass man wieder auf Slicks zurückgeht."
Frage: "Auf welchen Strecken erwartest du das Team in diesem Jahr noch stark, wo könnte es etwas enger werden?"
Heidfeld: "Bedenken, dass wir langsam sein könnten, habe ich eigentlich nicht, wenn wir uns gut weiterentwickeln. Ich denke, wir können wieder erwarten, schneller zu sein, wenn wir auf Strecken kommen, wo man weniger Abtrieb braucht, so wie das in Kanada und Indy der Fall war, also Monza und Spa-Francorchamps."
"Das sind schon Strecken, die in diese Richtung gehen. In Kanada bin ich Zweiter geworden, in Indy hat es nicht gepasst, aber da waren wir vom Speed her auch gut, auf jeden Fall besser als in Magny-Cours und auch in Barcelona."
Heidfeld rätselt über die Vorlieben des Autos
Frage: "Früher hat sich das Team auch auf Kursen für viel Abtrieb schwer getan, in diesem Jahr nicht. Woher kommt das?"
Heidfeld: "Wir tun uns nicht schwer, aber wir sind - wie angesprochen - immer noch auf Strecken besser, auf denen man weniger Abtrieb braucht. Wo dran das liegt, weiß ich nicht. Das wird wohl von Anfang an im Konzept und der Zielrichtung so verankert sein."
Heidfeld gibt sich in Bezug auf seinen Vertrag entspannt
Frage: "Wie schwer ist es eigentlich, beim Fahren die Vertragssituation auszuklammern?"
Heidfeld: "Ganz einfach. Ich hatte schon schwierigere Situation in meiner Karriere und da habe ich das auch geschafft."
Frage: "Mario Theissen hat in einem Interview auf die Frage nach einem neuen Vertrag für dich ein klares Bekenntnis für dich abgegeben. Hat dich das gefreut?"
Heidfeld: "Ja, ich habe mich gefreut. Ich habe es selbst nicht gesehen, aber ich habe es gehört und mich gefreut. Auf der anderen Seite gibt es noch nichts zu verkünden, wir müssen noch etwas abwarten. Es ist noch nichts unterschrieben. Ich bin von meiner Seite nach wie vor recht optimistisch. Mario hat auch gesagt, dass wir zusammenarbeiten wollen, also werden wir das wahrscheinlich auch."
Frage: "Gibt es für dich sportlich keine Alternative?"
Heidfeld: "Ich glaube, dass es für beide Seiten nicht viele Alternativen gibt. Deswegen macht es Sinn, weiterzumachen."
Heidfeld zum Thema Spionage
Frage: "Wie beobachtest du die ganze Spionage aus der Distanz?"
Heidfeld: "Ehrlich gesagt habe ich bisher nur die Überschriften gelesen. Ich habe da keine genauen Informationen. Zweitens muss man gerade bei so etwas immer vorsichtig sein, was denn stimmt von dem, was man liest, ohne euch jetzt zu nahe treten zu wollen."
"Da sind so viele Informationen und Fakten im Umlauf, die man wissen müsste, um da einen guten Kommentar darüber abgeben zu können. Dazu bin ich nicht in der Lage. Ich hatte während der drei Tage auch nicht allzu viel Zeit, um mich damit zu beschäftigen, auch nicht allzu viel Lust. Aber ich bin gespannt, was zum Schluss dabei rauskommt."
Frage: "Könntest du dir vorstellen, dass auch BMW Ziel von Spionage wird, wo es jetzt mit dem Team aufwärts geht?"
Heidfeld: "Ich hoffe, dass das in der Formel 1 ein Einzelfall ist und bleibt, zumindest in dem Ausmaß."
Frage: "Glaubst du, dass es eine Ausnahme ist?"
Heidfeld: "Ich glaube, so extrem schon, ja. Man ist als Top-Team immer Ziel von Analysen, man wird da mehr beobachtet, es werden Fotos von den Autos gemacht. Aber dass da so spioniert wird? Ich denke nicht, dass da so spioniert wird."
Frage: "Kannst du dir vorstellen, dass dann auf anderen Niveaus spioniert wird?"
Heidfeld: "Man schaut ein bisschen, man photographiert ein bisschen, unterhält sich vielleicht mal mit jemandem und versucht, etwas raus zu hören oder rauszukriegen, aber wenn ich lese, dass da 500 Seiten übergeben wurden - das ist schon ein bisschen das Heftigere."
Heidfeld sieht BMW Sauber F1 in Silverstone auf Frankreich-Niveau
Frage: "Welche Prognose gibst du nach den Testfahrten hier in Silverstone ab?"
Heidfeld: "Ich vermute, dass die Stärke in etwa gleich sein sollte wie in Magny-Cours. Ich bin den Test ja wegen meiner Rückenprobleme nicht durchgefahren. Es hat während des Tests auch zwischendurch immer mal wieder geregnet, aber im Großen und Ganzen war es ein normaler Test. Es war nicht so, dass wir extrem viele neue Teile getestet haben oder irgendetwas schief gelaufen ist. Ganz normal."
Frage: "Werden die Unebenheiten in der 'Becketts' ein Thema der Fahrerbesprechung sein?"
Heidfeld: "Kann ich mir vorstellen, ja. Ich habe gelesen, dass manche anderen Fahrer auch Rückenprobleme hatten. Da werde ich jetzt mal nachfragen."
Frage: "Was ist bei dir bei der Untersuchung herausgekommen?"
