• 10.06.2004 22:52

Heidfeld: "Auf der Strecke zeigen, was ich kann"

Der Jordan-Pilot erklärt, warum seine Leistungen wieder jemandem auffallen und wieso er ermutigt in die Zukunft blickt

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Nick, ihr habt letzte Woche in Silverstone getestet. Wie ist es dort gelaufen?"
Nick Heidfeld: "Ja, wir waren zwei Tage in Silverstone. Zunächst einmal hatten wir vom Wetter her Glück. Wir hatten an beiden Tagen, an denen wir dort waren, Sonnenschein, was für Silverstone nicht gerade üblich ist, und testeten Reifen für den Grand Prix in Silverstone. Am zweiten Tag haben wir dann für hier, für Kanada, gearbeitet, und einen neuen Front- und Heckflügel ausprobiert. Die Teile sehen vielversprechend aus."

Titel-Bild zur News: Nick Heidfeld

Nick Heidfeld heute bei der offiziellen FIA-Pressekonferenz in Montreal

Frage: "Welche Entwicklungsteile werdet ihr in nächster Zeit bekommen?"
Heidfeld: "Wie gesagt, ich habe einen neuen Heckflügel getestet, der schon vor dem Test fertig gewesen ist, aber hier in Kanada fahren wir zum ersten Mal auf einem Low-Downforce-Kurs. Also haben wir ihn in Silverstone erst zum ersten Mal probiert. Der Frontflügel hat eine neue Hauptplatte und sollte definitiv schneller sein als das alte Modell."#w1#

Stärkerer Ford-Motor für Jordan ab Silverstone?

Frage: "Auf der Motorenfront tut sich aber nicht viel, richtig?"
Heidfeld: "Nicht im Moment. Ich hoffe aber, dass wir für Silverstone einen stärkeren Motor bekommen."

Frage: "Wie siehst du im Nachhinein deinen Wechsel zu Jordan, jetzt, wo die ersten Rennen hinter dir liegen?"
Heidfeld: "Vor den ersten Rennen hatte ich gehofft, wir könnten mit einem standfesten Auto beginnen und dann langsam auch den Speed verbessern. Ich muss aber sagen, dass ich mit den derzeitigen Fortschritten relativ zufrieden bin. Das Auto ist auf jeden Fall zuverlässiger und wir legen auch in Sachen Speed zu. Ich denke, für das Budget und für die Größe des Teams machen wir einen guten Job. Letztes Jahr hatte das Team anscheinend Probleme mit der Weiterentwicklung, aber in dieser Saison gibt es bei jedem Rennen ein paar neue Teile und weil wir nicht viel testen können, müssen wir sie einfach bei den Rennen ausprobieren. Bisher hat aber immer alles funktioniert."

Frage: "Zu welchem Team könnt ihr glaubst du am raschesten aufschließen?"
Heidfeld: "Ich hoffe, dass wir bald mit den Mittelfeld-Teams mithalten können. Zu Saisonbeginn hatten wir nur die Minardis hinter uns und da ist es natürlich schwierig, WM-Punkte zu holen, obwohl es uns in Monaco gelungen ist, was allen im Team Motivation injiziert hat. Auch beim letzten Rennen am Nürburgring konnte man eine Steigerung erkennen. Es hat Spaß gemacht, endlich wieder gegen andere Fahrer zu kämpfen. Ich konnte einen Jaguar und einen Toyota hinter mir halten und attackierte in den letzten Runden noch Felipe, also denke ich, es war kein so schlechtes Rennen."

Frage: "Inwiefern hattest du einen Heimvorteil?"
Heidfeld: "Ich denke nicht, dass es so etwas gibt, denn alle anderen Fahrer waren auch schon ziemlich oft am Nürburgring. Sicher ist es eine Strecke, die ich sehr mag und ich war dort wahrscheinlich öfter als die meisten meiner Kollegen, aber das ist kein allzu großer Vorteil, schätze ich."

Pace im Rennen okay, Qualifying verbesserungsbedürftig

Frage: "Glaubst du, dass du so eine Leistung hier in Kanada wiederholen kannst?"
Heidfeld: "In den letzten paar Rennen war unser Rennspeed ziemlich gut. Wir müssen uns im Qualifying verbessern, aber hier eine Vorhersage zu machen, ist besonders schwierig, denn die Strecke ist anders als die anderen Kurse, auf denen wir bisher gefahren sind, mit ganz wenig Downforce. Ich hoffe, dass das unserem Auto liegt, weiß es aber ehrlich gesagt noch nicht."

Frage: "Erledigst du die meiste Entwicklungsarbeit im Team, denn dein Teamkollege ist ja Neuling in der Formel 1?"
Heidfeld: "Nein, Giorgio hilft auch mit. Er gibt nur seine Kommentare ab, aber ich versuche auf jeden Fall so eng wie möglich mit den Ingenieuren zu arbeiten. Natürlich fällt es mir leichter, ihnen zu sagen, in welche Richtung sie zu gehen haben, denn ich kann ja mit der Vergangenheit vergleichen."

Frage: "Setzt dich Giorgio unter Druck?"
Heidfeld: "Ja. Vielleicht hat es bei den ersten paar Rennen nicht danach ausgesehen, aber er wird besser und besser und vor allem bei den Tests habe ich gesehen, dass er die Pace hat, wenn er es auf den Punkt bringt."

Frage: "Das treibt dich selbst auch an, nicht wahr?"
Heidfeld: "Ja, es treibt mich definitiv an, denn früher, mit Felipe und Kimi - wenn du von einem Newcomer geschlagen wirst, sieht das nicht gut aus. Vielleicht sieht es von außen leicht aus, aber ich gebe immer alles, um vor Giorgio zu sein, denn dann sind die Leute nicht verleitet zu denken, dass dies oder jenes nicht gut war."

Zuversicht: "Meine Chancen sind sicher nicht vorbei"

Frage: "Es sind einige Top-Cockpits zu vergeben. Musst du nicht ein bisschen Eigenwerbung betreiben, damit die Teamchefs erkennen, dass ein talentierter Fahrer verfügbar ist, oder glaubst du, deine Chancen sind schon vorbei?"
Heidfeld: "Nein, meine Chancen sind sicher nicht vorbei, aber ich versuche einfach, mich auf der Rennstrecke bestmöglich zu verkaufen. Dieses Jahr haben viele realisiert, dass ich einen guten Job mache. Nur darauf konzentriere ich mich - auf der Strecke zu zeigen, was ich kann."

Frage: "Glaubst du, dass das ausreicht?"
Heidfeld: "Das hoffe ich. Wir werden es nächstes Jahr sehen, aber im Moment sieht es nicht so schlecht aus, denke ich."

Frage: "Hier in Kanada ist natürlich Jacques Villeneuve ein Thema, von dem viele sagen, dass er dem Sport gut tun würde. Wie stehst du zu diesem Thema?"
Heidfeld: "Naja, von dem, was ich in den Nachrichten gehört habe, aus der Presse und natürlich aus Kanada, vermissen ihn die Leute sehr. Ich versuche aber, mich mehr auf mich selbst zu konzentrieren. Ich hatte einige gemeinsame Rennen mit ihm, die allesamt okay waren. Es wäre sicher großartig für Kanada und die Zuschauer, ihn wieder zurück zu haben, aber mich persönlich kümmert das ehrlich gesagt nicht."

Frage: "Eddie Jordan gilt als der bunteste Teamchef der Formel 1. Wie muss man sich die Arbeit mit ihm vorstellen und kannst du uns vielleicht die eine oder andere Anekdote über ihn erzählen?"
Heidfeld: "Naja, er ist auf jeden Fall ganz anders als Peter Sauber (Gelächter im Saal; Anm. d. Red.). Das sind vielleicht die unterschiedlichsten Charaktere der Formel 1, aber ich bin sehr rasch gut mit ihm ausgekommen. Letzte Woche am Nürburgring habe ich gesehen, wie er Schlagzeug gespielt hat. Das war lustig. Zum Glück bin ich erst zwei Minuten vor dem Ende seiner Show eingetroffen (wieder Gelächter; Anm. d. Red.)..."