Heidfeld: "Das Wichtigste ist, dass es nichts Schlimmes, nichts Dramatisches ist, dass es mal schmerzhaft sein kann, aber das sollte jetzt auch erledigt sein."
Frage: "Es ist ja sicherlich nicht ideal, dass man jetzt wieder auf die Strecke kommt, oder?"
Heidfeld: "Es wäre mit Sicherheit etwas besser, wenn ich ein wenig ruhen könnte, aber ich erwarte nicht, dass es Probleme gibt, denn ich bin ja in Magny-Cours auch den ganzen Samstag und Sonntag ohne Probleme gefahren."
Frage: "Ist die Strecke durch die Bodenwellen in Bezug auf die Sicherheit bedenklich?"
Heidfeld: "Es war für mich dieses Jahr beim Testen das erste Mal so, dass die Bodenwellen so extrem waren, das habe ich die ganzen Jahre über so nicht gespürt."
Frage: "Werden die Autos an diesen Stellen unkontrollierbar?"
Heidfeld: "Nein, die sind eher auf den Geraden."
Die Sache mit der schwierigsten Kurve der Formel 1
Frage: "Ein paar Fahrer sagen, der erste Sektor ist das Schwierigste in der Formel 1 überhaupt. Würdest du das unterschreiben?"
Heidfeld: "Nein, das würde ich nicht unterschreiben. Ich empfinde es als schwierig zu sagen, dass die eine Kurve schwieriger ist als die andere. Wenn man sagt, dass Monza einfach ist, weil es nur ein paar Geraden und Schikanen gibt, gibt es dennoch Unterschiede bei den Fahrern. Es ist sicherlich eine der herausforderndsten Stellen in der Formel 1, weil es ganz einfach so viele schnelle Kurven sind und dann noch in so rascher Abfolge, wie man es sonst nirgendwo hat."
Heidfelds Erinnerungen an Silverstone
Frage: "Welche Erinnerungen ragen an Silverstone heraus?"
Heidfeld: "In der Formel 3000 habe ich mal die Cockpitumrandung verloren, die habe ich mir weggeschlagen. Ein anderes Mal stand ich beim Start hinter dem Heinz-Harald (Frentzen), der beim Start derart die Reifen bis weiß was ich wie viel km/h durchdrehen ließ, dass ich nur noch Rauch sah. Vor ein oder zwei Jahren habe ich einen sehr guten Start gehabt. An solcher Dinge erinnere ich mich, in Bezug auf Ergebnisse war glaube ich nichts Außergewöhnliches dabei."
Heidfeld fiebert dem Heimrennen entgegen
Frage: "Darf ich etwas vorausgreifen - Nürburgring?"
Heidfeld: "Ja, da freue ich mich natürlich riesig darauf. Ich habe schon gehört, dass mehr Zuschauer da sein werden als in den vergangenen Jahren, da es das einzige Rennen sein wird, das wir in diesem Jahr in Deutschland haben werden. Die Stimmung war dort sowieso schon immer gut, und für mich als Deutschen hat das Rennen schon eine Ausnahmestellung, da freue ich mich drauf."
Frage: "Hast du in diesem Jahr einen persönlichen Sympathiebonus?"
Heidfeld: "Wahrscheinlich schon. Ich bin im Moment der beste Deutsche."
Frage: "Vielleicht auch wegen des Auftritts auf der Nordschleife?"
Heidfeld: "Ja, bestimmt. Da habe ich extrem viel positives Feedback bekommen. Ich freue mich nach wie vor darüber und hoffe, dass man das irgendwann mal wiederholen kann. Das war fantastisch."
Frage: "Dann vielleicht richtig?"
Heidfeld: "Von mir aus ja! Aber vielleicht würde es dann daran scheitern."
Frage: "Was könnte man mit deinem Auto da fahren?"
Heidfeld: "Unter sechs Minuten müsste gehen. Aber die Strecke ist glaube ich nicht mehr die gleiche wie damals, sie ist minimal umgebaut."
Heidfeld mag Statistiken
Frage: "Hast du besondere Erinnerungen an schnellste Rennrunden?"
Heidfeld: "Nein, denn ich habe in der Formel 1 leider keine einzige. In anderen Rennserien eine Menge, in der Formel 3000, Formel 3 und Formel Ford zum Beispiel. Im Gegensatz zu vielen anderen finde ich Statistiken eigentlich ganz interessant. Ich fände es schön, bessere Statistiken zu haben."
"Wobei für mich speziell die schnellste Rennrunde recht wenig aussagekräftig ist. Es ist je nach Reifen häufig so, dass man zwar eine schnelle Runde hinlegt sich dabei aber die Reifen kaputt macht und dafür dann über die Distanz langsamer ist."
"Ich hätte in meiner Karriere schon oft schnellere Rennrunden hinlegen können, aber dann wäre ich über die Distanz langsamer gewesen. Deswegen ist das für mich nicht eine so schöne Statistik."
Frage: "Ist es eine große Herausforderung, vor und nach dem Boxenstopp schnelle Runden zu fahren?"
Heidfeld: "Ja, es ist eine große Herausforderung. Der Boxenstopp muss perfekt passen, aber natürlich auch die In- und Out-Lap. Da sieht man auch oft schnellste Sektorenzeiten. Du pushst auf der In-Runde natürlich, weil du dann weißt, dass du den Reifen nicht noch für zehn weitere Runden brauchst. Da kannst du ihn natürlich etwas stärker belasten. Das ist nicht immer so, aber ab und zu musst du den Reifen da schon etwas vorsichtiger behandeln."