Frage: "Man sagt, der Kurs hier sei wegen des Bremsens sehr schwierig. Was sind die Herausforderungen dieser Strecke im Vergleich zu anderen?"
Heidfeld: "Naja, was die Bremsen angeht, hängt das mehr mit dem Auto als mit dem Fahrer zusammen. Natürlich ist es nicht einfach, den Bremspunkt immer hundertprozentig zu treffen, aber das eigentliche Problem ist die Kühlung der Bremsen. Die andere Sache ist, dass man hart über die Randsteine fahren muss. Man braucht also ein Auto, das dafür geeignet ist. Es ist eines der ersten Rennen mit wenig Downforce und man kann noch nicht sagen, wie sich das Auto verhalten wird. Jedenfalls haben wir hier in den letzten Jahren mehr Motorschäden als anderswo gesehen."

"Quick Nick" schweigt zu BMW-Williams-Wechselgerüchten

Frage: "BMW hat als deutscher Automobilhersteller sicher einen Einfluss auf die Fahrerwahl bei Williams. Siehst du da Chancen für dich?"
Heidfeld: "Ich möchte nicht zu viel über nächstes Jahr sprechen. Im Moment unterhalten wir uns mit mehreren Teams und natürlich bleibt mein Ziel, eines Tages für ein Top-Team zu fahren, aber mehr kann ich dazu im Moment nicht sagen."

Frage: "Auf welcher Strecke ist Ferrari in dieser Saison noch am ehesten schlagbar, glaubst du?"
Heidfeld: "Ich habe keine Ahnung, so nahe bin ich an denen nie dran. Ferrari ist nicht unser Ziel, aber von dem, was wir bisher gesehen haben, sind sie auf jeder Strecke schwer zu schlagen, es sei denn, eines der anderen Teams schafft eine große Verbesserung, es gibt ein Rennen wie Monaco oder es regnet einmal ordentlich. Das könnte passieren."

Frage: "Bist du noch immer enttäuscht, dass McLaren seinerzeit Kimi Räikkönen verpflichtet hat und nicht dich, wenn du jetzt seine Resultate siehst?"
Heidfeld: "Wenn man sich diese Saison anschaut und seine Punkte, dann nicht, nein, aber das liegt schon so lange zurück und ich habe diese Frage schon so oft beantwortet. Er macht dort einen guten Job und ich muss sehen, dass ich ein gutes Cockpit bekomme."

Frage: "Vor der Saison wurde Kimi als potenzieller Weltmeister gehandelt und jetzt hat er nur halb so viele Punkte wie du. Aber wie frustrierend ist es, dass du nicht aus eigener Kraft vorne mitfahren kannst und was musst du unternehmen, um den Top-Teams aufzufallen?"
Heidfeld: "Natürlich ist es schwieriger, sich selbst zu präsentieren, wenn man nicht die Möglichkeit hat, um Spitzenplätze zu kämpfen, aber ich muss sagen, ich bekomme dieses Jahr ausschließlich positives Feedback. Es ist besser als die letzten ein, zwei Jahre bei Sauber, denn im ersten Jahr bei Sauber, mit Kimi, konnten wir regelmäßig in die Punkte fahren. Ich fuhr einmal auf das Podium und die Resultate waren sehr gut. Die Jahre danach haben alle erwartet, dass das so weitergeht, aber das Auto war nicht mehr so schnell und so sind meine Leistungen nicht mehr aufgefallen. Jetzt, mit Jordan, realisieren die Leute wieder, dass ich gute Arbeit leiste. Das ist gar nicht so schlecht."